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Niebel glaubt an Kenia

Marcel Fürstenau20. August 2012

Der liberale Bundesminister sieht nach seinem Besuch in dem ostafrikanischen Land Potenziale für die deutsche Wirtschaft. Außerdem hofft er auf friedlichere Wahlen als 2007. Dennoch bleiben Zweifel.

Dürregebiet Kentumbeine an der Grenze zu Kenia. Ein junger Massai führt eine Herde Ziegen durch die trockene Landschaft. Foto: picture alliance/Kai-Uwe Wärner im Auftrag von World Vision
Kenia Massai mit ViehherdeBild: Bettina Rühl

Fünf Tage in einem einzigen Partnerland der staatlichen deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sind selbst für den vielreisenden Dirk Niebel eine Ausnahme. Doch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte gute Gründe, sich so viel Zeit zu nehmen. Neben politischen Gesprächen, unter anderem mit Premierminister Raila Odinga, wollte sich Niebel ein ausführliches Bild von der Arbeit kirchlicher Organisationen aus Deutschland machen. Diese sind seit 50 Jahren weltweit tätig. Deshalb wurde der Freidemokrat (FDP) von dem evangelischen Prälaten Bernhard Felmberg und dessen katholischen Amtsbruder Karl Jüsten begleitet.

Niebels Ministerium unterstützt die kirchliche Entwicklungshilfe in diesem Jahr mit 216 Millionen Euro, und im Gegensatz zu anderen nichtstaatlichen Organisationen können die christlichen Hilfswerke über das Geld weitestgehend frei verfügen. Ihre privilegierte Rolle verdanken sie den oft über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen zu Partnereinrichtungen in den Empfängerländern. Die kommen dem Evangelischen Entwicklungsdienst (eed) und dem katholischen Hilfswerk Misereor in Kenia zur Zeit besonders zugute.

Kirchen unterstützen Versöhnungsprozess

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In festem Glauben an Kenia: Dirk Niebel sowie die Prälaten Bernhard Felmberg und Karl Jüsten (v.l.n.r.) auf ihrer Pressekonferenz im Rift Valley.Bild: DW/M.Fürstenau

'Während und nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen war es um den Jahreswechsel 2007/08 zu lang anhaltenden Gewaltausbrüchen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen gekommen. Rund 1200 Menschen kamen ums Leben, mehr als 300.000 flüchteten innerhalb Kenias und teilweise ins benachbarte Uganda. Unter Vermittlung des ehemaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen (UN), Kofi Annan, kam im Februar 2008 ein landesweiter Versöhnungsprozess in Gang.

Von deutscher Seite engagieren sich neben den Kirchen auch die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Zivile Friedensdienst (ZFD). Sie unterstützen lokale Partner, die zwischen den verfeindeten Ethnien vermitteln. Dabei geht es um materielle Wiedergutmachung ebenso wie um die ungelöste Frage nach strafrechtlicher Aufarbeitung der Gewalt. Wie schwierig sich die Bemühungen um Aussöhnung gestalten, konnte der deutsche Entwicklungsminister bei Projekt-Besuchen im Rift Valley im Gespräch mit Betroffenen erfahren. "Sie wollen alles tun, damit es nicht wieder passiert“, sagte Niebel. Es müssten aber auch die isoliert werden, die politische Hetze betrieben und zu Gewalt aufriefen, sorgt er sich um die fragile Lage im Land.

Dirk Niebel (l.) und Mitarbeiter des Aussöhnungsprojekts in KaragitaBild: DW/M.Fürstenau

Theater und Gesang statt Hass und Gewalt                

Niebel war erschüttert von den Schilderungen überlebender Opfer, die häufig Familienmitglieder verloren haben. Aber trotz Mord, Vertreibung und Zerstörung scheint die Bereitschaft zur Versöhnung bei vielen Kenianern vorhanden zu sein. In einem Projekt in Karagita verarbeiten Angehörige unterschiedlicher Stämme ihre bedrückenden Erlebnisse spielerisch durch Tanz und Gesang. Dabei werden auch gesellschaftspolitische Veränderungen thematisiert, die nach den Unruhen eingeleitet wurden.

