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Erfasst, erkannt: Gesichtserkennung auf dem Vormarsch

Günther Birkenstock8. Dezember 2012

Biometrische Daten helfen, Personen zu identifizieren. Die digitale Gesichtserkennung wird immer präziser. So lassen sich Straftäter leichter aufspüren - aber auch Bürger durchleuchten, warnen Datenschützer.

Am Karlsruher Institut für Anthropomatik wird ein Personenerfassungs-System gezeigt. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ob am Bahnhof oder in der U-Bahn, im Kaufhaus oder auf öffentlichen Veranstaltungen: Wir werden immer öfter gefilmt und fotografiert. Vielerorts erfassen Kameras Bilder, die in digitale Gesichtsprofile umgewandelt werden und so Auskunft über Geschlecht und ethnische Herkunft der Abgebildeten geben können. Damit lassen sich Straftäter ebenso identifizieren wie harmlose Bürger, zum Beispiel solche, die friedlich an Demonstrationen teilnehmen. Egal, wo auf der Welt ein Gesicht fotografiert wird, mit der richtigen Software lässt sich unter Umständen in Sekundenschnelle Name und Adresse der entsprechenden Person herausfinden. Denn oft haben die Fotografierten selbst die Grundlage dafür geschaffen, indem sie im Internet ihre Daten und Bilder preisgeben. Klassisches Beispiel: Facebook.

Facebook - Vorreiter und Rückzieher

Das soziale Netzwerk erfasst die biometrischen Daten, um die abgebildete Person - sofern sie einmal identifiziert worden ist - auf anderen Fotos automatisch zu erkennen - egal, wo ihr Bild auftaucht, wird es mit ihrem Namen versehen ("getagged"). Dagegen haben Datenschützer in mehreren europäischen Staaten heftig protestiert, auch in Irland, wo Facebook seinen europäischen Sitz hat. Der US-amerikanische Konzern sicherte schließlich zu, die automatische Gesichtserkennung von Nutzern in Europa einzustellen, also keine neuen biometrischen Merkmale mehr zu erfassen und bestehende Daten zu löschen.

Facebook hat die automatische Datenerfassung in Europa aufgegebenBild: picture-alliance/dpa

Zu den vehementesten Facebook-Kritikern gehört der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Er betont die Gefahren, die generell mit der Datenerfassung verbunden sind. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte er: "Das Schlimmste ist, dass eine solche Datei, die millionenfach die Gesichter von Betroffenen aufbewahrt, diese Daten zweckentfremdet, so dass es staatlichen und privaten Instanzen möglich wird, Menschen über Fotos zu identifizieren." Sie verlören so ihre Anonymität in der Öffentlichkeit und würden irgendwann zum "gläsernen Bürger". Beispielsweise könnten Unternehmen verschiedene Daten verbinden und so Kundenprofile erstellen, um den Konsumenten persönlich auf sie zugeschnittene Werbung zu schicken. Daten und Bilder dürfen nur erfasst werden, so Caspar, wenn die Fotografierten ausdrücklich zustimmen, andernfalls verstößt die Aufzeichnung gegen deutsches und europäisches Recht.

Johannes Caspar, Hamburgs DatenschutzbeauftragterBild: HmbBfDI/Thomas Krenz

Ausgrenzung und Irrtümer programmiert

Die Erfassung der Bürger à la "Big Brother" funktioniert offenbar schon - das ist beim Rheinkultur-Festival in Bonn im Herbst 2011 deutlich geworden. Dort wurde ein riesiges Panoramabild mit 25.000 Besuchern aufgenommen. Betrachter wurden aufgerufen, auf dem hochauflösenden Foto sich selbst und andere zu markieren und mit Facebook zu verbinden - und damit der Gesichtserkennung neue Daten zu liefern. Aufzuhalten ist diese Technik nach Meinung von Johannes Caspar nicht. Doch er mahnt: "Das informelle Selbstbestimmungsrecht und die demokratischen Rechte von Bürgern müssen gewahrt werden."

Wo Verbrechen bekämpft werden, scheint die moderne Technik zunächst nützlich zu sein. Kriminelle können schneller und genauer identifiziert werden, wenn es beispielsweise die Aufnahme einer Überwachungskamera gibt, die sich mit biometrischen Daten abgleichen lässt. Doch auch hier warnt der Datenschutzbeauftragte Caspar: "Die Erfassung ist natürlich auch ein Mittel sozialer Diskriminierung. Das kann in vielen Fällen zu einem starken Missbrauch dieser Instrumente führen." Beispielsweise könnten individuelle Gesichtsformen oder spezielle Kleidung auch zufällige Übereinstimmungen produzieren - und dann scheitert ein Fan nichtsahnend an der Kasse eines Fußballstadions, weil er sein Profil dem eines erfassten Randalierers ähnelt.

Datenschutz aus analoger Zeit

Mit Verboten hier und da ist es nicht getan, glaubt Caspar. Er wünscht sich eine grundlegende Debatte - und das bald. Denn die Technik der Gesichtserkennung entwickele sich schneller als die gesellschaftliche Diskussion darüber, wie sie benutzt werden darf. Und die derzeitigen Datenschutzgesetze stammten häufig noch aus der analogen Zeit.

Kameras lauern überallBild: Fotolia/laytatius

Johannes Landvogt, IT-Beauftragter für Datenschutz der Bundesregierung, betrachtet die vorhandenen Gesetze dagegen als durchaus wirksam. Selbst Kaufhausdiebe müssten in eine biometrische Erfassung einwilligen, damit die Überwachungskamera beim nächsten Besuch Alarm schlägt. Grundsätzlich dürften Aufnahmen in der Öffentlichkeit nur dann gemacht werden, wenn sie nicht mit anderen verknüpfbar seien, betont der Datenschutzbeauftragte. Ob sich die Unternehmen an die Gesetze halten, ist unklar. Ans Licht kommt ein Verstoß oft erst, wenn Bürger entdecken, dass ihre persönlichen Daten plötzlich öffentlich sind - und wenn sie dann etwas dagegen unternehmen.

Klar ist, dass die Gesichtserkennung weiter in unseren Alltag vordringen wird. Sei es bei der Verbrechensbekämpfung, sei es am Eingang des Spielcasinos, wo ein reumütiger Spielsüchtiger gezielt sein Profil hinterlegt hat, um abgewiesen zu werden, bevor er der Versuchung erliegen kann. Es gibt sogar einen kurios anmutenden Kundendienst in der Pornobranche: Einige Anbieter ermuntern ihre Konsumenten, Bilder von Frauen zu schicken, die sie attraktiv finden. Das Unternehmen sucht dann über Profilähnlichkeiten einen Streifen mit einer passenden Darstellerin für den Kunden aus.

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