1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erfolgreiche Autokratie?

2. Juni 2009

20 Jahre sind seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking vergangen. Die Kommunistische Partei wird sich ihrer Vergangenheit stellen müssen - meint Matthias von Hein.

Bild: DW

Kann die Geschichte wirklich so ungerecht sein? Ja, könnte man glauben, wenn man auf China schaut. Peking hat den politischen Wandel, der vor 20 Jahren die Welt erfasste und Osteuropa befreite, in Blut ertränkt. Und doch ist das autokratisch regierte China heute stärker denn je.

Der unheimliche Global Player

Aus dem einstigen Entwicklungsland ist ein Schwergewicht der Weltwirtschaft geworden. China ist der größte Gläubiger der USA, finanziert seit Jahren die Haushaltsdefizite der Regierung in Washington. Allein im März kaufte China US-Staatsobligationen im Wert von knapp 24 Milliarden Dollar. Das Reich der Mitte ist inzwischen der zweitgrößte Handelspartner der Europäischen Union. Und auch in Afrika und Südamerika wächst der Einfluss Pekings durch Handel und Investitionen. Ein Strategiepapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag warnte deshalb schon 2007: Ein undemokratisches China könne sich als alternatives Entwicklungsmodell etablieren, es könnte Autokraten weltweit als Vorbild und Rechtfertigung dienen.

Kein Licht auf dunkle Kapitel der Vergangenheit

Was hat das alles mit den schrecklichen Vorgängen auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 20 Jahren zu tun? Das chinesische Außenministerium hat unlängst noch einmal das Massaker an unbewaffneten Studenten mitten in Peking verteidigt - mit Verweis auf die wirtschaftlichen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte. Chinas Führung wehrt sich noch immer gegen eine Neubewertung der Demokratiebewegung – schon jede Diskussion darüber wird unterdrückt. Chinas kommunistische Partei nimmt zwar den wirtschaftlichen Erfolg für sich in Anspruch. Aber sie weigert sich, Verantwortung für die dunklen Kapitel ihrer Geschichte zu übernehmen. Nicht allein für die Toten vom Pekinger Sommer 1989. Auch für die geschätzt 20 Millionen Opfer des "Großen Sprungs nach vorn“ Anfang der 1960er Jahre, für die Opfer der Kulturrevolution und anderer Massenkampagnen.

Schwelendes Konfliktpotential unter der Oberfläche

Damit hat die Kommunistische Partei Chinas viel von ihrer Glaubwürdigkeit beim Volk verloren. In der Friedhofsruhe nach dem Massaker wurden materielle Werte zum Maß aller Dinge. Auch der Beitritt zur Partei dient heute vornehmlich der Karrieresicherung und ist weniger ideologisch begründet. Ideell ist China heute ausgehöhlt. Ein dröhnender Nationalismus kann darüber nicht hinwegtäuschen. Und die Volksrepublik ist längst nicht so stabil wie es oberflächlich scheint – Tag für Tag werden über 200 so genannten "illegale Proteste“ im Land gezählt. Es gibt Vordenker in der Partei, die wissen: Gerade für seine Stabilität braucht China politische Reformen, braucht es mehr Demokratie. Nur so lassen sich Konflikte aufgreifen und lösen. Das war auch die Haltung von Zhao Ziyang - dem reformorientierten KP-Führer, der 1989 aus dem Amt gedrängt wurde, weil sein Kurs den Hardlinern im Politbüro nicht passte. Die demokratischen Kräfte in China kann Europa unterstützen, wenn es selbstbewusst seine Werte vertritt – und wenn es einig ist.

Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Felix Steiner