Erdogan schickt türkische Lira in den Keller
10. Juli 2018Zwei Nackenschläge waren es für die türkische Währung - und das in nur wenigen Stunden. Zuerst sackte die Lira am Montag um deutliche 3,5 Prozent ab, als Erdogan überraschend seinen Schwiegersohn als künftigen Finanzminister kürte. Der als marktfreundlich geltende ehemalige Vize-Ministerpräsident Mehmet Simsek dagegen wird nicht mehr der Regierung angehören. "Marktfreundliche Kräfte sind im neuen Kabinett Erdogans nicht zu sehen, stattdessen Vetternwirtschaft. Das ist kein gutes Signal", sagt die Devisenexpertin Antje Praefke von der Commerzbank.
Anleger sind besorgt
Während Erdogans Schwiegersohn bedeutender wird, ist es der ausgesprochene Wille des Präsidenten, dass eine bislang unabhängige Institution künftig mehr unter seiner Kontrolle steht: Die türkische Zentralbank. So hatte Erdogan schon vor Tagen angekündigt, in Zukunft stärkeren Einfluss auf die Zentralbank des Landes nehmen zu wollen.
Wenige Stunden nach seiner Vereidigung hat Erdogan nun ein Dekret unterzeichnet, nach dem er allein künftig den Präsidenten und Vizepräsidenten der Zentralbank ernennen wird. "Nun werden die Befürchtungen wahr, die nach dem gescheiterten Putschversuch bereits aufkamen", sagt Mauricio Vargas, Volkswirt bei Union Investment. "Erdogan stärkt seine persönliche Macht auf Kosten der Institutionen seines Landes". Eine Entwicklung, die Anleger an den Kapitalmärkten gar nicht gerne sehen.
Die Inflation galoppiert
So haben auch am türkischen Aktienmarkt Anleger die Reißleine gezogen und die Kurse auf Talfahrt geschickt. Die türkische Lira kämpft unter Erdogan schon seit längerem unter einem wachsenden Problem: Sie hat beachtlich an Wert gegenüber anderen Währungen verloren. Derzeit muss man für einen Euro rund 5,70 türkische Lira in den Wechselstuben auf den Tisch legen. Vor einem Jahr waren es nur 4 Lira. Und 2013 sogar nur 2,50 Lira.
Viele Unternehmen stehen deswegen vor einem Problem. Denn die schwache Lira macht Unternehmen das Leben schwer, die sich ganz oder teilweise in fremden Währungen verschuldet haben. Deswegen arbeiten zu Zeit viele Unternehmen daran, ihre Schulden umzustrukturieren. Zudem verteuert die schwächelnde Währung auch die Importe in die Türkei, was die Preise steigen lässt.
Auch die Bevölkerung muss deswegen leiden - in der Türkei galoppiert die Inflation geradezu. Im Juni lag die Inflationsrate im Jahresvergleich bei rund 15 Prozent. Die türkische Bevölkerung muss für ihre Einkäufe bei dieser Preisteuerung also spürbar immer tiefer in die Tasche greifen. Im Alltag merken die Türken das im Supermarkt, an der Zapfsäule, beim Überweisen der Miete.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben ...
In einer solchen Situation müsste die Zentralbank eigentlich deutlich gegensteuern - und sie hat das in ihren vergangenen Sitzungen auch getan: Zuletzt hatte sie im Juni die Zinsen von 16,5 auf 17,75 Prozent erhöht. Allerdings sind derartige - von Ökonomen als notwendig und richtig eingeschätzte Maßnahmen - Erdogan ein Dorn im Auge. Er will die Zinsen niedrig sehen, um die zuletzt schwächelnde Wirtschaft in Schwung zu halten. Deswegen hatte er seinen stärkeren Einfluss auf die Zentralbank angekündigt und nun erste Schritte unternommen, diesen Einfluss zu zementieren.
Allerdings zögert Erdogan, selbst wenn er die Zentralbank stärker in seinem Sinne beeinflusst, das Unvermeidliche nur hinaus, meinen Beobachter. Denn das Strohfeuer, das er weiter brennen sehen will, dürfte eher früher als später erlöschen. Die Probleme, die dann sichtbar werden, dürften um einiges größer sein, als sie es in wirtschaftlicher Hinsicht jetzt schon sind.