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Glaube

Enzyklika: Tribut an Lateinamerika

Astrid Prange18. Juni 2015

Der brasilianische Theologe und Bestseller-Autor Leonardo Boff legt die lateinamerikanischen Wurzeln der grünen Enzyklika des Papstes offen. Betrachtungen eines Befreiungstheologen.

Porträt Leonardo Boff
Leonardo BoffBild: imago/Fotoarena

Armut und Umweltzerstörung sind zwei Seiten einer Medaille. Diese in seiner Heimat Lateinamerika vorherrschende Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch die grüne Enzyklika des Papstes. An dem Lehrschreiben haben direkt oder indirekt auch zwei wichtige Persönlichkeiten aus der Region mitgewirkt: Erwin Kräutler, Bischof von Xingu im Amazonas, der größten Diözese Brasiliens, und der brasilianische Theologe Leonardo Boff. Die Auszüge aus einem Artikel, den Boff der DW zur Verfügung gestellt hat, geben Antworten auf grundlegende Fragen zur Öko-Enzyklika aus Rom. Die DW fasst Boffs wichtigste Punkte zusammen.

Das Besondere an dem päpstlichen Lehrschreiben

Es ist das erste Mal, dass ein Papst ganzheitlich auf das Thema Ökologie eingeht. Er bearbeitet das Thema innerhalb eines neuen ökologischen Paradigmas, eine Herangehensweise, die der UN bis heute in keinem einzigen offiziellen Dokument gelungen sei. Er nimmt die wissenschaftlichen Daten mit Empathie zur Kenntnis, denn er weiß, dass sich hinter ihnen menschliche Dramen verbergen.

Die Enzyklika und Lateinamerika

Es gibt ein Element, das besondere Beachtung verdient, weil es die Gedankenführung des Papstes offenbart: Es ist der Tribut an die pastorale und theologische Erfahrung der katholischen Kirche in Lateinamerika. Sie hat sich im Rahmen ihrer bischöflichen Konferenzen in Medellin (1968), Puebla (1979) und Aparecida (2007) für die "Option für die Armen" und die Befreiung entschieden.

Weltjugendtag in Rio de Janeiro (2013): Mehr als eine Million Menschen bei Abschlussmesse mit FranziskusBild: AFP/Getty Images

Der Text des Lehrschreibens ist typisch für Papst Franziskus und sein ökologisches Bewusstsein. Aber mir ist aufgefallen, dass viele Ausdrücke und Redensarten auf gedankliche Grundlagen aus Lateinamerika zurückgehen, schreibt Boff. Themen wie die "Pflege des gemeinsamen Hauses", "Mutter Erde", "Schrei der Erde", "Schrei der Armen", Fürsorge und die gegenseitige Abhängigkeit aller Lebewesen voneinander - sie alle gehen auf die Kirchen in Lateinamerika zurück.

Die Struktur der Enzyklika unterliegt dem methodischen Ritual, das von der Kirche in Lateinamerika praktiziert wird, und der theologischen Reflexion, die an die Befreiungstheologie anknüpft, zu der sich Papst Franziskus bekennt. Das Lehrschreiben offenbart den Heiligen Franziskus von Assisi, der vom Papst als Pionier einer ganzheitlichen Ökologie gewürdigt wird, als seine größte Inspirationsquelle.

Der Zusammenhang zwischen Umwelt und Armut

Die Opfer der Umweltzerstörung auf unserem Planeten sind zuallererst die Armen. Der Papst schreibt einen Satz, der an eine in Lateinamerika weit verbreitete Überzeugung erinnert: Eine ökologische Perspektive ist immer auch eine soziale Analyse. Sie wirft die Frage nach sozialer Gerechtigkeit auf, nach dem Schrei der Erde und dem Aufschrei der Armen. Er fügt hinzu: "Das Stöhnen der Erde vereint sich mit dem Stöhnen der Verlassenen dieser Welt". Das ist absolut schlüssig, denn der Papst schreibt gleich zu Beginn der Enzyklopädie, dass wir als Teil der Erde selbst die Erde sind.

Dies liegt ganz auf der Linie des argentinischen indigenen Dichters Atahualpa Yupanqui: "Der Mensch ist die Erde, die geht, fühlt, denkt und liebt". Papst Franziskus verurteilt eine internationale Kontrolle des Amazonas zum angeblichen Schutz des Regenwaldes, sie würde nur den Interessen multinationaler Konzerne dienen. Er vertritt zudem einen ethisch rigorosen Standpunkt: Es sei ein schwerwiegendes Vergehen, sich aus wirtschaftlichen Motiven Vorteile zu verschaffen, die der Rest der Menschheit mit hohen Kosten und großem Leid durch eine zunehmende Umweltzerstörung bezahlen muss.

Mit Traurigkeit stellt der Papst fest: Niemals ist die Erde so angegriffen worden, wie in den beiden letzten Jahrhunderten. Angesichts dieses menschlichen Großangriffs, der von vielen Wissenschaftlern als der Beginn eines neuen geologischen Zeitalters gewertet wird, klagt der Papst über die Ohnmacht und Realitätsferne der globalen Entscheidungsträger, die meinen, sie könnten einfach so weiter machen wie bisher.

Die Rolle der Naturwissenschaftler und Klimaforscher

Der Papst erkennt das breite Meinungsspektrum innerhalb der Wissenschaft an. Er räumt ein, dass es keinen Königsweg für die Lösung der globalen Umweltprobleme gibt. Dennoch sei es unübersehbar, dass die Menschheit das Ziel ihres Handelns aus dem Blick verloren und sich in einem System verrannt habe, das auf Kosten der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit der Akkumulierung von Reichtum diene.

Das Lehrschreiben problematisiert zudem die Rolle der Wissenschaft. Ihre technokratische Ausrichtung gebe sich der Illusion hin, dass sich mit Hilfe des technischen Fortschrittes alle ökologischen Probleme beheben ließen. Wissenschaftliche Erkenntnisse würden fragmentiert und verlören dadurch den Blick für das große Ganze. Die schlimmste Konsequenz sei dabei, dass der Wert des Lebens an sich übersehen werde. Genau diese Wertschätzung des Lebens, so gering es auch sein mag, wird jedoch in der Enzyklika immer wieder betont.

Papst Franziskus wirbt für eine ganzheitliche Ökologie, die über einen allgemeinen Umweltschutz hinausgeht. Der brüderliche Geist des Heiligen Franziskus von Assisi durchdringt das ganze Lehrschreiben. Die aktuelle Lage wird nicht als angekündigte Tragödie betrachtet, sondern als Herausforderung und Aufforderung für die "Pflege des gemeinsamen Hauses". Der Text wird von Leichtigkeit, Poesie und Freude im Geist der Hoffnung getragen. So groß die Bedrohung auch sein mag, die menschliche Fähigkeit, die dringenden ökologischen Probleme zu lösen und die Schöpfung zu bewahren, ist in den Augen des Papstes immer noch größer.

Astrid Prange fasste die Aussagen aus Leonardo Boffs Artikel zur Öko Enzyklika zusammen

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