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Erinnerung an den libanesischen Bürgerkrieg

Peter Philipp13. April 2005

1975 begann der Bürgerkrieg im Libanon. Er dauerte 15 Jahre und kostete mehr als 150.000 Menschen das Leben. Vom Glanz des einst als "Schweiz des Nahen Ostens" gepriesenen Landes blieb wenig übrig.

1975 eskalierte die GewaltBild: AP
Bild: APTN/DW

Der Hintergrund des Dauerkonfliktes ist alt: Bereits 1958 war das Land in einen Bürgerkrieg gestürzt, als sunnitisch-muslimische Gruppen und Drusen sich der panarabischen Bewegung des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser anschließen wollten, die wenige Monate zuvor den Zusammenschluss von Ägypten und Syrien gebracht hatte. Nur mit der Landung amerikanischer Truppen konnte damals die Machtübernahme durch die Muslime verhindert werden

Der diffizile "Nationalpakt" blieb bestehen: ein interkonfessionelles Proporzsystem, das auf der Grundlage einer Volkszählung von 1932 basierte; es weist den verschiedenen Volks- und Religionsgruppen im Libanon bestimmte Rollen zu. Obwohl sich die Zahlenverhältnisse längst verändert haben und die Muslime - besonders die Schiiten unter ihnen - inzwischen die Mehrheit im Staate bilden, räumt der Pakt den maronitischen Christen eine Vormachtstellung ein.

Israel übt Vergeltung

Jahrelang wird der innerlibanesische Machtkampf unterdrückt. Gleichzeitig aber wachsen die palästinensischen Flüchtlingslager besonders um Beirut herum an und die Palästinenser verbünden sich mit libanesisch-muslimischen Gruppen. Die PLO beginnt, Angriffe von libanesischem Territorium aus gegen Israel durchzuführen - im Visier haben sie vor allem zivile Ziele und Zivilisten - und Israel schlägt zurück: Libanesische Orte werden bombardiert und selbst Beirut ist vor israelischer Vergeltung nicht mehr sicher.

In den Straßen der libanesischen Hauptstadt Beirut hat der Bürgerkrieg seine Spuren hinterlassen.Bild: dpa

Die Spannungen zwischen den Christen und der PLO steigen: Besonders die maronitische "Kata'eb" (oder "Falange") unter der Führung ihres Chefs Pierre Gemayel sieht ihre Vormachtstellung wieder einmal gefährdet und fürchtet, dass "ihr" Libanon immer schneller in die militärischen Auseinandersetzungen des Nahen Ostens hineingezogen wird, aus dem er sich seit 1948 hatte heraushalten können.

Es kommt zu Reibereien und Auseinandersetzungen: Kasernen der libanesischen Armee werden von PLO-Gruppen angegriffen, Palästinenser im Libanon mehr schikaniert als bisher, die Fahrt in den Süden - in die Nähe der Grenze mit Israel - wird von der Armee immer mehr kontrolliert. Aber dennoch kommt es zu weiteren Zwischenfällen an der Grenze. Und in der südlibanesischen Hafenstadt Saida ereignen sich heftige Zusammenstöße zwischen der Armee und sunnitischen Gruppen, erst recht, als einer ihrer Führer - Maruf Sa'ad im März den Verletzungen erliegt, die er beim Durchgreifen der Armee erlitten hat.

Die Eskalation

In Beirut tickt eine Zeitbombe. Hier hat die PLO sich inzwischen etabliert und kontrolliert vor allem den Stadtteil Fakhany, in dem Jassir Arafat sein Hauptquartier unterhält. Die Vorbereitungen für die Auseinandersetzung sind am 10. April 1975 in vollem Gange. Drei Tage später werden mehrere Leibwächter von Pierre Gemayel von Unbekannten am Eingang einer Kirche im christlichen Stadtteil Ein Rumaneh erschossen, während ihr Chef am Gottesdienst teilnimmt.

Christliche Libanesen (Falangisten) in einer mit Sandsäcken gesicherten geheimen Stellung im Südlibanon oberhalb des Sintani-Flusses im Frühjahr 1978.Bild: dpa

Obwohl es bis heute keinen Beweis dafür gibt, heißt es sofort, die Schützen seien Palästinenser gewesen. Die Rache ist grausam: Wenig später befindet sich ein Bus mit Palästinensern auf dem Weg zu einer PLO-Feier im Flüchtlingslager Tel a-Saatar. In Ein Rumaneh wird der Bus von bewaffneten Kata'eb Anhängern gestoppt und alle 27 Insassen erschossen.

Von diesem Moment an entbrennt der offene Kampf in weiten Teilen des Libanon. Er kommt erst zum Abflauen, als im September 1976 syrische Truppen mit dem Mandat einmarschieren, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Dies gelingt nur teilweise. Die Syrer werden selbst in Kämpfe verwickelt, schließlich kommt es Jahre später zum israelischen Einmarsch und der Vertreibung der PLO.

Der "inoffizielle" Bürgerkrieg

30.000 Tote, mindestens 60.000 Verletzte und weit über eine halbe Million Vertriebene. Das ist die Bilanz, die man im Libanon zieht, als man im September 1976 den Bürgerkrieg nach anderthalbjähriger Dauer offiziell für beendet erklärt. Inoffiziell dauert der Bürgerkrieg weiter an. Erst 1990 kann man mehr oder weniger von seinem Ende sprechen. Die Zahl der Todesopfer ist bis dahin auf mindestens 150.000 angestiegen.

Frieden hat der Libanon seitdem aber nicht wirklich erlangt. Immer wieder ist er erneut Opfer innerer Auseinandersetzungen oder äußerer Einmischung geworden. Die Israelis haben sich zwar im Sommer 2000 aus dem Land zurückgezogen, die ursprünglich 40.000 Mann starken syrischen Truppen aber wurden nur verringert oder im Land selbst verlegt und der Einfluss von Syrien auf den Libanon blieb bestehen.

Porträt des ermordeten Rafiq HaririBild: AP

Bis der Bogen im Herbst 2004 überspannt wurde: Damaskus setzte eine Verfassungsänderung im Libanon durch, damit der ihm genehme Präsident Emile Lahoud weiter im Amt bleiben konnte. Ministerpräsident Rafik Hariri und einige andere Politiker erklären ihren Rücktritt. Am 14. Februar aber wird Hariri auf offener Straße ermordet und massive Proteste gegen die syrische Einflussnahme im Libanon setzen ein. Proteste, die bis zu den für Ende Mai angesagten Parlamentswahlen zum Rückzug der letzten syrischen Soldaten führen sollen.

Erst wenn dieser Rückzug vollzogen ist, Damaskus sich nicht mehr offen einmischt und in Beirut wieder Libanesen über den Libanon selbst verfügen, wird abgeschlossen werden können, was Anfang April 1975 in Beirut losgetreten wurde.

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