Zentral ist dabei die neue Verfassung Kenias, die 2010 in einer Volksabstimmung bestätigt wurde. Für den deutschen Entwicklungsminister ist diese neue Verfassung ein "Meilenstein“ auf dem Weg zu mehr Demokratie. Wie stabil die politischen Verhältnisse in Kenia wirklich sind, wird sich bei den Wahlen Anfang 2013 zeigen. Deutschland ist dabei auf verschiedenen Ebenen involviert. Im Informationsaustausch mit der kenianischen Regierung soll die Bevölkerung frühzeitig über ihre Rechte und Möglichkeiten informiert werden. "Wir wollen für noch mehr Transparenz bei den Wahlen sorgen“, nennt Dirk Niebel ein kurzfristiges Ziel. Im Rahmen der Europäischen Union (EU) beteiligt sich Deutschland außerdem an Wahlbeobachter-Kommissionen.

"Wir sind verschieden - im Frieden werden wir eins". Theater spielende Kenianer unterschiedlicher Stämme warten auf ihren Auftritt.Bild: DW/M.Fürstenau

Slums in Sichtweite von Glaspalästen

Seit der Einführung des Mehrparteiensystems 1992 kam es bei Wahlen immer wieder zu Manipulationen und Gewaltausbrüchen. Ursache sind meistens  ungelöste Verteilungsprobleme und Korruption in dem trotz ökonomischer Fortschritte von großer Armut geprägten Land. In der Hauptstadt Nairobi sind die Gegensätze besonders eklatant – Hochhäuser und Glaspaläste auf der einen, riesige Elendsviertel auf der anderen Seite. Wie groß die Not bei hunderttausenden Kenianern ist, davon machte sich der deutsche Entwicklungsminister im Slum von Korogocho ein Bild. In diesem Stadtteil, unweit moderner Bürogebäude, kümmern sich Partner-Organisationen von Misereor um die Nöte der zwischen Holzverschlägen und Müll hausenden Bewohner.      

Dass in weiten Teilen Kenias, trotz dieser menschunwürdigen Zustände, Chancen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung und Verringerung der Armut bestehen, daran glaubt Niebel ganz fest. Das Engagement deutscher Firmen hält der liberale Politiker dabei für ausbaufähig. Es gehe um den Transfer von Wissen, den Aufbau kenianischer Kapazitäten, aber auch um Investitionen deutscher Unternehmen. Niebel denkt dabei besonders an kleinere und mittlere Firmen. "Hier gibt es große Chancen, nicht nur Märkte zu erschließen, sondern auch die Armut zu bekämpfen“, ist der Entwicklungsminister überzeugt. 

Treffen mit UNEP-Direktor Steiner

Achim Steiner (l.) und Dirk NiebelBild: DW/M.Fürstenau

Ob das stark vom Klimawandel betroffene Kenia südlich der Sahara afrikanischer Vorreiter auf dem weiten Feld erneuerbarer Energien werden kann, ist schwer einzuschätzen. In dem sonnenreichen, oft von Dürren betroffenen Land, spielt Solarenergie so gut wie keine Rolle. Dabei ist das Thema Ressourcenschutz seit 1972 in Nairobi fest verankert. Damals wurde das Umweltreferat der Vereinten Nationen (UNEP) in Kenias Hauptstadt angesiedelt. Seit kurzem glänzt das Dach des hochmodernen UNEP-Gebäudes mit einer gigantischen Solaranlage.

Direktor des UN-Umweltreferats ist mit Achim Steiner ein Landsmann des deutschen Entwicklungsministers. Bei seinem Besuch in dem modernen, klimaneutralen Neubau bekam Dirk Niebel eine Hochglanzbroschüre mit dem Titel "Buildung for the future“ in die Hand gedrückt. Doch während die umweltschonende Energieerzeugung für UNEP in Nairobi schon Wirklichkeit ist, wären die meisten Kenianer schon froh, wenn sie überhaupt Strom hätten. Am großen Haus der Zukunft muss in dem ostafrikanischen Land noch eine Menge gewerkelt werden.