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Politik

Erdogans Spagat am Golf

Kersten Knipp | Cagri Özdemir | Gabeau Aref
23. Juli 2017

Der türkische Staatschef Erdogan reist in die Golfregion. Diplomatisches Geschick ist gefragt: Denn er muss das Bündnis mit Katar wahren, darf aber die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien nicht aufs Spiel setzen.

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan
Bild: Picture alliance/abaca/B. Ozkan

Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag in die Golfregion reist, wird er kaum umhinkommen, den starken Zeichen, die er in den vergangenen Wochen setzte, einige nuanciertere folgen zu lassen. Dass er gewillt ist, das zu tun, signalisiert schon der Reiseplan: Noch bevor er sich in Katar zu Gesprächen mit dem engsten Verbündeten Ankaras in der Region trifft, wird er zu Gesprächen in Saudi-Arabien erwartet.

Dort dürfte man Fragen haben: Warum hat sich die Türkei im saudisch-katarischen Konflikt so eindeutig auf die Seite des kleinen Emirats gestellt? Als die Spannungen Mitte Juni eskalierten und Saudi-Arabien und seine Verbündeten eine Blockade über Katar verhängten, sprang die Türkei ein: Wie Iran schickte auch sie umgehend über hundert Flugzeuge mit Lebensmitteln in das bedrängte Emirat. Später stachen auch Schiffe mit Hilfsladungen in See. Außerdem hatte Erdogan erklärt, die Blockade verstoße gegen internationales Recht und sei ein Angriff auf die "Souveränitätsrechte eines Staates".

Geschäftspartner Erdogans: Das katarische Staatsoberhaupt Scheich Tamim bin Hamad al-ThaniBild: picture-alliance/AP Photo/O. Faisal

Klärungsbedarf in Riad

Seine Haltung und Entscheidungen wird Erdogan in Riad erklären müssen. Bei den Gesprächen wird er einen defensiven Kurs halten, erwartet der Nahost-Experte Günter Meyer von der Universität Mainz. Die Türkei unterhalte sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zum saudischen Königreich und strebe darum keine Konfrontation an. "Damit will Erdogan verhindern, dass die enge Verbindung zu Katar zu wirtschaftlichen Nachteilen führt." Insofern, erwartet Meyer, dürfte Erdogan in Riad vor allem versuchen, zu einer Beschwichtigung der Krise beizutragen.

Erdogan, so zitiert die türkische Zeitung Daily Sabah ungenannt bleibende "Experten", werde auf seiner Reise erklären, dass der Streit "unhaltbar und künstlich ist und den Interessen aller Beteiligten schadet".

Das Bündnis mit Katar

Dennoch befindet sich Präsident Erdogan in einer schwierigen Situation. Seit vielen Jahren hat die Türkei ein enges Verhältnis zu Katar. So hat das Emirat nach dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr 150 Soldaten entsandt, die Erdogan unterstützen sollten. Außerdem, so Günter Meyer, pflegten die Familie Erdogan und die katarische Herrscherfamilie al-Thani enge wirtschaftliche Beziehungen. Wichtig sei zudem die gemeinsame dogmatische Basis: die Ideologie der Muslimbrüder. Außerdem befinde sich die einzige militärische Basis, die die Türkei am Golf unterhält, in Katar. "Und jetzt werden 5000 türkische Soldaten nach Katar geschickt. Insofern hat die Türkei als Unterstützerin Katars eine entscheidende Position.", sagt Meyer. 

Bedrängte Idylle: Abendstimmung in DohaBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Gutes Verhältnis zu Riad dringend notwendig

Mit dieser Politik hat die Türkei sich nicht zuletzt auch als politische Akteurin in der Golfregion zu positionieren versucht. Wie Katar nutzt auch sie den Bezug auf die Muslimbrüder, um innerhalb des sunnitischen Lagers ein Gegengewicht zum Wahhabismus, der saudischen Staatsreligion, zu bilden. In dieser Auseinandersetzung geht es jedoch nicht um religiöse, sondern um Machtfragen. Katar und die Türkei präsentieren sich als Staaten, die einen - vergleichsweise - liberalen Islam pflegen und damit auch all jene Länder an sich zu binden hoffen, die auf eben diesen Liberalismus setzen.

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Dennoch: Die Türkei könnte sich langfristig eher an Saudi-Arabien als an dem kleinen Emirat orientieren, sagt Richard Burchill, Forschungsdirektor beim Think Tank TRENDS in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Außer der Militärbasis habe Katar der Türkei keinen langfristigen Nutzen zu bieten. Sie verleihe der Türkei eine gewisse Stärke in der Region. "Aber ökonomisch und politisch kann ich mir nicht vorstellen, dass die Türkei langfristig ausschließlich Katar unterstützt und damit das Verhältnis zu den übrigen Staaten in der Region verderben würde."

Weitere Isolation vermeiden

Das sei schon deshalb nötig, weil sich die Türkei derzeit in einer schwierigen Lage befinde, so Burchill. Das Verhältnis zur EU sei schwer belastet, ebenso das zur Russland. Und mit dem Iran finde die Türkei kaum nennenswerte gemeinsame Anknüpfungspunkte: "Die Türkei kann angesichts dieser schwierigen Situation nicht alleine dastehen. Zugleich fehlen ihr aber die Mittel, diese Situation grundlegend zu verändern."

Erdogans Trip an den Golf wird in erster Linie dazu dienen, die langfristigen Interessen der Türkei zu schützen, allen voran die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien trotz der Solidarität mit Katar zu wahren. Bei diesem Unternehmen ist Erdogan zum Erfolg geradezu verdammt. Denn misslänge der Plan, wäre die Türkei um einen weiteren Partner ärmer. Das kann sie sich derzeit kaum leisten. Erdogan braucht dringend politische Freunde.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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