Hat Popstar Ed Sheeran bei Marvin Gaye abgekupfert? Ein US-Gericht musste das klären. Das Urteil hat Signalwirkung.
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Der britische Singer-Songwriter Ed Sheeran hat einen vielbeachteten Prozess wegen Plagiatsvorwürfen gewonnen. Der Vorwurf: Er soll für seinen Hit "Thinking Out Loud" beim Soulklassiker "Let's Get It On" von Marvin Gaye aus dem Jahr 1973 abgekupfert haben. Ein Geschworenengericht in New York sah das jetzt anders. Sheeran habe keine Urheberrechtsverletzung begangen, sondern den Song 2014 "unabhängig" erschaffen. Der 32-Jährige wurde in dem Zivilprozess freigesprochen.
Gegen den britischen Sänger hatten die Erben von Ed Townsend geklagt, der "Let's Get It On" mit Soul-Ikone Marvin Gaye zusammen geschrieben hatte. Townsends Erben sprachen von "frappierenden Ähnlichkeiten und offenkundig gemeinsamen Elementen" zwischen "Let's Get It On" und Sheerans "Thinking Out Loud".
Fragliche Sequenz aus vier Akkorden
Als Beleg führten sie unter anderem an, dass die Band Boyz II Men schon Medleys der beiden Songs aufgeführt hat - und Sheeran die beiden Stücke ebenfalls schon bei Auftritten gemixt hat. "Ich bin hier für Gerechtigkeit, um das geistige Eigentum meines Vaters zu schützen", sagte Townsends Tochter Kathryn Townsend Griffin vergangene Woche auf dem Weg ins Gericht.
Sheerans Anwälte hielten dagegen, es gebe "dutzende oder sogar hunderte Songs" aus der Zeit vor oder nach "Let's Get It On", die eine "gleiche oder ähnliche Akkordfolge" verwendeten. Ein Musikwissenschaftler, den die Verteidigung als Zeugen aufrief, bestätigte dies und sagte, die fragliche Sequenz aus vier Akkorden sei schon vor Gayes Hit im Jahr 1973 wiederholt in Songs verwendet worden.
Nach Verkündung des Urteils, das weitreichende Auswirkungen auf die Musikbranche hat, umarmte Sheeran sein Anwaltsteam im Gerichtssaal. Der Sänger sagte anschließend vor dem Gerichtsgebäude, er sei "glücklich" über das Urteil. Die Geschworenen des Bundesgerichts in Manhattan hätten "den kreativen Prozess" von Musikern in aller Welt "geschützt". Er zeigte sich zugleich "unglaublich frustriert über unbegründete Behauptungen" wie in diesem Verfahren.
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Mit der Gitarre im Gerichtssaal
Während des Zivilprozesses sagte auch Sheeran selbst aus - und griff dabei zur Gitarre, um die entscheidenden vier Akkorde zu spielen. Die Ballade "Thinking Out Loud" war 2014 veröffentlicht worden und auf den zweiten Platz der US-Charts Billboard Hot 100 gestürmt. 2016 gewann der Hit einen Grammy als bester Song des Jahres. Sheeran hatte das Stück zusammen mit der Singer-Songwriterin Amy Wadge geschrieben.
Alles nur geklaut? Plagiatsfälle in Musik und Kunst
Ed Sheeran muss sich mal wieder gegen Plagiatsvorwürfe wehren. Wir stellen die aufsehenerregendsten Plagiatskontroversen der vergangenen Jahre vor.
Bild: Peter Cziborra/REUTERS
Ed Sheeran vs. Marvin Gaye
Ed Sheerans Hit "Thinking Out Loud" von 2014 verwendet eine gängige Akkordfolge, die auch in Marvin Gayes legendärem "Let's Get It On" zu finden ist. Die Erben des Co-Autors des Gaye-Klassikers verklagten den britischen Popstar schon 2017 wegen Urheberrechtsverletzung, erst jetzt begann in New York der Prozess. Ein Verfahren zu Sheerans "Shape of You" ging gerade zugunsten des Sängers aus.
Bild: Luigi Rizzo/Pacific/Nancy Kaye/AP/picture alliance
Nicki Minaj vs. Tracy Chapman
Der Song "Sorry" der Rapperin Nicki Minaj erschien zwar nicht auf ihrem Album "Queen" (2018) - er wurde aber durch einen Radio-DJ publik. Er ist ein unerlaubt veröffentlichtes Remake von Tracy Chapmans "Baby Can I Hold You". Dafür muss Minaj Chapman nun 450.000 Dollar Entschädigung zahlen. Zu diesem Vergleich kam es jüngst, nachdem Chapman schon 2018 gegen Minaj Klage eingereicht hatte.
Bild: AP Photo/picture alliance
Kraftwerk vs. Moses Pelham & Sabrina Setlur
Über 20 Jahre Rechtsstreit um zwei Sekunden Klang. Es geht um die Frage: Wo fängt das Plagiat an - gerade im digitalen Zeitalter? Der Musikproduzent Moses Pelham hatte für den Song "Nur mir" mit der Rapperin Sabrina Setlur einen zweisekündigen Beat aus dem Kraftwerk-Hit "Metall auf Metall" gesampelt. Zuletzt entschied der Bundesgerichtshof für Pelham. Doch der Fall ist noch nicht abgeschlossen.
