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"Abgehörte Telefonate sind echt"

5. März 2014

Abgehörte Telefonate rücken den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in die Nähe von Korruption und Machtmissbrauch. Vor den Kommunalwahlen gibt sich der Premier trotzdem siegessicher.

Ministerpräsident Erdogan bei einem Wahlkampfauftritt in Adiyaman (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP

Erdogan bestätigt Telefonmitschnitte

01:17

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Der durch Korruptionsvorwürfe unter Druck stehende türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Authentizität von zwei Telefonaten bestätigt, die von Unbekannten mitgeschnitten wurden und die nach Einschätzung von Kritikern eine illegitime Einflussnahme Erdogans auf einen Gerichtsprozess und eine Ausschreibung belegen.

Als echt bezeichnete Erdogan jetzt ein Telefonat, in dem er mit seinem damaligen Justizminister Sadullah Ergin über einen Prozess gegen den regierungskritischen Medienunternehmer Aydin Dogan spricht. In der Unterredung ärgert sich der Regierungschef über einen Freispruch für Dogan. Ergin beruhigt ihn mit dem Hinweis auf höhere Instanzen.

"Nur normal"

Erdogan erklärte dazu, es sei "nur normal", wenn er seinen Justizminister bitte, ein bestimmtes Gerichtsverfahren im Auge zu behalten. Dogan war in Ungnade gefallen, weil seine Mediengruppe über einen Spendenskandal im Umfeld der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP berichtet hatte. Bald darauf sollte die Gruppe wegen umstrittener Steuervergehen eine Milliardenstrafe zahlen.

Umstrittenes Rüstungsgeschäft

In dem zweiten Mitschnitt geht es um die Ausschreibung zum Bau eines Kriegsschiffes. Der Auftrag war zunächst an den Industriekonzern Koc vergeben worden, dessen Haltung während der Unruhen um den Istanbuler Gezi-Park im vergangenen Jahr den Zorn Erdogans erregt hatte. In dem Telefonat fordert der Ministerpräsident den Unternehmer Metin Kalkavan auf, trotz abgelaufener Frist ein Konkurrenz-Gebot einzureichen. Der Auftrag an Koc wurde später annulliert.

Im Internet waren in den vergangenen Wochen mehrere Mitschnitte von Telefonaten Erdogans aufgetaucht. Der Regierungschef hatte die meisten als Fälschungen zurückgewiesen, einige aber auch bestätigt. So hat er bereits eingeräumt, einen privaten Fernsehsender aufgefordert zu haben, weniger ausführlich über die Opposition zu berichten. Einige Mitschnitte waren offenbar von der Staatsanwaltschaft im Rahmen der von Erdogan kritisierten Korruptionsermittlungen angeordnet worden. Wer sie jetzt veröffentlicht hat, ist nicht bekannt.

Vorwürfe gegen Gülen

Erdogan hält es für den eigentlichen Skandal, dass er abgehört wurde. Für die Lauschaktionen und für Korruptionsermittlungen gegen Regierungskreise machen der Ministerpräsident und seine Gefolgsleute die Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fetullah Gülen und dessen Helfershelfer in Polizei und Justiz verantwortlich. Erdogan wirft seinem früheren politischen Verbündeten vor, ihn stürzen zu wollen, weil er gegen die von der Gülen-Bewegung betriebenen Privatschulen vorgehe. Nach Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe hatte Erdogan mehrere tausend Polizisten, Richter und Staatsanwälte zwangsversetzen lassen. Gleichzeitig paukte er ein neues Justizgesetz durch das Parlament, das die Rolle des Justizministeriums bei der Auswahl von Richtern und Staatsanwälten stärkt.

Trotz der kompromittierenden Telefongespräche und der Korruptionsverdächtigungen gibt sich Erdogan mit Blick auf die Kommunalwahlen in gut drei Wochen siegessicher. Wenn seine AKP aus der Wahl am 30. März nicht erneut als stärkste Kraft hervorgehe, werde er aus der aktiven Politik ausscheiden, zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu den Regierungschef.

wl/kle (dpa, afp)

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