Das kanadische Frauen-Nationalteam probt den Aufstand gegen den nationalen Fußballverband. Die Fußballerinnen fühlen sich von Canada Soccer hintergangen.
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Es brodelt in Kanadas Fußball. "Enough is enough" - genug ist genug - stand auf den lila T-Shirts, die Kanadas Nationalspielerinnen während der Hymnen vor dem Länderspiel gegen die USA trugen. "Lila wird traditionell mit den Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter in Verbindung gebracht", twitterte die Spielerinnen-Gewerkschaft Canadian Players Association. "In Anbetracht der aktuellen Umstände werden unsere Spielerinnen weiterhin Lila tragen, bis unser Verband Standards eingeführt hat, die Gleichbehandlung und Chancengleichheit gewährleisten."
Vorübergehend hatte sogar ein Streik der kanadischen Spielerinnen beim "SheBelieves Cup" in Orlando im US-Bundesstaat Florida im Raum gestanden. Das Team hatte dann jedoch unter Protest das Training wieder aufgenommen. Nach Angaben der Gewerkschaft hatte Canada Soccer, der Fußballverband des Landes, für den Fall eines Streiks mit rechtlichen und finanziellen Konsequenzen gedroht.
"Als die Mädchen streiken wollten, erinnerte ich mich an die Zeit, als wir vor 25 Jahren spielten", sagt Ex-Nationalspielerin Helen Stoumbos. "Wir hatten die gleichen Probleme, die gleichen Sorgen, haben die gleichen Kämpfe ausgefochten." Damals ohne Erfolg.
"Wir sind müde"
Auch der aktuelle Konflikt zwischen dem Verband und dem Team schwelt bereits seit langem. Die Spielerinnen beklagen unter anderem, dass Canada Soccer ihnen bislang noch keine Aufwandsentschädigungen für 2022 überwiesen habe. Der Verband entgegnete zunächst via Twitter, eine rückwirkende Zahlung sei überwiesen, löschte den Post später jedoch.
Das Fass zum Überlaufen brachten nun Meldungen, dass Canadian Soccer erhebliche Budget-Kürzungen für die Nationalmannschaften plane. Eine adäquate Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland sei mit dem neuen Etat nicht möglich, Trainingscamps müssten gekürzt werden oder ganz wegfallen, Spielerinnen ausgeladen werden, erklärte das Nationalteam: "Wir sind müde - müde davon, ständig für eine faire und gleiche Behandlung und für ein Programm kämpfen zu müssen, das uns die Chance gibt, das zu erreichen, was dieses Team, wie wir wissen, für Kanada zu leisten imstande ist."
Seit Anfang 2022 ziehen sich die Verhandlungen mit dem Verband über eine gleiche Bezahlung des Frauen- und des Männerteams mittlerweile hin. "Lohngleichheit ist das Kernstück unserer laufenden Verhandlungen mit den Spielerinnen. Ohne sie wird Canada Soccer keinem Abkommen zustimmen", versichert der Verband. Das sei nicht mehr als eine hohle Phrase, sagt Ex-Nationalspielerin Stoumbos. "Taten sagen mehr als Worte. Und was man sieht, widerspricht den Worten."
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Nationalteam fordert neue Führung
Die Vertrauensbasis zwischen Spielerinnen und Verband erscheint nachhaltig erschüttert. "In den vergangenen beiden Jahren gab es erhebliche Abweichungen bei der Finanzierung der Programme des Männer- und des Frauen-Nationalteams", schrieb Nationalspielerin Vanessa Gilles auf Twitter. Sie warf dem Verband finanzielles Missmanagement und fehlende Transparenz vor.
"Wenn Canada Soccer nicht willens oder in der Lage ist, unser Team zu unterstützen, sollte eine neue Führung gefunden werden", heißt es in der Erklärung des Nationalteams. "Wir glauben immer noch, dass sich nichts ändern wird, wenn wir nicht gemeinsam aufstehen und mehr fordern."
Das Beispiel der US-Fußballerinnen sollte den Kanadierinnen Mut machen. Megan Rapinoe, Alex Morgan und Co. hatten im Juni 2022 nach jahrelangem, teilweise auch juristischem Kampf um Gleichstellung erreicht, dass in den USA die Fußball-Nationalteams der Männer und Frauen gleich bezahlt werden. Beim Spiel in Orlando demonstrierte die US-Mannschaft ihre Solidarität mit dem kanadischen Team: Alle Spielerinnen hakten sich vor dem Anpfiff am Mittelkreis unter.
Kämpferinnen für Equal Pay
Das großartige Auftreten der deutschen Fußballerinnen bei der EM hat auch in Deutschland Schwung in die Debatte um Equal Pay gebracht. Seit Jahrzehnten kämpfen Topsportlerinnen weltweit für gleiche Bezahlung.
Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance
Billie Jean King
In ihrer Karriere gewinnt US-Tennisstar Billie Jean King zwölf Grand-Slam-Turniere im Einzel, davon sieben Mal in Wimbledon (Bild). Sie kämpft für Equal Pay. 1973 droht sie mit einem Boykott der US Open. Zu der Zeit ist die Siegprämie bei den Männern achtmal höher als bei den Frauen. Kings Drohung wirkt. Erstmals werden in New York 1973 bei einem Grand-Slam-Turnier einheitliche Prämien gezahlt.
Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance
Venus Williams
"Wimbledon hat mir eine Botschaft gesandt: Ich bin nur ein Champion zweiter Klasse". So betitelt Venus Williams 2006 ihren Gastbeitrag für die "Times". Dreimal hat sie zu diesem Zeitpunkt bereits das wichtigste Tennisturnier der Welt gewonnen. Bei ihrem Triumph 2005 kassierte sie rund 100.000 Euro weniger als Roger Federer. 2007 gewinnen beide erneut, diesmal erhalten sie gleichviel Geld.
Bild: Gerry Penny/dpa/picture-alliance
Dipika Rebecca Pallikal
2011 wird Dipika Pallikal als 19-jährige indische Squash-Meisterin. Die folgenden vier Jahre boykottiert sie die nationalen Meisterschaften, weil das Preisgeld der Frauen nur 40 Prozent der Siegprämie der Männer beträgt. Als 2016 die Prämien angeglichen werden, startet sie erneut - und gewinnt. "Es ging nicht nur um mich, sondern um die gesamte Squash-Gemeinschaft der Frauen", sagt Pallikal.
Bild: Hotli Simanjuntak/dpa/picture alliance
Eishockey-Team der USA
Auch die US-Eishockeyspielerinnen drohen 2017 mit einem Boykott. Die Weltmeisterinnen wollen ihren Titel bei der Heim-WM in Plymouth nur verteidigen, wenn es eine "faire Entlohnung" gibt. Der Verband lenkt ein. Die Jahresvergütung steigt auf rund 70.000 Dollar pro Spielerin. Das Team bedankt sich mit einem weiteren WM-Erfolg und ein Jahr später mit dem Olympiasieg in Pyeongchang (Bild).
Bild: Anke Waelischmiller/SVEN SIMON/picture alliance
Allyson Felix
Als Allyson Felix 2018 schwanger wird, macht sie öffentlich, dass Sponsor Nike ihr einen um 70 Prozent niedriger dotierten Vertrag angeboten hat. "Was ich nicht bereit bin zu akzeptieren, ist der Status Quo rund um die Mutterschaft", sagt die erfolgreichste Leichtathletin bei Olympischen Spielen. Nike ändert seine Regeln zum Mutterschutz, doch Felix trägt künftig Laufschuhe einer anderen Marke.
Bild: Getty Images
Ainhoa Tirapu
Als Spaniens Fußballerinnen 2019 streiken, ist die Torhüterin von Athletic Bilbao eine der Wortführerinnen. "Wir wollen Gleichheit, gleiche Rechte", schreibt Ainhoa Tirapu im "Guardian". Nach 16 Monaten Verhandlungen erkämpfen die Spielerinnen um die Ex-Nationaltorfrau einen Tarifvertrag, der ein Mindestjahresgehalt von 16.000 Euro sowie eine Mutterschutzregelung enthält.
Bild: Andre Pichette/dpa/picture alliance
Nneka Ogwumike
"Es ist einfach, über die Unterstützung von Frauen zu reden, aber es zu tun, erfordert eine andere Perspektive und ein anderes Bewusstsein, sagt Nneka Ogwumike, Basketballstar der Los Angeles Sparks. Unermüdlich kämpft sie als Chefin der WNBA-Spielerinnengewerkschaft für höhere Mindestgehälter, Sponsorenverträge und eine höhere Beteiligung der Spielerinnen an den Einnahmen der Liga.
Bild: Mark J. Terrill/AP/picture alliance
Portia Modise
Von 2000 bis zum Karriereende 2015 ist Portia Modise das Gesicht der südafrikanischen Fußballnationalmannschaft. Mit 101 Toren ist sie Rekordtorjägerin der "Banyana Banyana". "Zu der Zeit, als ich die beste Torschützin im afrikanischen Fußball war, lebte ich in einer Hütte", sagt Modise. "Sie haben mich ausgenutzt." Ihre Worte bringen Schwung in die Diskussion um Equal Pay in Südafrikas Fußball.
Bild: Sydney Mahlangu/BackpagePix/picture alliance
Lucy Small
Eher spontan wird die australische Profi-Surferin Lucy Small zur Equal-Pay-Aktivistin. Als sie im Frühjahr 2021 einen Longboard-Wettkampf in Sydney gewinnt und den Siegerinnen-Scheck in der Hand hält, ergreift sie das Mikrofon und spricht von einem "bittersüßen Sieg", weil ihr Surfen nur die Hälfte wert sei wie das der Männer. Das Video geht viral. Seitdem kämpft Small für Equal Pay im Sport.
Bild: Wen Surf Photography
Alex Morgan
Fußball-Nationalstürmerin Alex Morgan (r.) ist in den USA ein Publikumsliebling. Dennoch gibt es bei der WM 2015, die das US-Team später gewinnt, so wenige Fanartikel, dass Morgans Vater selbst T-Shirts drucken lässt. 2016 schreibt Morgan in der "Cosmopolitan", die Fußballerinnen verdienten "Equal Pay for Equal Play (Gleicher Lohn für gleiche Leistung). Das ist ein ziemlich einfaches Konzept."
Bild: Fernando Llano/AP/picture alliance
Megan Rapinoe
Neben Morgan treibt Megan Rapinoe den Kampf um Equal Pay voran. Angeführt von der charismatischen Weltfußballerin von 2019 verklagt das US-Team im selben Jahr den Fußballverband USFF wegen Diskriminierung auf 66 Millionen Dollar. Im Februar 2022 einigen sich beide Seiten auf die gleiche Bezahlung von Frauen- und Männerteam. "Das ist ein Wendepunkt für den Frauensport", sagt Rapinoe.