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Politik

Erdogan in Moskau: Ringen um Syrien

Beklan Kulaksızoğlu
23. Januar 2019

Beim Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch in Moskau steht ein Thema im Mittelpunkt: Syrien. Nach dem angekündigten US-Truppenabzug arbeiten Russland und die Türkei an einer neuen Strategie.

Russland Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan in Moskau
Präsidenten Putin und Erdogan (im März 2017)Bild: picture-alliance/abaca/S. Karacan

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Kollege Wladimir Putin hatten schon Ende 2016 ihre Kräfte gebündelt. Zusammen mit dem Iran hatten sie damals den sogenannten "Astana-Prozess" ins Leben gerufen, der dem blutigen Bürgerkrieg in Syrien ein Ende setzen soll.

Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, seine Soldaten aus Syrien abzuziehen, müssen alle Akteure ihre Pläne überdenken und sich der neuen Lage stellen. Auf der Tagesordnung in Moskau stehen an diesem Mittwoch vor allem drei Themen: die Schaffung einer Sicherheitszone in Nordsyrien östlich des Euphrats, eine mögliche Operation der türkischen Armee in Manbidsch und der zunehmende Einfluss der Al-Kaida-nahen Islamisten in Idlib.

Bei allen Themen ist die Auffassung der Türkei in einem Punkt unverändert: Wenn es um ihre Haltung gegenüber den von syrischen Kurden gegründeten PYD und YPG geht. Die "Partei der demokratischen Union" (PYD) und ihr militärischer Arm YPG haben enge Verbindungen zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die PKK steht auf den Terrorlisten sowohl der Türkei als auch der EU und der USA.

Verwerfungen zwischen den NATO-Partnern

Die Regierung in Ankara sieht PYD und YPG als syrische Ableger der PKK und damit als Terrororganisationen - anders als der NATO-Partner USA, der sich im Kampf gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) auf die kurdischen Milizen der YPG verlassen hatte. Dass die Vereinigten Staaten die kurdischen Kämpfer ausgebildet und bewaffnet haben, war der Türkei lange ein Dorn im Auge und sorgte für Verwerfungen zwischen beiden NATO-Partnern.

Uneinig im Syrien-Konflikt: NATO-Partner Trump und ErdoganBild: picture-alliance/AP Photo/T. Zenkovich

Das offizielle Ziel von PYD und YPG ist die Gründung einer autonomen Region im Norden Syriens, südlich der türkischen Grenze. Die Türkei beabsichtigt genau in dieser Region eine Sicherheitszone zu schaffen. Ziel ist es, bewaffnete YPG-Kämpfer aus der Gegend zu verdrängen, um Platz für die syrischen Flüchtlinge zu schaffen, die aus der Türkei in ihre Heimat zurückkehren sollen. Auch darunter sind viele Kurden.

Der Politologe Murat Yeşiltaş arbeitet für die "Stiftung für politische, wirtschaftliche und soziale Forschung" (SETA) mit Sitz in Ankara. Er schätzt, dass etwa 300.000 Kurden von der YPG aus Nordsyrien zur Flucht gezwungen wurden. Staatspräsident Erdogan hatte in der New York Times angekündigt, dass die Türkei in kurdisch-dominierten Teilen Nordsyriens "lokale Gemeinderäte" bilden will und beabsichtigt, die Kurden an diesem Prozess teilhaben zu lassen, die nicht in terroristische Kämpfe verwickelt gewesen seien.

Offen für alternative Lösungen?

Aus Sicht von Experten sind sich US-Präsident Trump und Erdogan einig, eine Sicherheitszone zu schaffen. Von einem 32 Kilometer breiten Korridor ist die Rede. Die Einrichtung und die Kontrolle der Zone beansprucht die Türkei für sich. Ob oder inwieweit die USA damit einverstanden wären, ist unklar.

