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Politik

Die Türkei und die arabische Solidarität

13. August 2018

Nach dem Absturz der Lira und im Streit mit US-Präsident Donald Trump ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dringend auf Verbündete auch aus arabischen Staaten angewiesen. Aber daran mangelt es.

Türkei Ankara Rede Erdogan
Recep Tayyip Erdogan kündigte an, neue Verbündete für die Türkei zu suchenBild: picture-alliance/Xinhua/Turkish Presidential Palace

Der Hauptgrund für den Niedergang der türkischen Lira steht für Recep Tayyip Erdogan fest: falsche Nachrichten, die im Internet verbreitet werden. Solche Nachrichten zu verbreiten, komme einem Landesverrat gleich, erklärte der türkische Präsident Anfang der Woche. Die Autoren entsprechender Texte bezeichnete er als "Wirtschaftsterroristen", zudem beschuldigte er sie des "Verrats".

Zuvor hatte das Innenministerium angekündigt, kritische Kommentare in den sozialen Medien zensieren zu wollen. Eine erste Bilanz gab es bereits bekannt: Seit dem 7. August habe es 346 Nutzerkonten auf sozialen Netzwerken identifiziert, in denen der Verfall der Landeswährung auf provozierende Art und Weise kommentiert wurde.

Erdogans Äußerungen könnten bei seinen Anhängern verfangen, vermutet Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen. Anders als bei vorherigen Wirtschaftskrisen, die als hausgemacht galten, könne er einen Teil der Bevölkerung nun durchaus davon überzeugen, dass eine ausländische Supermacht der Türkei einen "Wirtschaftskrieg" erklärt habe und das Land destabilisieren und demütigen wolle. "Diese Karte wird er kurzfristig ziehen - auch wenn die Ursachen natürlich auch dieses Mal hausgemacht sind."

Empörung: Erdogan-Anhänger protestieren gegen die US-SanktionenBild: picture-alliance/AA/D. Keskinkilic

Langfristig, vermutet Ulusoy, dürfte es für Erdogan jedoch schwierig werden, den Wertverlust der Lira zu erklären. Erdogan habe stets damit geworben, dass er die Türkei auf Wachstumskurs gebracht habe. Nun aber sei das Gegenteil eingetreten. "Im Moment bekommt die türkische Bevölkerung das noch nicht zu spüren, aber absehbar wird das der Fall sein. So könnten sie ihre Arbeitsplätze verlieren oder ihr Einkommen wird durch eine hohe Inflationsrate dezimiert." Ob Erdogan dann die Wähler noch hinter sich versammeln kann, ist eine offene Frage.

Mit Erdogan gegen Trump?

Mit Spannung blickt man auch in der arabischen Welt auf die Türkei. Bereits Erdogans Wahlsieg im Juni hatte die Kommentatoren beschäftigt. Die Araber, schrieb der in London lebende Blogger Mohammed Jumeh über Twitter seinen rund 270.000 Lesern, hätten zu Erdogan im Wesentlichen zweierlei Haltungen: "Die einen betrachten ihn als Diktator, der demokratische Wahlen gewann, die so nicht stattgefunden haben. Und die anderen wollen es Erdogan nachtun, nur in einer anderen Umgebung." An Erdogan, so die augenzwinkernde Botschaft, arbeiten sich arabische Demokraten und Autokraten gleichermaßen ab. Erdogan spaltet, Erdogan polarisiert, in der Türkei ebenso wie in der arabischen Welt.

Zugute kommt dem türkischen Präsidenten allerdings, dass er mit US-Präsident Donald Trump nicht nur einen übermächtigen Gegner hat, sondern auch einen, der Wirtschaftssanktionen als legitimes Instrument der Politik ansieht und vielfach einsetzt. Damit, schreibt der ebenso bekannte wie umstrittene Kolumnist Abdel Bari Atwan in der in London erscheinenden Internet-Zeitung "Rai al-youm", habe Trump weite Teile der arabischen Welt gegen sich aufgebracht. "Schiiten und Sunniten sind in der Abneigung gegen seine Regierung  wie auch gegen sein Land vereint." So könnten sich die verschiedenen konfessionellen Lagern angehörenden Führungsstaaten der islamischen Welt gegen Trump vereinen - etwa die Türkei und der Iran.

