1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Besuch in einer schwierigen Situation

4. Februar 2018

Die Türkei rückt militärisch in Syrien gegen die Kurden vor. Ausgerechnet jetzt kommt Präsident Recep Tayyip Erdogan in den Vatikan und trifft an diesem Montag den Friedens-Mahner Papst Franziskus. Ein heikler Termin.

Recep Tayip Erdogan und Papst Franziskus (28.11.2014)
Papst Franziskus und Präsident Erdogan in Ankara im November 2014Bild: picture-alliance/epa/A. Di Meo

"Die Kirchen in der Türkei sind in einer schwierigen Situation und das schon seit langer Zeit", sagt der Theologe und Orientalist Harald Suermann. "Das liegt vor allem daran, dass die Kirchen keine Rechtspersönlichkeit haben und damit in einer ausgesprochen schwierigen Situation sind, was Güter angeht." Der Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts Missio in Aachen nennt da beispielsweise Gebäude- oder Grundstücksfragen. Er schaut gespannt auf die Audienz für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei Papst Franziskus am Montag.

Es ist der Gegenbesuch. Im November 2014 kam Papst Franziskus bei seiner insgesamt sechsten Auslandsreise für drei Tage in die Türkei. Für den Papst waren sicher die Begegnungen mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios in Istanbul der Höhepunkt, dem er sich eng verbunden fühlt und mit dem er sich nun schon häufiger traf.

Doch politische Aufmerksamkeit weltweit gewann die Visite durch den Auftakt in Ankara. Franziskus, der nicht wie seine Vorgänger im prächtigen Apostolischen Palast residiert, sondern in zwei bescheidenen Zimmern in einem Gästehaus im Vatikan, war ausgerechnet der erste Staatsgast, den Präsident Recep Tayyip Erdogan in seinem neu errichtetem "Weißen Palast" empfing, einem gewaltigen Prunkbau in der türkischen Hauptstadt.

Forderung nach gleichen Rechten

In dieser pompösen Kulisse wählte Franziskus deutliche Worte: "Es ist grundlegend, dass die muslimischen, jüdischen und christlichen Bürger - sowohl in den gesetzlichen Bestimmungen wie auch in ihrer tatsächlichen Durchführung - die gleichen Rechte genießen und die gleichen Pflichten übernehmen", sagte er vor Spitzenvertretern aus Staat und Gesellschaft. Damit sprach er ungewöhnlich offen die Diskriminierung der Christen und der Religionen an. Zu den 80 Millionen Türken gehören nur gut 100.000 Christen, knapp 0,2 Prozent der Bevölkerung.

Staatschefs Franziskus und Erdogan im Präsidentenpalast in Ankara (November 2014): Deutliche Worte des PapstesBild: Reuters/T. Gentile

Bekanntestes Beispiel für deren schlechte Stellung ist das seit vielen Jahrzehnten geschlossene Theologenseminar der griechisch-orthodoxen Kirche auf der Insel Chalki. Ohne diese Einrichtung droht die Orthodoxie in einer ihrer Kernregionen auszubluten. In anderen Fällen sind es Grundstücke und Gebäude, die immer schon in kirchlichem Besitz und Nutzung waren - und dann enteignet wurden.

Erdogan seinerseits bewertete im gleichen Rahmen den Besuch von Franziskus als Signal des Friedens für die ganze islamische und christliche Welt. Er solle der Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit sein. Zugleich beklagte er eine Islamophobie im Westen, die Islam mit Gewalt, Terrorismus und Intoleranz gleichsetze.

Aufgezwungene Solidarität?

Der jetzt anstehende Gegenbesuch erfolgt indes in einer ganz anderen politischen Zeit. Viel hat sich verändert in den vergangenen drei Jahren: Die Flüchtlingskrise hat sich verschärft; nun leben Millionen aus ihrer Heimat geflohene Syrer in der Türkei und sollen nicht nach Europa kommen. Es gab den Putschversuch in der Türkei im Juli 2016. Und vor Kurzem hat das türkische Militär seine Offensive in Nordsyrien gestartet, die Kurden, aber wohl auch Christen trifft.

"Der politische Druck auf Christen ist sicher stärker geworden", das Klima härter, sagt Theologe Suermann. Aktuell verweist er auf eine "Solidaritätsbekundung" christlicher Oberhäupter, darunter Bartholomaios, zum Einmarsch der Türken im syrischen Kurdengebiet, die diesen "vermutlich aufgezwungen worden ist". Gerade das harte militärische Vorgehen gegen die Kurden wird bei Papst Franziskus die Besorgnis über neues Leid für viele Menschen vergrößern.

 

Türkische Panzer in Nordsyrien: Offensive, die Kurden, aber auch Christen trifftBild: picture-alliance/dpa

Den Druck auf die christliche Minderheit beklagte in dieser Woche auch die "Vereinigung protestantischer Kirchen", nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von 150 mehr oder weniger kleinen Gemeinschaften in der Türkei. Sie sprach von wiederkehrenden Hassverbrechen gegen ihre Mitglieder und Einrichtungen und führte ausdrücklich zunehmende Hassrede gegen Christen in nationalen und lokalen Medien. In den Gemeinden und bei ihren Mitglieder wachse die Besorgnis.

Ein Telefonat

Bemerkenswert ist, dass die jetzige Audienz für Erdogan vor ihrer offiziellen Bestätigung am 16. Januar einen ungewöhnlichen zeitlichen Vorlauf hat. Vor dem Jahreswechsel gab es ein Telefonat von Papst und Präsident. Laut türkischen Medien ging es dabei um den Status von Jerusalem - im Nachgang der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die Botschaft der USA in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

Was den ersten Berichten über dieses Telefonat nicht direkt zu entnehmen war: Erdogan hatte von sich aus im Vatikan angerufen. Das passt wieder dazu, dass sich der türkische Präsident gerne als Schutzherr muslimischer Interessen gegenüber dem Westen darstellt. So wurde bereits bei diesem Telefongespräch ein beiderseitiges Treffen vereinbart - das jetzt erfolgt.

"Ich glaube, dass bei einer offenen Aussprache der Papst einiges erreichen kann", sagt Harald Suermann, "weil die Türkei Interesse daran hat ein besseres Ansehen im Westen zu bekommen für die eigenen politischen Ziele. Das ist ein politisches Tauschgeschäft, das da stattfinden kann". Aber es sei nicht sichergestellt, dass dies gelinge und sich die Lage der Christen verbessern werde.