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Politik

Erdogans undurchsichtige Libyen-Pläne

Hilal Köylü
8. Januar 2020

Die Türkei schickt Soldaten nach Libyen. Für die türkische Bevölkerung bleiben viele Unklarheiten. Über die genaue Aufgabe der Kämpfer und eine mutmaßliche Kooperation mit syrischen Söldnern wird weiter gerätselt.

Türkei Ankara Recep Tayyip Erdogan
Bild: picture-alliance/AP Photo/Presidential Press Service

Die türkische Regierung entsendet Truppen nach Libyen, um im dortigen Bürgerkrieg zu intervenieren. Damit will sie die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch unterstützen; der Vormarsch des abtrünnigen libyschen General Chalifa Haftar und seiner Libyschen Nationalarmee (LNA) soll gestoppt werden.

Nach Angaben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind schon Soldaten per Schiff nach Libyen unterwegs; Schritt für Schritt werde das Kontingent weiter aufgestockt. In der Mission werde lediglich koordiniert, versicherte der türkische Präsident.

Die so genannte Freie Syrische Armee und Ankara bildeten schon in Syrien eine enge AllianzBild: Reuters/K. Ashawi

Für viele Bürger der Türkei sind diese Aussagen rätselhaft. Die Frage, wie der Militäreinsatz genau aussehen soll, bleibt unbeantwortet. Unmut herrscht bei der türkischen Opposition: Was ist die Rolle der Freien Syrischen Armee (FSA) in Libyen? Internationalen Beobachtern zufolge soll Ankara syrische Kämpfer nach Libyen entsandt haben, um dort mit türkischen Streitkräften zusammenzuarbeiten. Die türkische Regierung bestreitet, dass es eine solche Zusammenarbeit gebe. Ein Gerücht besagt, dass Ankara den syrischen Freischärlern nach Beendigung ihres Einsatzes in Libyen die türkische Staatsbürgerschaft versprochen habe.

Ankara und die FSA - ein eingespieltes Team

Die syrischen Milizen kämpften bereits im Syrienkonflikt an der Seite der türkischen Streitkräfte. Zusammen sind sie in Afrin einmarschiert. Heikel an diesem Bündnis ist, dass der Gruppierung eine radikalislamische Orientierung nachgesagt wird.

Zu dem zweifelhaften Ruf hat auch beigetragen, dass die FSA während der türkischen Offensive in Nordostsyrien Anfang Oktober schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen haben soll, darunter Angriffe auf Wohngebiete, bei denen Zivilpersonen getötet wurden. Regierungskritiker und Oppositionelle finden es verwunderlich, dass ein Land, das sich selber als "Schutzmacht" definiert, mit einer teilweise dschihadistischen Miliz kooperiert.

Syrische Söldner verstoßen gegen das Völkerrecht, findet Cevat ÖnesBild: Necati Savas

Cevat Önes, ehemaliger Staatssekretär für den türkischen Geheimdienstes MIT, sagte im Gespräch mit der DW, dass eine derartige Kooperation gegen das Völkerrecht verstoße. "Das sind unkontrollierbare provokante Gruppierungen - so etwas ist nicht von internationalem Recht abgedeckt." Önes ist sich sicher: "Wenn die Türkei nicht aufklärt, wem Staatsbürgerschaften ausgestellt werden, wie genau die Beziehungen zur FSA aussehen oder was die türkischen Streitkräfte genau in Libyen unternehmen, wird das in einem Schlamassel enden."

„Kooperation bedeutet Verlust von Rechtmäßigkeit"

Der Sicherheitsexperte Metin Gürcan ist der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit der FSA in Libyen dazu führen könne, dass die FSA im Syrienkonflikt an Legitimität verliert. "Die Türkei hat die syrische Miliz sogar als gemäßigte Freiheitskämpfer für Syrien definiert." Der Einsatz von Söldnern im libyschen Bürgerkrieg könne als Abkehr von einer türkischen Friedensstrategie gewertet werden. Dennoch bewertet Gürcan die Diskussion um eine mutmaßliche Belohnung mit Staatsbürgerschaften als irreführend. Es sei üblich, dass verschiedene Länder fremde Söldner in fernen Kriegen einsetzen, so der Sicherheitsexperte. Entscheidend sei viel eher, "welche Funktion die FSA in Libyen erfüllen wird". Das müsse die türkische Regierung der Bevölkerung erklären. 

Darüber hinaus ist die türkische Öffentlichkeit besorgt darüber, ob der Militäreinsatz mit den Interessen der russischen Regierung kollidiert: Moskau unterstützt im libyschen Bürgerkrieg General Chalifa Haftar und seine Libysche Nationalarmee (LNA).

Erdogan will die Libyan National Army (LNA) stoppen, Putin unterstützt ihren VormarschBild: AFP

Was ist die Rolle der türkischen Streitkräfte?

Schließlich bleibt vorerst offen, wie genau der Militäreinsatz aussehen wird. Der türkische Präsident schürte Spekulationen, als Resolution des türkischen Parlamentes zur Entsendung von Soldaten uneindeutige Aussagen enthielt: So sei das offizielle Ziel der Operation in Libyen der "Kampf gegen illegale Migration und Terror"; außerdem ist die Rede von einem Engagement des türkischen Geheimdienst MIT.

Selbst Sicherheitsexperten wie Metin Gürcan bleiben nur Mutmaßungen: Genau wie in Syrien östlich des Euphrats solle auch in Libyen eine "Sicherheitszone" errichtet werden. Gürcan schätzt jedoch die Gestaltungsmöglichkeiten der türkischen Streitkräfte als gering ein, weil nicht zu erwarten sei, dass Russland den Vormarsch seines Verbündeten General Haftar bremst. "Es erscheint mir unsicher, ob es etwas bringt, Söldner nach Libyen zu schicken, um Haftars Vormarsch zu stoppen." Letzten Endes hänge alles von Putin ab, so der Experte.

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