Kerim Has, ein in Moskau ansässiger Experte für die russisch-türkischen Beziehungen, ist davon überzeugt, dass es Absprachen zwischen Erdogan und Trump bezüglich des Schicksals der syrischen Kurden gibt. Die Türkei würde auch nach einem US-Truppenabzug nicht gegen die YPG militärisch vorgehen. Die Kämpfer der Miliz würden die Sicherheitszone selbst verlassen und Richtung Süden ziehen. Für Has wäre es denkbar, dass am Ende ein syrisches Kurdistan entsteht - nach dem Vorbild der Nordiraks sowie mit Einwilligung und Hilfe der Türkei.

Was würde denn die Regierung in Moskau von einer türkisch-amerikanischen Sicherheitszone halten? Kerim Has verweist auf die Haltung Russlands, wonach das Assad-Regime in allen Gebieten Syriens wieder die Kontrolle bekommen soll. Auch die Moskauer Pläne sehen für die Kurden eine Art Autonomie vor, jedoch eher kultureller Art. Sicherheitsexperte Yeşiltaş ist der Meinung, das Assad-Regime wäre nicht in der Lage, im Osten des Euphrats für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Daher wäre Russland offen für alternative Lösungen.

Hilferuf an Assad aus Manbidsch

Ein anderer Brennpunkt ist die Stadt Manbidsch am Westufer des Euphrats. Erdogan droht seit Monaten mit einer militärischen Operation. Der Grund: Die vorwiegend von Arabern bewohnte Stadt wurde 2016 von der YPG im Kampf gegen den IS eingenommen und - anders als das amerikanische Versprechen an Ankara - nicht wieder verlassen. Dass die YPG an das westliche Flussufer gelangt, war damals eine rote Linie für die Türkei.

Türkische Einheiten in der Nähe Manbidsch (im Dezember): Rote LinieBild: Reuters/K. Ashawi

Nach der Ankündigung des US-Abzugs hat die YPG das Assad-Regime gegen eine türkische Operation zu Hilfe gerufen und mehrere Hundert Kämpfer aus der Stadt zurückgezogen. Die Assad-Truppen wurden am Rande von Manbidsch stationiert. Russische Militärpolizei patrouilliert in der Nähe, teilweise gemeinsam mit YPG-Milizen, und zum Ärger der Türkei.

Russland will die Stadt gerne unter der Kontrolle der Assad-Truppen sehen. Experte Kerim Has betont, dass die Führung in Moskau für eine Manbidsch-Offensive der Türkei bestimmt kein grünes Licht geben würde. Wenn überhaupt, dann unter der Bedingung, dass das Gebiet so schnell wie möglich an Assad zurückgegeben wird, so Has.

Pläne für demilitarisierte Zone in Idlib

So wichtig, wie die Pläne im Osten des Euphrats und für Manbidsch für Erdogan auch seien, so sehr wäre Putin an dem Schicksal Idlibs interessiert, meint der Moskauer Experte Kerim Has. Russland und die Türkei hatten noch im September des vergangenen Jahres ein Abkommen unterzeichnet, mit dem Ziel in der Rebellenhochburg Idlib unter anderem eine demilitarisierte Zone zu schaffen.

Ferner wurden der Abzug von schweren Waffen und der Rückzug von "allen radikalen Kämpfern" beschlossen. Oberste Priorität war vor allem der Rückzug der Al-Kaida-nahen Hajat Tahrir al-Scham (HTS). Die Türkei wollte eine militärische Operation des Assad-Regimes in Idlib und eine Flüchtlingswelle Richtung Türkei um jeden Preis verhindern.

Die Voraussetzungen des Abkommens konnten aber größtenteils nicht erfüllt werden. Die HTS hat nach den schweren Kämpfen gegen die von der Türkei unterstützten Rebellengruppen ihren Einfluss noch ausgeweitet. Russland Präsident Putin würde Erdogan bei dem Gespräch in Moskau an die Voraussetzungen des Abkommens erinnern - nach dem Motto "entweder ihr führt die Operation durch und zwingt die HTS aus der Region oder wir tun das", so die Einschätzung von des Moskauer Experten Kerim Has.

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