Erfolgreicher Behindertensport hat Sorgen
21. März 2010So ein Kompliment von Altmeister Alexander Spitz, einem ehe- und mehrmaligen Paralympicsieger im alpinen Skirennsport, bekommen junge Sportler nicht oft zu hören. "Die Anna, die macht richtig Freude. Sie hat ein irrsinniges Skigefühl, sie ist mit 17 noch sehr jung - das ist Wahnsinn, wie die hier fährt“. Anna Schaffelhuber, die noch zur Schule geht und die Jüngste im Deutschen Team ist, hat gleich bei ihrem Paralympics-Debüt eine Medaille gewonnen: Bronze im Super-G. Neben ihrem Talent hat sie dabei von der zunehmend professionellen Nachwuchsförderung im deutschen Behindertensport profitiert. "Die Unterstützung ist sehr wichtig. Ohne die wäre ich jetzt nicht hier.“
Anna Schaffelhuber war schon einige Male bei den paralympischen Jugendlagern dabei, die es seit 1992 in Deutschland gibt. Zudem nimmt sie regelmäßig an Sichtungslehrgängen teil. Ab diesem Jahr sollen zudem zum ersten Mal auch Ländervergleiche unter dem Namen "Jugend trainiert für Paralympics“ stattfinden. Zum Paralympics Top Team gehört Anna Schaffelhuber allerdings noch nicht. Dem gehören derzeit elf Wintersportler wie Verena Bentele und Gerd Schönfelder an. Das Projekt, dass 2004 mit Hilfe von einigen Sponsoren ins Leben gerufen wurde, unterstützt ausgewählte Athleten finanziell und sorgt beispielsweise dafür, dass sie sich bis zur Hälfte ihrer Arbeitszeit für Training und Wettkämpfe freistellen lassen können.
Das Nachwuchskonzept sei gut, aber längst noch nicht ausreichend, meint Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes. "Da bin ich sehr selbstkritisch: Wir stehen gerade mal am Anfang unserer Nachwuchsarbeit.“ Es gebe zwar einige junge Talente wie Anna Schaffelhuber und Andrea Rothfuss, Thomas Nolte und Franz Hanfstingel – "aber das reicht nicht. Wir brauchen mehr Nachwuchs.“ Aber wie? Es gibt gar nicht so viele junge behinderte Sportler. Denn meistens sind die Menschen nicht von Geburt an in ihrer körperlichen Bewegung eingeschränkt, sondern erst im Laufe des Lebens durch einen Unfall oder eine Krankheit.
"Martin Braxenthaler ist nach seinem Unfall, den er mit 19 Jahren hatte, über die Rehabilitation in den Leistungssport hineingekommen“. Trotz seines Alters war er für ihn ein Nachwuchssportler. "Da kann man nicht so eine scharfe Trennung zwischen Nachwuchssportler und Sportler ziehen wie im Nichtbehindertensport“, meint Julius Beucher.
Im Gegensatz zu Martin Braxenthatler ist für viele Menschen, denen beispielsweise gerade ein Bein amputiert wurde, der Gedanke an Sport oder gar Leistungssport abwegig. Gerade mal sechs Prozent der Menschen mit einer körperlichen Einschränkung sind in Deutschland in einem Sportverein.
Hindernisse
Wie schwer es ist, Nachwuchs zu akquirieren, zeigt das Beispiel von Leichtathletik-Trainerin Steffi Nerius. Sie hat bei Krankenhäusern und Orthopädiehäusern nach Adressen von Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, angefragt, um diese anzuschreiben. Doch aus Datenschutzgründen können diese nicht herausgegeben werden. Da haben es andere Länder einfacher, sagt Julius Beucher und erzählt von einem Beispiel aus Russland. "Dort hat man 19.000 sehbehinderte Menschen angeschrieben, um sie für den Sport zu interessieren. Die haben etwa 5600 Antworten bekommen und füllen jetzt mit über 2000 Herausgefilterten ihre Nachwuchslehrgänge.“ In Deutschland gehe man bisher nur über die Blinden- und Sehbehinderten Schulen.
Anna Schaffelhuber ist durch Zufall zum Monoskifahren gekommen. "Als ich fünf war, hat mein Vater eine Anzeige gelesen, dass Gerda Pamler, ehemaliger Paralympicssiegerin, Kurse im Monoski anbietet.“ Dann habe sie sich dafür angemeldet und das sei voll cool gewesen. Cool ist auch, dass sie jetzt bei der Abschlussfeier der Paralympischen Spiele Fahnenträgerin ist. "Ich bin total happy. Damit habe ich noch weniger gerechnet als mit einer Medaille.“
Autorin: Sarah Faupel
Redaktion: Wolfgang van Kann