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Politik

Erdogan, Putin, Rohani: Impulse für Syrien

Daniel Heinrich
14. Februar 2019

Der Abzug der US-Truppen aus Syrien schafft ein Machtvakuum, das Russland, der Türkei und dem Iran in die Hände spielt. Am Donnerstag verhandeln die drei Staaten erneut - und bringen sehr unterschiedliche Interessen mit.

Syrien Konferenz in Sotschi 2017 Rohani, Putin und Erdogan
Bild: Getty Images/AFP/M. Klimentyev

Skeptisch sieht er aus, der russische Präsident Wladimir Putin, wie er da zwischen seinen Kollegen Hassan Rohani aus dem Iran und Recep Tayyip Erdogan aus der Türkei sitzt. Richtig harmonisch wirken die drei nicht, obwohl sie sich in dieser Konstellation regelmäßig treffen, seit sie Anfang 2017 in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, die Gespräche über den Syrienkrieg begonnen haben. An diesem Donnerstag treffen sie sich wieder, in Sotschi am Schwarzen Meer.

Auf den ersten Blick wollen alle drei Staaten das gleiche - ihre Einflusssphäre in Syrien aufrecht erhalten. Dabei verfolgen sie aber sehr unterschiedliche Ziele.

Die schiitische Regierung des Iran pflegt traditionell enge Kontakte mit dem Assad-Regime in Damaskus, dessen alawitische Machthaber ebenfalls Schiiten sind. Im Syrienkrieg unterstützt Teheran die libanesischen Hisbollah-Milizen, die an der Seite Baschar al-Assads kämpfen. "Aus Sicht der iranischen Führung", so Islamwissenschaftler Michael Lüders im Deutschlandfunk, "ist die Unterstützung schiitischer Milizen im Irak, in Syrien und auch im Libanon eine Art Vorwärtsverteidigung, weil man diese Milizen natürlich aktivieren kann für den Fall eines israelischen und/oder US-amerikanischen Angriffes auf den Iran."

Auch Moskau steht seit jeher auf der Seite der Assads und der regierenden sozialistischen Baath-Partei und möchte seinen Einfluss auf das Land aufrechterhalten.

Der Krieg geht weiter, die Proteste gegen Assad auch - hier in der Region IdlibBild: Getty Images/AFP/A. Watad

Die Türkei dagegen, sagt Kristian Brakel, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, hat jahrelang die syrischen Rebellen im Kampf gegen das Assad-Regime unterstützt. Sie "will durch die Schaffung einer Sicherheitszone in Nordsyrien nahe der türkisch-syrischen Grenze vor allem die Präsenz der kurdischen Untergrundorganisation PKK eindämmen".

Die Sicherheitszone und die Kurden

Durch diese unterschiedlichen Grundinteressen entstünde schon allein zwischen Moskau und Ankara ein klarer Konflikt, sagt Kerim Has. Der türkische Politikwissenschaftler lebt in Moskau und arbeitet über die russisch-türkischen Beziehungen. Has betont, das Assad-Regime habe wiederholt deutlich gemacht, dass es die Kontrolle über ganz Syrien wiedererlangen möchte. Eine türkische Sicherheitszone im eigenen Land, so Has, "ist mit diesem Vorhaben unvereinbar".

Erste Auswirkungen dieses Gegensatzes wurden Ende des vergangenen Jahres deutlich. Als US-Präsident Donald Trump ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus Syrien abziehen zu wollen, ließ er damit vor allem deren Verbündete, die Kurden, im Regen stehen. Um einer möglichen türkischen Militärintervention nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, hatten sich die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), der syrische Ableger der PKK, eiligst an das Assad-Regime in Damaskus gewandt. Dieses schickte prompt die Armee in den Norden des Landes - zum Schutz der Kurden.

Islamisten gewinnen wieder an Boden

Auch an anderer Stelle hat die Entscheidung des US-Präsidenten für Bewegung in dem Konflikt gesorgt. Vor allem, so Kristian Brakel, sei der Druck auf Ankara gestiegen: "Nach allem, was wir aus Washington hören, war Erdogan selber wohl sehr verwundert darüber, dass Trump ihm dem Truppenabzug tatsächlich zugesagt hat."

Die neue Lage stelle für die Türkei vor allem ein Sicherheitsproblem dar. Da der sogenannte "Islamische Staat" (IS) immer noch Gebiete im Osten Syriens unter seiner Kontrolle habe, würde jetzt "darüber spekuliert, ob die türkischen Truppen nicht überfordert sind".

Die Sorge um eine militärische Überforderung Ankaras scheint auch deswegen berechtigt, weil die Region Idlib, die letzte Rebellenhochburg im Nordwesten Syriens, inzwischen durch das Milizenbündnis Hayat Tahrir al Scham (HTS) kontrolliert wird.

Im September hatten die Türkei und Russland vereinbart, dass Ankara den Einfluss der Islamisten in Idlib zurückdrängen werde. Politikwissenschaftler Kerim Has glaubt jedoch, dass die Türkei den Vereinbarungen des Abkommens größtenteils nicht nachgekommen ist. Hinter den Kulissen mache Putin bei Erdogan darum sicher Druck: "Nach dem Motto, entweder ihr führt die Operation durch und zwingt die HTS zum Rückzug aus der Region, oder wir tun das."

Die vielen Fronten des Iran

Der Iran kämpft derweil darum, nicht an Gewicht zu verlieren. Die militärische Wende im Syrienkrieg haben nicht die schiitischen Milizen gebracht, sondern die russische Luftwaffe.

Leidtragende sind immer die Flüchtlinge - Kinder in einem Lager nahe IdlibBild: picture-alliance/AA/M. Abdullah

Gleichzeitig nähern sich Russland und Irans Erzfeind Israel spürbar an - Israels Premier Benjamin Netanjahu hat mehrfach Putin in Moskau besucht. Und es gibt, behauptet Netanjahu, "Veränderungen in den Beziehungen Israels zur arabischen Welt": Die Regierung in Jerusalem pflegt vermehrt informelle Kontakte zu arabischen Staaten, um sich mit ihnen gegen den gemeinsamen Gegner Teheran zu verbünden. Zudem hat Israels Militär nicht nur jüngst wieder Stellungen der iranischen al-Kuds-Brigaden in Syrien angegriffen - es hat dies auch, anders als sonst, offiziell bestätigt.

Europa muss vermitteln

Angesichts dieser sich zuspitzenden Lage rückt die internationale Gemeinschaft in das Blickfeld der Syrien-Diplomatie. Zum ersten Mal in dem seit knapp acht Jahren dauernden Krieg hatten Vertreter Russlands, der Türkei, Deutschlands und Frankreichs im Herbst 2018 gemeinsam über den Konflikt beraten. Zumindest aus Sicht Ankaras war das ein logischer Schritt, so Kristian Brakel: "Ich glaube, dass man sich auch deswegen die Europäer zur Hilfe geholt hat, weil es in der Türkei durchaus die Sorge gibt, dass die Russen Deals wie in Idlib wieder aufkündigen könnten und dass in der Folge das Assad-Regime dort irgendwann wieder einmarschiert."

Allerdings hätten auch die Europäer, so Brakel, ein ureigenes Interesse daran, an einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu arbeiten. Niemand in Europa wolle, dass es "wieder zu einer humanitären Katastrophe mit Millionen von Flüchtlingen in Richtung Türkei, und im Anschluss Richtung Europa kommt".