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Erdogans Jobwunder mit Makel

8. November 2019

Der türkische Präsident sagt, er habe seit Beginn seiner Amtszeit neun Millionen Jobs geschaffen. Experten halten die Zahl für falsch. Zudem lenke sie von der wirtschaftlichen Lage und von der Jugendarbeitslosigkeit ab.

Bild: DW/U. Danisman

Gerade scheint sich die Wirtschaft in der Türkei etwas zu erholen, und schon hebt der türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Errungenschaften seiner Partei in der Wirtschaftspolitik hervor. In einer Rede vor Mitgliedern seiner Partei - der islamisch-konservativen AKP - präsentierte er die "Erfolgsbilanz" der letzten 17 Jahre, seit 2002 regiert seine Partei. Der türkische Präsident hob die Errungenschaften bei den Themen Arbeitslosigkeit und Beschäftigung hervor. Es sei ihm gelungen, in den letzten 17 Jahren "neun Millionen Arbeitsplätze zu schaffen". Damit habe er die Gesamtbeschäftigung auf 29 Millionen erhöht - in seinen Augen eine "Erfolgsgeschichte". Eine Aussage, die Teile der Opposition irritiert, zudem deckt sich diese Behauptung nicht mit dem allgemeinen Lebensgefühl in der türkischen Bevölkerung. 

President Erdogan präsentierte die "Erfolgsbilanz" der letzten 17 JahreBild: picture-alliance/dpa/AA/H. Sagirkaya

Fakten-Check: 9 Millionen neue Jobs sind falsch

Professor Serdar Sayen von der Wirtschaftsuniversität TOBB kann Erdogans "Erfolgsgeschichte" nicht erkennen. "Ein Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen ist nur dann relevant, wenn dieser proportional zum Bevölkerungswachstum erfolgt ist". Demnach hätte die Anzahl der Erwerbstätigen um 12 oder 13 Millionen ansteigen müssen, kritisiert Sayen, und nicht - wie von Erdogan behauptet - nur um 9 Millionen. Das türkische Statistikamt (TPIK) weist für den Zeitraum sogar nur einen Anstieg der Beschäftigten von 7,2 Millionen Menschen aus.

Zudem erklärt der Wirtschaftsprofessor, dass der Anstieg der Erwerbstätigen nicht gerade auf eine gute Wirtschaftspolitik zurückzuführen sei. Zudem hätten sich die fundamentalen Probleme auf dem türkischen Arbeitsmarkt in dieser Zeit eher verschlechtert, fügt der Experte hinzu.

Kubilay betont, dass die Lebensbedingungen schwieriger werdenBild: privat

So sieht es auch der Sprecher der "Plattform gegen Jugendarbeitslosigkeit", Murat Kubilay. Eine der größten Herausforderungen für ein Land, dessen Bevölkerungswachstum rasant steigt, sei die Arbeitslosigkeit. "Auch wenn die Beschäftigung steigt, muss man beachten, dass durch das Bevölkerungswachstum auch die Lebensbedingungen der Menschen schwieriger werden"; umso mehr sei es nötig, dass Leute einfacher in den Arbeitsmarkt kommen können. Zudem kritisiert Kubilay, dass mithilfe von Krediten der Konsum angekurbelt worden sei. "Das hat den Dienstleistungssektor zwar gestärkt, doch dieser Sektor schafft keine Kontinuität auf dem Arbeitsmarkt", so Kubilay. 

Jugendarbeitslosigkeit ist ein ungelöstes Problem

Nach Einschätzungen von Experten haben es besonders Frauen und junge Menschen schwer, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Die Arbeitslosigkeit von Türken zwischen 15 und 34 Jahren, die sich auch nicht in einer Ausbildung befinden, liegt bei 19,5 Prozent. Hakan Ercan von der Technischen Universität ODTÜ erklärt: "Betrachten wir die Jugendarbeitslosenquote und die Erwerbsbeteiligung von Frauen, dann sehen wir langfristig keine signifikante Verbesserung." Er betont, dass die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt für diese Gruppen im europäischen Vergleich verheerend aussehen. "Die Zahl der jungen Menschen, die nicht berufstätig sind und nicht Teil des Bildungssystem sind, ist in keinem europäischen Land höher."

Arbeitslosigkeit ist nicht das einzige schwerwiegende Problem für die türkische Wirtschaft. Auch Verschuldung und Turbo-Inflation tragen ihren Teil dazu bei, dass die Wirtschaft nur langsam wieder ins Rollen kommt. Dass gerade in solchen Zeiten der türkische Präsident von einer "Erfolgsgeschichte" spricht, verwundert viele Wirtschaftsexperten. "Wenn man sich die Jugendarbeitslosigkeit anschaut, dann sollte man eher von einer 'Misserfolgs-Geschichte' sprechen. Normalerweise nimmt die Jugendarbeitslosigkeit nach einer heftigen Krise wieder ab, hier in der Türkei sinkt rein gar nichts", beurteilt etwa Serdar Sayan die Lage.

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