Trump verdoppelt die Zölle für türkischen Stahl und Aluminium

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Atwan sieht aber auch international den Ärger über die Trump-Administration wachsen. Wenn die Strafzölle Washingtons die amerikanische Wirtschaft beeinträchtigten und die Bevölkerung in den USA darunter leide, dann, so glaubt Atwan, "könnte das in eine regelrechte Revolution münden, die eher zu Veränderungen in den USA selbst als in Ländern wie der Türkei, Iran und Russland führt".

Erdogan - ein Populist unter vielen

Anders sieht es Hazim al-Amin, Kolumnist der in Beirut und London erscheinenden Zeitung "Al Hayat". Ihn befremdet Erdogans Aussage, die US-Amerikaner hätten den Dollar, und sie, die Türken, hätten Gott. Eine merkwürdige Äußerung, findet al-Amin, die den türkischen Präsidenten als typischen Vertreter einer populistischen Politikerriege ausweise, die gerne auf religiöse Äußerungen, weniger aber auf vernunftgeleitete Politik setze. "Zu dieser Riege gehören Donald Trump, Benjamin Netanjahu, Wladimir Putin, Ali Chamenei und Erdogan. Ihnen allen geht es darum, Politik zumindest teilweise durch Religion zu ersetzen."

Trump habe mit seinen Sanktionen auch Europa unter Druck gesetzt. Dort aber habe man verhalten reagiert. Im Verhältnis USA - Türkei stünden sich nun aber ein großer und ein kleiner Trump gegenüber - "die Katastrophe wird unausweichlich sein".

Erdogan könne derzeit nicht nachgeben, glaubt auch Yunus Ulusoy. Theoretisch sei es zwar denkbar, dass Erdogan den Pastor Andrew Brunson freilasse. Der US-Staatsbürger wird in der Türkei wegen Terrorvorwürfen festgehalten - das hatte die derzeitige Krise zwischen Ankara und Washington ausgelöst. "Aber das wäre ein Gesichtsverlust, den ein orientalischer Patriarch seinen Anhängern kaum vermitteln könnte." Allenfalls langfristig sei eine solche Lösung denkbar.

Mäßige Wirtschaftsbeziehungen zur arabischen Welt

Ökonomisch könne die Türkei auf die arabische Welt nur bedingt hoffen, sagt Mustafa Ellabad, Direktor des Al-Sharq Zentrums für regionale und strategische Studien in Kairo, im Gespräch mit der DW. "Die türkisch-arabische Partnerschaft wird überschätzt. Die Türkei exportiert überwiegend einfache, kaum weiter verarbeitete Waren in die arabische Welt."

Besuch bei Freunden: Erdogan zu Gast in Katar, November 2017Bild: picture alliance/dpa/abaca/K. Ozer

Der engste Verbündete der Türkei innerhalb der arabischen Welt ist das Emirat Katar. Die Türkei hat dort Truppen stationiert. Die ohnehin engen politischen Bande verstärkten sich noch einmal im vergangenen Jahr, als die Türkei dem Emirat beisprang, als eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition einen Export-Boykott über den kleinen Golfstaat verhängte. Die Türkei sprang ein und versorgte Katar mit dem Allernötigsten. Inwiefern Katar die Türkei nun aber seinerseits unterstützen kann, ist offen. Katar sei ganz wesentlich mit seiner eigenen Krise beschäftigt, heißt es in der "Washington Post".

Zwar pflege die Türkei weiterhin auch Beziehungen zu anderen Golfstaaten inklusive Saudi-Arabien, sagt Mustafa Ellabad. Aber die seien äußerst bescheiden. "Wenn wir die Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien vergleichen, so stehen sie in keinem Verhältnis zu jenen, die das saudische Königreich in die EU-Staaten unterhält." Insgesamt sieht Ellabad die arabische Solidarität sehr zurückhaltend. "Unterstützung für die Türkei seitens der arabischen Staaten wird es in dieser Krise nicht geben."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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