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Erfolgsjahr mit Schönheitsfehlern

Andreas Sten-Ziemons29. Dezember 2014

Abseits des WM-Titels für die DFB-Elf war 2014 auch sonst ein bewegtes Fußballjahr: dominante Bayern, schwächelnde Dortmunder, Traditionsvereine in der Krise und eine richtungsweisende Entscheidung in der Bundesliga.

Real Madrid - FC Bayern München Franck Ribery
Bild: picture-alliance/dpa/Juanjo Martin

Ohne Zweifel war 2014 aus deutscher Sicht ein großartiges Fußballjahr. Die deutsche Nationalmannschaft sicherte sich im Sommer in Brasilien nach 24 Jahren wieder den WM-Titel. Der 1:0-Finalsieg gegen Argentinien und seine Folgen überstrahlen alles und lassen ein wenig vergessen, dass es international ansonsten für den deutschen Fußball nichts zu feiern gab. In der Champions League bekam der deutsche Titelverteidiger Bayern München im Halbfinale von Real Madrid, das zuvor im Viertelfinale schon Borussia Dortmund aus dem Weg geräumt hatte, seine Grenzen aufgezeigt. Nach einem knappen 0:1 in Madrid, musste die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola im Rückspiel in München eine bittere und verdiente 0:4-Pleite hinnehmen.

Und auch bei der Wahl zum Weltfußballer hatten die Bayern das Nachsehen. Obwohl in München und auch in weiten Teilen der Bundesliga Konsens darüber herrschte, dass Münchens Flügelstürmer Franck Ribery die Auszeichnung verdient hätte, setzte sich doch Real-Superstar Cristiano Ronaldo durch. Ribery und Lionel Messi gingen leer aus. Uli Hoeneß, damals noch Bayern-Präsident, hatte schon zuvor eine Verschwörung gewittert und seinem Schützling nur geringe Chancen eingeräumt. "Franck hätte es mehr als verdient. Ich glaube aber, dass ein paar Leute was gemacht haben und dass er nicht gewinnt", sagte Hoeneß kurz vor der Wahl im Januar und spielte damit darauf an, dass die Frist für die Stimmabgaben der Nationalmannschafts-Trainer und -Kapitäne aller 209 FIFA-Mitgliedsverbände sowie ausgewählter Journalisten im November 2013 vom Fußball-Weltverband kurzfristig um zwei Wochen verlängert worden war. Hoeneß Begründung dafür: "Weil es dem einen oder anderen nicht passt, dass der FC Bayern alles gewinnt."

Später machte Hoeneß erneut Schlagzeilen: Am 13. März wurde er wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Er legte daraufhin seine Funktionen als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern nieder. Anfang Juni trat er seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Landsberg an.

FC Bayern national unangefochten

Polonaise des Meisters - der FC Bayern holt den Titel schon nach dem 27. SpieltagBild: Getty Images

Trotz des enttäuschenden Ausscheidens im Halbfinale der Königsklasse - in der Fußball-Bundesliga war der FC Bayern München auch 2014 das Maß aller Dinge. Bereits im März standen die Münchener nach dem 27. Spieltag als Deutscher Meister fest - so früh wie kein anderer Champion zuvor. Im Mai machten die Bayern mit dem Sieg im DFB-Pokal auch noch das Double perfekt. 2:0 nach Verlängerung hieß es am Ende gegen Borussia Dortmund, den der FCB in der Liga mit einem Vorsprung von 19 Punkten auf Rang zwei verwiesen hatte. Nach Sommerpause und WM-Titel setzte sich die Bayern-Dominanz unverändert fort. Zum Ende der Hinrunde ist der Rekordmeister noch ungeschlagen und thront mit elf Punkten Vorsprung auf die Konkurrenz ganz oben in der Tabelle. Allerdings ist nicht mehr Borussia Dortmund erster Verfolger, sondern der VfL Wolfsburg. Die Dortmunder spielten eine ausgesprochen schlechte Hinserie und sind nach 17 Spieltagen nur 17. Nach dem 13. Spieltag belegte der BVB sogar für eine Woche den letzten Tabellenplatz.

Kriselnde Traditionsvereine

Schwere Durchhänger gab es auch bei den ehemaligen "Großen", VfB Stuttgart, Werder Bremen und Hamburger SV. Der VfB trennte sich im März von seinem Trainer Thomas Schneider und ersetzte ihn durch Huub Stevens. Der knurrige Niederländer schaffte mit Stuttgart den Klassenerhalt und verließ die Trainerbank nach nur zweieinhalb Monaten wieder. Mit der Rückkehr von Meistertrainer Armin Veh sollte alles besser werden. Doch Veh legte sein Traineramt im November aus eigenem Antrieb und wegen anhaltender Erfolglosigkeit nieder. Sein Nachfolger war sein Vorgänger: Wieder wurde Stevens als Retter geholt. Nach fünf Partien unter seiner Regie belegt der VfB zum Jahresende den 15. Rang.

Auch Bremen wechselte den Trainer: Ende Oktober war die Geduld mit dem erfolglosen Robin Dutt zu Ende, der Ur-Bremer Viktor Skripnik übernahm und brachte immerhin ein bisschen Erfolg. Skripnik, der sich in seiner Trainingsarbeit stark an seinem ehemaligen Mitspieler und Trainer Thomas Schaaf orientiert, brachte den SV Werder vor der Winterpause immerhin auf Platz 16.

Den Tiefpunkt ihrer langjährigen Bundesliga-Geschichte erlebten die Hamburger. Erst in der Relegation rettete sich der HSV mit zwei müden Unentschieden gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth und schaffte so den Klassenerhalt. Anschließend gab es viel Unruhe: Dietmar Beiersdorfer kehrte als starker Mann zurück zu "meinem HSV". Nach nur vier Spieltagen entließ der neue Vorstandsvorsitzende Trainer Mirko Slomka und installierte mit Josef "Joe" Zinnbauer - bislang Coach der U23 - einen unerfahrenen Neuen, unter dem es lange Zeit auch nicht besser lief. In den bislang 14 Bundesligaspielen unter Zinnbauers Regie schaffte der HSV vier Siege und beendete die Hinrunde als 14.

HSV-Trainer Slomka schaffte die Relegation und musste wenig später gehenBild: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Insgesamt gab es 2014 in der 1. Bundesliga acht Trainerwechsel. Bert van Maarwijk (Februar/Hamburg), Schneider, Sami Hyypiä (April/Leverkusen), Gertjan Verbeek (April/Nürnberg), Slomka, Jens Keller (Oktober/Schalke) und Dutt mussten vorzeitig gehen. Veh legte sein Amt freiwillig nieder. Hinzu kam das ebenfalls freiwillige Ausscheiden des Mainzer Trainers Thomas Tuchel, der direkt nach dem letzten Spieltag im Juni erklärte, nicht mehr als Trainer des FSV Mainz weiterarbeiten zu wollen. Sein Vertrag wurde jedoch nicht aufgelöst, sondern läuft unbezahlt weiter bis Sommer 2015. Ein Wechsel Tuchels zu einem anderen Club ist daher innerhalb der Laufzeit nur mit Zustimmung des FSV möglich. Nachfolger Tuchels in Mainz ist seit Juli der Däne Kasper Hjulmand.

DFL stimmt für Torlinientechnik

Revolutionäres tat sich Anfang Dezember im deutschen Fußball: Nachdem die erste Abstimmung über die Einführung der Torlinientechnik im März noch am Widerstand vieler Zweitliga-Clubs scheiterte, stimmten am 4. Dezember nur die 18 Erstligavereine erneut ab und entschieden sich mit einer klaren 15:3-Mehrheit für die Einführung der technischen Hilfe ab der Saison 2015/2016. Die DFL entschied sich für das englische System "Hawk-Eye", bei dem pro Tor sieben Kameras die genaue Position des Balles bestimmen und dem Schiedsrichter ein Signal auf die Armbanduhr funken, wenn das Spielgerät die Torlinie mit vollem Umfang überquert hat.

Drin oder nicht drin? - darüber entscheidet ab Sommer 2015 das "Hawk-Eye"Bild: picture-alliance/dpa

Die Entscheidung wurde von vielen - insbesondere den Schiedsrichtern - begrüßt. Allerdings ist seitdem auch die Diskussion im Gange, ob die Einführung der Torlinientechnik nicht nur der erste Schritt war hin zu einer Art "Totalüberwachung" mit Videobeweisen für Abseitsstellungen und strittige Elfmeterszenen und einem Video-Schiedsrichter am Spielfeldrand.

Schwarzes Jahr für die FIFA

Mit der Einführung der Torlinientechnik folgte die Bundesliga dem Beispiel des Weltverbands FIFA, der die Technik schon bei der WM in Brasilien verwendet hatte. Ansonsten aber, zeigten sich der deutsche Fußball und seine Funktionäre von vielen Aktionen der FIFA wenig begeistert. Im November kam die Ethikkommission des Weltverbands nach Durchlesen des Berichts von Chefermittler Michael Garcia zu möglichen Fällen von Korruption bei der WM-Vergabe an Russland für 2018 und Katar für 2022 zu dem Schluss, dass alles sauber gelaufen sei.

Als Ermittler Garcia dem prompt entschieden widersprach und forderte, dass sein Bericht in Gänze veröffentlicht werden solle - was die FIFA nach wie vor ablehnt - war der Eklat perfekt. "Dieser Bericht heute ist leider nicht der erhoffte Befreiungsschlag, der die Zweifel in der Öffentlichkeit verschwinden lässt", kommentierte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach damals.

Verärgert: FIFA-Chefermittler Michael GarciaBild: FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images

Auch Ligapräsident Reinhard Rauball kritisierte das Urteil der FIFA-Ethikkommission zu den WM-Vergaben scharf und brachte eine Lösung der UEFA vom Weltverband ins Spiel. Der Freispruch vom Korruptionsvorwurf für die WM-Gastgeber Russland und Katar sei "der kommunikative Super-GAU und erschüttert die Grundfesten der FIFA in einer Weise, wie ich es noch nicht erlebt habe", sagte Rauball und ging sogar noch weiter: "Wenn diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der FIFA überhaupt noch gut aufgehoben ist. Eine Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass die UEFA sich von der FIFA löst."

Erst Mitte Dezember entschied das Exekutivkomitee der FIFA, den Garcia-Bericht doch zu veröffentlichen. Allerdings wurde dabei nicht gesagt, in welcher Form - ob vollständig oder mit geschwärzten Stellen. Ein erster Schritt, doch die Zeiten werden für die FIFA wohl auch im Jahr 2015 nicht ruhiger.

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