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Politik

Erdogan verbietet Flucht über die Ägäis

7. März 2020

Ist es ein politischer Schachzug im Ringen mit der EU oder steckt mehr dahinter? Nach der Öffnung der Grenze Richtung EU schiebt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun an anderer Stelle einen Riegel vor.

Griechenland Insel Lesbos Migranten erreichen Küste
Von der Türkei aus gestartete Migranten erreichen nach Durchquerung der Ägäis die griechische Insel Lesbos Bild: picture-alliance/dpa/AP/M. Varaklas

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Küstenwache angewiesen, Flüchtlinge und Migranten nicht mehr mit Booten die Ägäis durchqueren zu lassen. Gemeint ist damit die Flucht in Richtung griechischer Inseln, also nach Europa. In einer Stellungnahme der Küstenwache im Internet heißt es unter Berufung auf den Präsidenten: "Illegale Migranten-Überfahrten durch die Ägäis sind wegen der Risiken nicht erlaubt (...)." Der Innenminister werde die Umsetzung überwachen.

Die Maßnahme ist jedoch nicht als Rücknahme der vor einer Woche verkündeten einseitigen Öffnung der Grenze zur EU zu verstehen. Denn in der Erklärung wird auch darauf verwiesen, das "Prinzip der Nicht-Einmischung, wenn Migranten illegal das Land verlassen wollen", gelte weiter. Wegen der "lebensbedrohlichen Gefahr" seien "Seereisen" jedoch davon ausgenommen. Die türkische Küstenwache beschuldigte zudem Griechenland, Flüchtlinge und Migranten in der Ägäis hilflos ihrem Schicksal zu überlassen. So habe man vor zwei Tagen insgesamt 97 Migranten aus drei halb gesunkenen Booten retten müssen.

Nach dem massiven Beschuss türkischer Soldaten im nordyrischen Idlib hatte Erdogan am vergangenen Samstag erklärt, die Grenzen seien offen, die Türkei könne die vielen Flüchtlinge im Land nicht mehr versorgen. Ankara hat mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Außerdem leben dort viele Migranten und Flüchtlinge aus Afghanistan und anderen Ländern. Nach der Äußerung des Präsidenten machten sich Tausende Menschen auf den Weg zur türkisch-griechischen Grenze. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen mit griechischen Soldaten und Grenzschützern, die unter Einsatz von Tränengas versuchen, die vielen Flüchtlinge zurückzudrängen. Türkisches Militär soll nach Berichten griechischen Medien Migranten regelrecht dazu drängen, die Grenze in Richtung EU illegal zu überwinden. Der Staatssender ERT zeigte Videos, auf denen zu sehen ist, wie türkische Soldaten Menschen mit Schlägen und Tritten Richtung griechischer Grenze treiben.

 

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis bekräftigte, "wir haben jedes Recht, unsere souveränen Grenzen zu schützen". Nach Angaben aus Athen wurden bislang knapp 39.000 Menschen daran gehindert, die Grenze zu passieren. Den 2016 zwischen der EU und der Türkei ausgehandelten Flüchtlingspakt bezeichnete er als "tot", da der türkische Präsident komplett dagegen verstoße.

Erdogan seinerseits forderte in einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel, die Vereinbarung zu überarbeiten. Das Flüchtlingsabkommen funktioniere so nicht mehr, sagte er nach Angaben aus Ankara.

Griechische Soldaten haben an der Grenze zur Türkei mehrere Menschen festgenommenBild: picture-alliance/dpa/AP/G. Papanikos

Erdogan am Montag in Brüssel

Am Montag wird der türkische Präsident zu Gesprächen mit EU-Vertretern in Brüssel erwartet. Der Besuch erfolge auf Einladung von EU-Ratspräsident Charles Michel, berichtet die Tageszeitung "Die Welt". Es gehe um die Situation an der Grenze zu Griechenland sowie um eine grundsätzliche Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen der EU und der Türkei.

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn machte im Vorfeld deutlich: "Wir erwarten, dass die erpresserische Politik Ankaras durch die Entsendung von Flüchtlingen in Richtung EU eingestellt wird." Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die EU dann auch künftig zu zweckgebundenen Hilfszahlungen bereit sei, diese allerdings in der Summe geringer ausfallen würden als in den vergangenen vier Jahren. Viele Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser für Flüchtlinge und Migranten in der Türkei seien bereits errichtet worden und müssten nicht noch einmal finanziert werden. "Der Bedarf ist also kleiner geworden", sagte Hahn.

se/kle (rtr, dpa, afp, ap)

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