Bild: picture-alliance/dpa/RMV via ZUMA Press/Mike Tudor
Lana Del Rey vs. Radiohead vs. The Hollies
Schon auffällig, diese Ähnlichkeit: Lana Del Reys Song "Get Free" und der Radiohead-Hit "Creep" klingen ziemlich gleich. Aber auch "Creep" ist in Teilen kopiert, nämlich vom Song "The Air That I Breathe" der Band The Hollies. Zu einem Rechtsstreit kam es in diesem Fall aber nicht. Die Bands einigten sich außergerichtlich.
Bild: Imago/PA Images/D. Lawson
Sam Smith vs. Tom Petty
Die Musikindustrie erlebte in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Plagiatkontroversen. 2014 sorgte Sam Smiths "Stay With Me" für Aufsehen. Der Song soll von Tom Pettys "I Won't Back Down" inspiriert sein. Die Rocklegende Petty (1950 - 2017) wurde daraufhin an den Tantiemen beteiligt, zeigte sich in einem Statement aber verständnisvoll: Die Ähnlichkeiten seien sicher bloß ein Versehen.
Bild: picture-allianc/empics/Y. Mok
Robin Thicke & Pharrell Williams vs. Marvin Gaye
Richtig teuer wurde es 2013 für Robin Thicke und Pharell Williams. Ihr Erfolgshit "Blurred Lines" ist als Plagiat des Marvin Gaye-Songs "Got to Give It Up" entlarvt worden. Etwa sieben Millionen US-Dollar gingen deshalb in den Nachlass Gayes und damit an seine Erben über. Thicke und Williams bestritten indes, von Gayes Song kopiert zu haben.
Bild: picture-alliance/AP
Led Zeppelin vs. Spirit
"Stairway To Heaven" ist einer der berühmtesten Songs der Rockgeschichte. Ob aber wirklich Jimmy Page (rechts) und Robert Plant (Mitte) den Song schrieben, daran gab es 2016 Zweifel. Ein Bundesgericht in Los Angeles entschied jedoch: Der Rock-Klassiker ist kein Plagiat. Das hatten die Erben von Randy Wolfe behauptet, des Sängers und Gitarristen der Band Spirit.
Shakira vs. Ramón Arias Vásquez
Auch Popstar Shakira hat es getan. Sie hat ihren Hit "Loca" geklaut, zu diesem Urteil kam 2014 ein US-Bundesgericht. Der Song sei eine illegale Kopie des ursprünglich aus der Feder des dominikanischen Sängers Ramón Arias Vásquez stammenden Liedes "Loca con su Tiguere". Shakiras "Loca" verkaufte sich weltweit mehrere Millionen Mal.
Bild: Getty Images/R.Juergens
Bob Dylans Nobelpreisrede in Teilen kopiert
Der amerikanischen Journalistin Andrea Pitzer war aufgefallen, dass etwa 20 Sätze aus Bob Dylans Nobelpreisrede abgeschrieben waren. Der Musiker bediente sich aus einer Online-Interpretationshilfe für Schüler und Studenten zum Romanklassiker "Moby Dick" von Melville - verzichtete allerdings darauf, seine Quelle zu nennen.
Bild: picture alliance/dpa/J.Lo Scalzo
Jeff Koons vs. Jean-François Bauret
Auch in der Kunst kommt sie vor, die heimliche Abkupferei. Der US-amerikanische Pop-Art-Künstler Jeff Koons wurde von einem Pariser Gericht zu einer Schadensersatzzahlung von 20.000 Euro verdonnert. Seine Porzellanfigur "Naked" sei einem Motiv des französischen Fotografen Jean-François Bauret nachempfunden.
Bild: jeffkoons.com
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Der Zivilprozess in New York war von Vertretern der Musikbranche mit großem Interesse verfolgt worden. In dem Verfahren ging es um die grundsätzliche Frage, welche musikalischen Elemente eines Songs urheberrechtlich geschützt sind und ob beispielsweise bestimmte Akkordfolgen von verschiedenen Musikern verwendet werden können.
Branchenvertreter hatten befürchtet, dass ein Urteil gegen Sheeran zu einer neuen Flut von Klagen hätte führen können - und das dies eine abschreckende Wirkung für Songwriter hätte haben können. In den vergangenen Jahren haben Gerichte verschiedene Urteile zum Urheberrecht in der Musik gefällt.
2015 wurden die beiden US-Musiker Pharrell Williams und Robin Thicke wegen Plagiatsvorwürfen im Zusammenhang mit ihrem Song "Blurred Lines" zu einer Zahlung in Millionenhöhe an die Erben von Marvin Gaye verurteilt, weil sie sich beim Hit "Got to Give It Up" aus dem Jahr 1977 bedient haben sollen.
Die britische Rockband Led Zeppelin wurde hingegen 2016 vom Vorwurf freigesprochen, das Intro ihres legendären Songs "Stairway to Heaven" bei der US-Formation Spirit geklaut zu haben.