1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Erdogan entlässt wieder Zentralbankchef

20. März 2021

Der geschasste Notenbankchef hatte vor wenigen Tagen zum Unmut des Präsidenten den Leitzins stark erhöht. Der neue Spitzenbänker Kavcioglu gilt dagegen wie Erdogan als Kritiker einer restriktiven Geldpolitik.

Türkei Präsident Recep Tayyip Erdogan
Präsident Recep Tayyip ErdoganBild: Adem Altan/AFP/Getty Images

Mit Naci Agbal hat Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits zum dritten Mal seit Mitte 2019 einen Zentralbankchef abgesetzt. Agbal hatte den Posten erst vor knapp fünf Monaten angetreten. Ein entsprechender Präsidialbeschluss über die Entlassung wurde überraschend im Amtsblatt veröffentlicht. Eine Begründung wurde nicht angegeben.

Der vierte Zentralbankchef in nur fünf Jahren

Der Nachfolger Sahap Kavcioglu gilt wie der Staatspräsident als Kritiker einer straffen Geldpolitik, mit dem Ziel, Kreditaufnahme und Wachstum anzukurbeln. Er saß einst als Abgeordneter von Erdogans Regierungspartei AKP im türkischen Parlament.

Die spannende Frage ist nun: Wird die Entscheidung die Währungskrise in der Türkei weiter anheizen? Analysten sagen voraus, dass die Lira bei der Wiedereröffnung der Märkte fallen wird, da die Glaubwürdigkeit der Zentralbank einen weiteren Schlag erlitten habe.

Der Neue auf dem Chefsessel der Zentralbank, Sahap Kavcioglu (Archivbild)Bild: Mustafa Ciftci/AA/picture alliance

Erst am Donnerstag hatte die türkische Notenbank den Leitzins - gegen den Willen des Präsidenten - unerwartet deutlich um zwei Punkte auf 19 Prozent angehoben. Im Dezember hatte die Notenbank den Leitzins auf 17 Prozent erhöht und ihn dann zweimal bestätigt. Im vergangenen Sommer hatte der Leitzins noch bei 8,25 Prozent gelegen.

Agbal hatte mit seiner Zinspolitik versucht, die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Zuletzt hatte die Teuerungsrate wieder angezogen: Im Februar stieg die Jahresinflationsrate auf mehr als 15 Prozent. Auch die türkische Lira war angesichts der Stärke des US-Dollars unter Druck geraten. Seit 2018 hat die Lira die Hälfte ihres Wertes verloren.

Türken leiden unter Verlust der Kaufkraft

Vor allem Nahrungsmittel werden immer teurer: Die Lebensmittelpreise stiegen im Februar auf Jahresbasis um 18,4 Prozent. Drastische Preiserhöhungen gab es etwa bei Grundnahrungsmitteln wie Eiern, Brot, Sonnenblumenöl und Käse. Erdogan steht deshalb auch innenpolitisch unter Druck, der Unmut in der Bevölkerung wächst.

Der Präsident dringt immer wieder auf niedrige Zinsen und bezeichnet den Leitzins oft als "Mutter allen Übels". Er setzte die Zentralbank mehrfach unter Druck, die Zinsen niedrig zu halten, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Kritiker sehen die Unabhängigkeit der Zentralbank durch den politischen Druck schwer beschädigt.

Der Vorgänger des jetzt geschassten Zentralbankchefs Agbal, Murat Uysal, konnte sich nur etwas mehr als ein Jahr im Amt halten und wurde Anfang November abgelöst. Kurz darauf trat Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak überraschend als Finanzminister zurück.

qu/kle (dpa, rtr, afp)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen