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Afrikas WM-Debüt

12. Juli 2010

Nach den vier Wochen der ersten Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischen Boden kann man sagen - Südafrika hat die Chance genutzt. Sportlich blieben allerdings Wünsche offen. Ein Bilanzkommentar von Wolfgang van Kann.

Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Als der Präsident des Weltfußballverbandes FIFA, Joseph Blatter, gegen viele Widerstände die WM in Südafrika quasi im Alleingang durchpaukte, wurden viele Befürchtungen laut. Doch nun muss man zugeben, dass sich die meisten Befürchtungen nicht bestätigt haben. Das erwartete Verkehrschaos blieb aus, die Unterkünfte waren nach Meinung aller in Ordnung und die Kriminalität hielt sich, so weit es Offizielle oder Besucher der WM betraf, in Grenzen. Und dass die Stadien perfekt waren, war schon vor dem ersten Anpfiff klar. Somit darf sich Südafrika als ein Sieger dieser WM fühlen, hat man doch der Welt bewiesen, dass man so ein Großereignis sehr wohl organisieren kann. Inwieweit Südafrika und der afrikanische Kontinent insgesamt in Zukunft davon profitieren können, bleibt freilich abzuwarten.

Leichte Abstriche gibt es nur bei der Stimmung, da das unerträgliche Vuvuzela-Gedröhne in den Stadien alle normalen Spielgeräusche und vor allem alle Fangesänge unterdrückte, was die Fans in aller Welt doch ziemlich genervt hat. Und von einer landesweiten Begeisterung, wie sie 2006 in Deutschland herrschte, spürten Besucher nicht viel.

Verlierer FIFA

DW-Sportchef Wolfgang van KannBild: DW

Das Siegerprädikat wird auch die FIFA und vor allem Joseph Blatter für sich beanspruchen – doch man muss es ihnen verweigern. Zu oft gaben sie ein schlechtes Bild ab. So hat der Kartenverkauf offensichtlich nicht richtig funktioniert, was die leeren Plätze in den Stadien eindrucksvoll belegten. Angesichts der teils katastrophalen Schiedsrichterleistungen fiel den Offiziellen nicht besseres als beschwichtigende Statements ein. Und bei der Forderung nach technischen Hilfsmitteln reagierte man erst auf massiven Druck – ohne freilich Veränderungen zuzusagen. Die Rigidität, mit der die FIFA ihre wirtschaftlichen Interessen selbst gegen den kleinsten Händler ohne Gnade durchsetzte, hat wieder einmal viele abgeschreckt. Insgesamt hat die FIFA in Südafrika jene Kritiker bestätigt, die sie für extrem reformbedürftig halten.

Nicht die stärkste WM

Fußballerisch war die WM in Südafrika keine Offenbarung, dazu gab es bis ins Viertelfinale hinein viel zu viele schwache Spiele. Und letztlich waren es auch nur zwei Mannschaften, die begeisterten und für Impulse sorgten – Spanien, mit dem in den letzten Jahren perfektionierten Kurzpass-Spiel, und Deutschland mit erfrischendem Angriffsfußball. Zwei Erkenntnisse brachte die WM aber dennoch. Die Zeit der individuellen Stars ist im Fußball wohl erst einmal vorbei, der Trend zur Mannschaft als Star ging weiter. Selbst mit zwei, drei Stars gewinnt man heute nichts mehr, wenn das Team nicht funktioniert. Dazu passt auch, dass es keinen echten Unterschied zwischen Defensive und Offensive mehr gibt – alle müssen alles können und auch spielen.

Europa dominiert trotz Ausfällen

Afrika hat den Heimvorteil bei dieser WM nicht nutzen können. Ghana erreichte zwar das Viertelfinale, war aber auch die einzige von sechs Mannschaften, die die Vorrunde überstand. Zu wenig angesichts der hohen Erwartungen.

Sah bis zum Achtelfinale noch alles nach einer südamerikanischen Übermacht aus, so belegten am Ende die Europäer die ersten drei Plätze. Und das, obwohl sich mit Italien, Frankreich und England drei Teams als überaltert und außer Form erwiesen und vor einem Neuaufbau stehen. Das gilt ausgerechnet vier Jahre vor der WM auf dem eigenen Kontinent auch für Brasilien und Argentinien.

Glücklicher DFB

Als Gewinner darf sich zweifellos der Deutsche Fußball Bund (DFB) fühlen – nicht nur wegen des dritten Platzes. Die WM in Südafrika hat eindeutig gezeigt, dass die Veränderungen und Entscheidungen der letzten Jahre richtig waren. Die verstärkte Konzentration auf die Nachwuchsteams hat sich ebenso eindrucksvoll auf die Zusammensetzung des deutschen Teams ausgewirkt, wie die Entscheidung, jene Spieler an sich zu binden, die auch für ein anderes Land hätten spielen können. Und nicht zuletzt hat sich die Beibehaltung und Weiterentwicklung der Trainings- und Spielphilosophie, die Jürgen Klinsmann und Joachim Löw schon für die WM 2006 entwickelt hatten, ausgezahlt.

Sollte es dem DFB gelingen, Joachim Löw weiter an sich zu binden, darf man sich auch angesichts der erfolgreichen Nachwuchsmannschaften des Verbandes auf eine goldene Zukunft des deutschen Fußballs freuen.

Autor: Wolfgang van Kann
Redaktion: Arnulf Boettcher