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Erdölpipeline von Aserbaidschan bis zur Türkei umstritten

2. Juni 2003

- Umweltschützer befürchten tiefe Eingriffe in die Natur

Köln, 30.5.2003, DW-radio, Insa Wrede

Auf Öl verzichten? Für die Industrieländer undenkbar. Bis heute kommt der Großteil des Öls aus dem arabischen Raum. Und bis heute wirkt der Schock aus den Siebzigern, als die arabischen Länder den Ölhahn zudrehten und damit das Wirtschaftswachstum weltweit abwürgten. Nur, wie können sich die Industrieländer aus dieser Abhängigkeit befreien? Die Lösung: Öl vom Kaspischen Meer. Damit der Ölfluss aus Vorderasien einigermaßen gesichert ist, muss das Öl nur noch über stabile Regionen in die Industrieländer transportiert werden. Eine Pipeline muss her, und zwar nicht durch das unsichere Russland und den moslemischen Iran. Vorgezogen wurde die teurere und längere Variante: von Aserbaidschan über Georgien bis zur türkischen Mittelmeerküste. Was besonders für die USA eine optimale Lösung scheint, ist bei lokalen Nichtregierungsorganisationen heftig umstritten. Zur Zeit reist Manana Kochladse von Green Alternative aus Georgien durch Europa, um gegen das Pipelineprojekt zu protestieren. Insa Wrede hat sie getroffen.

Mittags in Rom, nachmittags Gespräche im deutschen Wirtschaftsministerium und abends Presseinterviews in Bonn. Müde sieht Manana Kochladse aus, aber wenn sie von der geplanten Pipeline spricht, erwacht ihr Kampfgeist von neuem.

Manana Kochladse: "Die Pipeline führt durch mehrere sehr empfindliche Gebiete, unter anderem den südlichen Kaukasus. Diese Region wurde von der Umweltorganisation WWF als eine von 200 Ökoregionen definiert, die besonders geschützt werden müssen. Wenn eine Pipeline beispielsweise durch Wälder verläuft, müssen Zufahrtswege in die Wälder geschlagen werden und eine Schneise für die Pipeline. Der Wald wird dadurch so verändert, dass viele Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum verlieren."

Sterben Tiere und Pflanzen, verlieren auch die Menschen ihre Lebensgrundlage.

Manana Kochladse: "Die Pipeline verläuft durch mehrere Naturparks. In einem wird Mineralwasser gewonnen. Dieses Mineralwasser ist das Hauptexportprodukt Georgiens. Gibt es einen Unfall oder sollte die Pipeline nicht ganz dicht sein, dann wird das Wasser verschmutzt. Aber selbst wenn alles gut geht - keiner würde Mineralwasser aus einer Gegend kaufen wollen, durch die eine Pipeline läuft."

Sollten die Staaten sich eines Tages überlegen, dass ihnen ihre Natur doch mehr wert ist, wird die Pipeline davon nicht betroffen sein. Denn Aserbaidschan, Georgien und die Türkei haben mit dem Firmen-Konsortium, dass die Pipeline baut, ein Gastlandsabkommen getroffen. Damit verpflichten sie sich, das Firmen-Konsortium zu entschädigen, wenn Kosten durch zukünftige Umwelt-, Gesundheits-, Sicherheits- oder Steuergesetze entstehen.

Aber nicht nur die Umwelt, auch Menschenrechte werden mit Füssen getreten, sagt Manana Kochladse. Und das, obwohl zwei Drittel der Pipeline von internationalen Finanzinstitutionen finanziert werden, vor allem der Weltbank und der Osteuropabank. Und die haben sich die Bekämpfung der Armut und die Demokratisierung auf die Fahnen geschrieben, klagt Manana Kochladse.

Manana Kochladse: "Die Pipeline wird in Gebieten gebaut, wo Menschenrechte nicht garantiert sind. Bereits vor dem Bau gab es Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan, Georgien und der Türkei. Beispielsweise warnte Herr Alijev, der Sohn des aserbaidschanischen Präsidenten und Vizepräsident der staatlichen Ölgesellschaft von Aserbaidschan, am 24. Februar öffentlich vor Kritik am Bau der Pipeline. Und er drohte denjenigen, die nach der Verwendung der Gewinne aus dem Ölverkauf bestehender Pipelines fragen und die Vorbehalte gegen den Bau der neuen Pipeline haben."

Kein Wunder, denn das Volk wird höchstwahrscheinlich von den Gewinnen nichts zu sehen bekommen. Nach der unabhängigen Organisation Transparency International gehören Aserbaidschan und Georgien zu den korruptesten Ländern weltweit. Reich wird hier nur eine kleine Elite, und die behält ihr Geld lieber für sich, anstatt in die heimische Wirtschaft zu investieren. Zwar wurde dem Volk versprochen: Wenn erst einmal Öl durch die Pipeline fließt, dann geht es auch hier bergauf. Solange sich aber die politischen Verhältnisse nicht ändern, wird es wohl bei einem leeren Versprechen bleiben. Manana Kochladse und andere Aktivisten protestieren weiter. Zu spät ist es noch nicht. Zwar wurde schon sechsmal angekündigt, dass der Bau jetzt losgehe. Bislang gibt es aber noch keinen Meter der umstrittenen Pipeline." (MO)