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Politik

"Westbalkan braucht die Hilfe der EU"

14. Juli 2017

Offene bilaterale Fragen, insbesondere zwischen Serbien und Kosovo, belasten die Entwicklung des Westbalkans. Wirtschaftliche Unterstützung der Region würde bei der Suche nach einer Lösung sehr helfen, sagt Enver Hoxhaj.

Deutschland Kosovo Enver Hoxhaj in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Sie haben sich kritisch zum Verlauf des Berlin-Prozesses geäußert, warum?

Enver Hoxhaj: Ich glaube, was mit dem Berlin-Prozess begonnen hat, hat unglaublich großen und positiven Einfluss auf die Region gehabt.Die regionale Zusammenarbeit ist nicht mehr das, was sie vor Jahren war, und das, was Frau Merkel mit Berlin begonnen hat, ist eine tolle Initiative, eine tolle Leistung. Aber die Region ist in einer Art Stillstand so lange es keine gegenseitige Anerkennung von Kosovo und Serbien gibt – das wäre die völlige Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Deswegen sind wir sehr daran interessiert, eine letzte Phase des Dialogs mit Belgrad zu haben, die zu einer Anerkennung von Kosovo führt und Kosovo ermöglicht, einen Sitz in der UNO zu bekommen. Dadurch wurde auch ein Versöhnungsprozess zwischen der serbischen und der kosovarischen Gesellschaft beginnen. Abgesehen von den Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien ist die Namensfrage zwischen Mazedonien und Griechenland ein Thema und auch die interne Situation in Bosnien. Diese offenen bilateralen Fragen sind weiterhin ein Problem, und ich glaube, die Mitgliedstaaten der Europäische Union sollten in den nächsten zwei bis drei Jahren einen Fokus darauf haben, wie wir wenigstens eine dieser großen historischen Herausforderungen lösen können.

Welches Signal erhoffen Sie sich von dem Westbalkangipfel in Triest?

Ich glaube, es ist unglaublich wichtig die Region von einem Staatsbildungsprozess zu einem Gesellschaftsprozess zu bewegen. Themen wie Energietransport, Kon­nek­ti­vi­tät, Zusammenarbeit zwischen der Jugend und Mobilität zwischen den Menschen sind unglaublich wichtig. Ich glaube, abgesehen von verschiedenen politischen Fragen, die dort gelöst werden sollten, braucht die Region mehr Unterstützung der Europäischen Union. Und das, was wir heute in Triest diskutieren werden, ist wirklich wichtig, weil ohne wirtschaftliche Entwicklung, ohne wirtschaftliche Zusammenarbeit, ohne gute Infrastrukturprojekte, ohne wirtschaftliches Wachstum wird die Region nicht imstande sein, ein Teil der Europäischen Union zu werden. Natürlich müssen dort auch andere Reformen gemacht werden. Aber Wirtschaft ist die Basis für eine künftige mögliche Mitgliedschaft aller Staaten, einschließlich Kosovo.

Hoxhaj: "Berlin-Prozess hat großen und positiven Einfluss auf die Region gehabt"Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Im Moment sieht es nicht so gut aus. Von den Politikern, die jetzt in Kosovo die Wahlen gewonnen haben, werden nur wenige von Serbien gleich akzeptiert. Es gab ja sogar Äußerungen aus Belgrad, dass die Führer der Parteien, die dort gewonnen haben, nicht erwünscht sind bei dem Dialog. Wie, glauben Sie, wird sich das in nächster Zeit entwickeln?

Kosovo ist ein souveräner Staat, und wer eine Regierung führt und eine Mehrheit schafft, entscheidet das Parlament in Kosovo. Ich glaube, wir werden bald eine Regierung in Priština haben und Ramush Haradinaj wird der Regierungspräsident sein. Und bis Ende Juli wird es ein neues Parlament und auch eine neue Regierung in Priština geben, die die europäischen Reformen unternehmen wird, die den Dialog mit Serbien weiterführen wird und die alles unternehmen wird, damit wir ein Partner der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten bleiben. Und da ändert sich nichts in Pristina, egal wer die Wahlen gewonnen hat und wer an der Regierung sein wird. Aber Ramush Haradinaj wird der nächste Premierminister sein.

Sie sagten, es wird sich nichts ändern bei dem ganzen Integrationsprozess was die positive Rolle von Kosovo anbelangt. Auch in Bezug auf Montenegro?

Was den Grenzverlauf betrifft, das wird ein Thema sein, das die nächste Regierung einfach zu lösen hat. Unsere Beziehungen mit Montenegro sind unglaublich gut. Es gibt überhaupt keine offene Fragen zwischen Kosovo und Montenegro. Es ist eher eine Frage, wir verschiedene Parteien die Grenzmarkierung in Kosovo verstanden haben, und die neue Regierung wird das auf dem Tisch haben und die neue Parlament wird dieses Abkommen oder eine mögliche neue Version dieses Abkommens ratifizieren. Aber das ist eine Entscheidung von vielen Abgeordneten, von denen auch ich einer bin.

Enver Hoxhaj ist ein kosovarischer Politiker und Historiker. Von 2011 bis 2014 leitete er das Außenministerium der Republik Kosovo. Dieses Amt hat er erneut seit Anfang Juni 2016 inne.

Das Gespräch führte Adelheid Feilcke