Erfolglose Vermittlungsversuche
15. Juli 2014 Die Waffenruhe hielt nur kurze Zeit. Am frühen Dienstagmorgen hatte die ägyptische Regierung eine Waffenruhe vorgeschlagen, die um kurz nach neun Uhr Ortszeit in Kraft treten sollte. Das israelische Sicherheitskabinett tagte prompt - und akzeptierte die Waffenruhe fast im Eilverfahren. Doch die militanten Brigaden der Hamas und des islamischen Dschihads feuerten auch danach ihre Raketen auf Israel ab. Nach sechs Stunden Raketenbeschuss habe man die Luftangriffe wieder aufgenommen, twitterte kurze Zeit später ein Armeesprecher. Bis zum späten Abend schlugen etliche Raketen in Israel ein.
Noch am Vormittag hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier von "entscheidenden Stunden" gesprochen. Er ist einer der ersten europäischen Politiker, der in Israel zu Krisengesprächen eingetroffen ist. "Unsere Rolle ist keine Vermittlerrolle hier im Nahen Osten. Aber wir wollen zeigen, dass uns die Sicherheit Israels und seiner Menschen am Herzen liegt, und zweitens wollen wir nach den Möglichkeiten suchen und ausloten, wie das Leiden der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten beendet werden kann." Der israelische Premierminister nahm den ausländischen Beistand zum Anlass, die Hamas erneut zu warnen. Ein Ablehnen der Waffenruhe würde eine noch "intensivere Militäroperation" zur Folge haben. Dafür gebe es die vollste Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Außenminister Steinmeier traf sich auch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Ramallah, auch um auszuloten, was die "Rolle der palästinensischen Führung in Ramallah bei der Lösung des Konflikts" sein könnte.
Hamas nicht konsultiert?
Im Gazastreifen wurde die Hamas-Führung unterdessen nicht müde zu betonen, dass man nicht ausreichend zur ägyptischen Waffenruhe-Initiative konsultiert worden war. Ein Hamas-Sprecher sagte, der Plan sei nicht akzeptabel. Dennoch heißt es aus Beobachterkreisen in Gaza, dass die politische Führung der Hamas die ägyptischen Pläne noch prüfe. Das Ringen darum zeigt, wie kompliziert die Lage auch innerhalb der Organisation sein könnte. Es ist unklar, wer im Moment die Oberhand hat: die politische Führung in Gaza oder die Führung des bewaffneten Arms der Hamas, der Kassam-Brigaden. Auch die politische Führungsriege im Ausland will dabei ein Wort mitreden. Nach achttägiger Raketenoffensive kann sich der militante Arm der Hamas immerhin damit brüsten, israelische Bürger in Angst und Schrecken zu versetzen. Doch das israelische Abwehrsystem "Iron Dome" hat bislang größere "militärische Erfolge" verwehrt. Am Dienstagabend gab es dennoch das erste Todesopfer auf israelischer Seite: Ein Mann wurde in der Nähe des Grenzübergangs Erez von einer Mörsergranate getroffen.
Waffenruhe als erster Schritt
Nun scheint wieder alles offen. Nach Medienberichten sah der ägyptische Vorschlag vor, dass zunächst die Angriffe von beiden Seiten gestoppt werden. Erst nach 48 Stunden hätten dann Delegationen die weiteren Verhandlungen aufgenommen. Für die Hamas ist dies offenbar nicht konkret genug. Die radikal-islamische Organisation hatte bereits zu Beginn der Auseinandersetzung ihre Forderungen gestellt. Eine einfache Rückkehr zum "Status Quo" lehnt die Hamas ab, da dies an den schwierigen Lebensbedingungen im Gazastreifen nichts ändern würde. Doch der jetzige Vorschlag der ägyptischen Regierung scheint keinerlei Garantien für die Forderungen zu beinhalten: etwa die Öffnung des palästinensisch-ägyptischen Personen-Grenzübergangs in Rafah oder die Freilassung festgenommener Hamas-Aktivisten. Diese waren während einer Militäroperation im Westjordanland auf der Suche nach drei entführten und ermordeten israelischen jungen Männern festgenommen worden. Die 1,7 Millionen Menschen im Gazastreifen leben seit über sieben Jahren weitgehend abgeriegelt von Israel. Die Situation hatte sich nochmals verschlechtert, nachdem auch die neue ägyptische Regierung unter Präsident Abdel Fatah al-Sisi den Grenzübergang in Rafah kaum mehr öffnen und die Tunnelanlagen in dem Grenzgebiet zerstören ließ.
Die vorerst gescheiterte Waffenruhe liefert nun vor allem denen im israelischen Kabinett eine Vorlage, die noch härteres Vorgehen durchsetzen wollen. Die Debatte im Sicherheitskabinett am Dienstagmorgen sei "stürmisch" gewesen, berichten Beobachter. Am Dienstagabend feuerte Netanjahu den stellvertretenden Verteidigungsminister Danny Danon. Der Likud-Mann hatte den Premierminister wiederholt scharf kritisiert und den Einsatz von Bodentruppen verlangt. Auch Außenminister Avigdor Lieberman hielt sich nicht mit Kritik zurück. Jetzt sei "keine Zeit mehr für Diplomatie", sagte er. Nur eine vollständige Wiederbesetzung des Gazastreifens sei der richtige Weg. Gleichzeitig forderte Lieberman die internationale Gemeinschaft auf, jetzt in allen Fragen hinter Israel zu stehen. Das israelische Sicherheitskabinett wollte sich erneut am Abend treffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
Humanitäre Krise
Unterdessen spitzt sich die humanitäre Situation im Gazastreifen weiter zu, wie internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen warnen. Die Krankenhäuser seien überlastet und die grundlegende Medizinversorgung sei gefährdet. Mehr als 80 Prozent der über 190 Opfer der israelischen Luftangriffe seien Zivilisten, so die Vereinten Nationen. Rund 1000 Wohnhäuser wurden beschädigt oder zerstört. 17.000 Menschen haben zwischenzeitlich Schutz in UN-Schulen gesucht. "Alle Beteiligten scheinen mit Gaza und seinen Menschen Fußball zu spielen", meint ein Beobachter aus Gaza am Telefon. Ein zynisches Spiel ohne Aussicht auf eine baldige politische Lösung.