"Ich erwarte mehr Engagement im Amazonas"
14. Juli 2019Nach einer Woche Staatsbesuch in Brasilien kehrt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller am Sonntag nach Deutschland zurück. Seine Mission war es, die Kooperationsprojekte, insbesondere zum Schutz des Regenwaldes, der indigenen Bevölkerung und des Amazonien-Fonds weiter auszubauen. Genau diese Zusammenarbeit ist seit Anfang des Jahres schwieriger geworden, weil die neue Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro andere Vorstellungen hat als die vorherige - und als ausländische Geldgeber. Das betrifft auch den erfolgreichen Amazonienfonds, aus dem Projekte zum Erhalt des Regenwaldes gefördert werden und den Norwegen (mehr als 98 Prozent) und Deutschland finanzieren. In der Amazonas-Metropole Manaus hat DW-Reporterin Nádia Pontes mit dem Entwicklungsminister gesprochen.
Deutsche Welle: Minister Müller, das brasilianische Weltrauminstitut INPE meldete jüngst Abholzungen auf Rekordniveau im Amazonas. Führt das zu Konflikten zwischen Deutschland und Brasilien?
Gerd Müller: Ich bin drei Stunden über den Regenwald geflogen, und ich möchte das auch der deutschen Bevölkerung sagen: Das sind Dimensionen, die wir uns in Europa nicht vorstellen können. Und deshalb müssen und sollten wir auch die internationale Solidarität hier einbringen und zusammen mit der brasilianischen Regierung unseren Beitrag erbringen.
Der Konflikt um den Amazonienfonds spitzt sich zu. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will mit dem Geld Farmer entschädigen, die in Schutzgebieten Land besitzen. Norwegen und Deutschland, die den Fonds zum Schutz des Regenwaldes finanzieren, wollen das so nicht. Wie kann der Konflikt entschärft werden?
Ich habe mit Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles ein sehr konstruktives Gespräch geführt. Er will den Fonds weiterentwickeln, das ist normal in einer neuen Regierung, und er wird sein Konzept vorlegen. Wir werden dann zusammen mit den Norwegern über neue Schwerpunkte und Entscheidungsstrukturen entscheiden. Ich erwarte hier ein stärkeres Engagement der europäischen Länder und der EU.
Betrachten Sie die Überlegungen der brasilianischen Regierung, den Regenwald wirtschaftlich stärker zu nutzen, als Gefahr für Amazonien?
Im Regenwald leben viele Menschen, die eine Perspektive brauchen. Deshalb werden wir die brasilianische Regierung dabei unterstützen, einkommensschaffende Maßnahmen zu entwickeln. Wir haben Erfahrungen in diesem Feld, zum Beispiel aus Indonesien. Es gibt Möglichkeiten, globale Güter wie Wald auch ohne Zerstörung zu nutzen. Es ist im Interesse aller, dass der illegale Einschlag und die Brandrodung im Amazonas nicht zunehmen. Und Brasilien hat sich dazu verpflichtet, die illegale Rodung bis 2030 zu stoppen. In den vergangenen Jahren wurde diese Quote auch massiv reduziert.
Deutschland kann beim Schutz des Regenwaldes auf eine langjährige Kooperation mit Brasilien zurückblicken. Ist die erfolgreiche Zusammenarbeit durch den Kurswechsel des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro in der Umweltpolitik gefährdet?
Brasilien hat eine überragende Bedeutung im internationalen Klimaschutz. Wir können von Brasilien auf vielen Feldern lernen. Wir sollten nicht arrogant sein, sondern offen für Innovationen. Insbesondere auf dem Sektor der Erneuerbaren Energien ist Brasilien den europäischen Ländern um Jahre voraus.
Angesichts der wachsenden internationalen Sorge vor Abholzung im Amazonas hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro Deutschland und anderen europäischen Ländern kürzlich auf dem G20-Gipfel in Japan vorgeworfen, sie litten an einer "Umweltpsychose". Ist eine Kooperation unter diesen Umständen möglich?
Das Amazonas-Gebiet ist größer als die Fläche der gesamten Europäische Union. Es ist die größte CO2-Senke der Welt. Aufgrund dieser überragenden Bedeutung für den internationalen Klimaschutz haben wir Europäer eine Verantwortung, uns dort zu engagieren. Das ist mein Signal an die brasilianische Regierung: wir wollen unsere Zusammenarbeit weiter ausbauen. Und wir legen dabei großen Wert darauf, dass die Programme des Amazonien-Fonds weiter geführt werden - wenn auch wir über neue Schwerpunkte miteinander reden müssen.