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Wo sind die patenten Frauen?

Klaus Ulrich
8. November 2022

Wir verdanken ihnen das Rettungsboot oder den Kaffeefilter, sie schrieben aber auch bahnbrechende Computerprogramme und prägten den Begriff "Radioaktivität": Erfinderinnen - leider nur selten sichtbar.

Gewinnerin des Europäischen Erfinderpreises 2022
Ausgezeichnet: Madiha Derouazi (Schweiz) und Elodie Belnoue (Frankreich)Bild: Damien Blanchard/Europäisches Patentamt

Die Entwicklerinnen von Krebsimpfstoffen, Madiha Derouazi und Elodie Belnoue (Artikelbild), gewannen den Europäischen Erfinderpreis 2022, verliehen vom Europäischen Patentamt (EPA). Die Damen der schweizerisch-französischen Frauencrew gehören zu einer Minderheit: Sie sind Erfinderinnen.

Denn nur etwas mehr als 13,2 Prozent der in europäischen Patentanmeldungen genannten Erfinder sind Frauen. Dies geht aus einer aktuellen Studie des Amtes hervor. Untersucht wurde der Prozentsatz der Erfinderinnen, die in allen Patentanmeldungen, die beim EPA zwischen 1978 und 2019 eingereicht wurden, genannt worden sind.

Weltbekannte Erfinderinnen sind zudem die Physikerin Marie Curie, die 1896 die von Henri Bequerel beobachtete Strahlung von Uranquellen untersuchte und dafür das Wort "radioaktiv" prägte. Und ohne Melitta Bentz aus Dresden gäbe es heute keinen Kaffeefilter. Sie war es leid, ständig Kaffeesatz in der Tasse zu haben und entwickelte einen Trichter aus Löschpapier.   

"Frauenförderung bleibt große Herausforderung"

Laut der Analyse ist die Quote der Erfinderinnen in den vergangenen Jahrzehnten zwar gestiegen, denn Ende der 1970er Jahre lag sie nur bei zwei Prozent. Doch ein starkes geschlechterspezifisches Gefälle bleibt bestehen. Der Anteil der Erfinderinnen liegt auch weit unter jenem der Forscherinnen und Absolventinnen der Natur- und Ingenieurwissenschaften, wie das EPA betont.

Die spanische Professorin Elena García hat ein anpassungsfähiges robotisches Exoskelett für Kinder im Rollstuhl entwickeltBild: Amador Toril Diaz/Europäisches Patentamt

"Die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Innovation ist weiterhin eine große Herausforderung für Europa. Zugleich ist sie ein Schlüsselfaktor für unsere Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit", sagt EPA-Präsident António Campinos.

Potenzial wird nicht ausgeschöpft

Mit der aktuellen Studie will das Patentamt politischen Entscheidungsträgern, aber auch der Öffentlichkeit Erkenntnisse über den Beitrag von Frauen zu technologischen Innovationen liefern. Nach Meinung der Autoren wird das Potenzial von Erfinderinnen in Europa noch längst nicht voll ausgeschöpft.

Die Studie ist die erste ihrer Art, die das EPA durchgeführt hat. Darin zeigt die Analyse der Patentdaten, in welchen Ländern, Zeiträumen, technischen Gebieten und Anmelderprofilen Frauen als Erfinderinnen tätig waren.

Claude Grison aus Frankreich extrahiert spezielle Metall-Moleküle aus Pflanzen und verwendet sie als Katalysatoren für chemische ReaktionenBild: Nanda Gonzague/Europäisches Patentamt

Deutschland schneidet schlecht ab

Ausgerechnet Deutschland, wo Wirtschaft und Forschung eine so große Rolle spielen, zählt zu den Schlusslichtern Europas, wenn es um den Anteil an Erfinderinnen geht. Nach Liechtenstein und Österreich weist die Bundesrepublik den niedrigsten Wert europaweit auf. Nur in etwa jeder zehnten europäischen Patentanmeldung aus Deutschland wird eine Erfinderin genannt.

Der Anteil von Erfinderinnen in Europa (13,2 Prozent im Jahr 2019) ist zwar höher als in Japan (9,5), aber niedriger als in den USA (15,0), China (26,8) und Südkorea (28,3).

Die Ungarin Katalin Karikó modifiziert Boten-RNA für bessere COVID-19-Impfstoffe sowie für Therapien gegen Krebs- und HerzerkrankungenBild: Oliver Ruether/Europäisches Patentamt

Das Europäische Patentamt ist das Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation (EPO), der fast 40 Mitgliedsstaaten angehören. Davon haben Lettland (30,6 Prozent im Zeitraum 2010-2019), Portugal (26,8), Kroatien (25,8), Spanien (23,2) und Litauen (21,4) den höchsten Anteil von Erfinderinnen.

Unterschiede in Technologiefeldern

Von allen Technologiesektoren weist die Chemie den höchsten Anteil an Erfinderinnen in Europa (22,4 Prozent im Zeitraum 2010-19) auf, beim Maschinenbau (5,2) fällt er am geringsten aus. Innerhalb der Chemiebranche erreichen die Erfinderinnen bei Patentanmeldungen in den Bereichen Biotechnologie und Arzneimittel Quoten von jeweils mehr als 30 Prozent.

Dies spiegelt sich auch in den Daten für Deutschland wider, allerdings bleibt der Anteil der Erfinderinnen in allen Technologiesektoren niedriger als im europäischen Durchschnitt. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass Frauen eher in Erfinderteams tätig sind und seltener als Einzelerfinderinnen. Zugleich haben sie in diesen Teams tendenziell weniger Führungspositionen als Männer inne.

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