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Politik

Eritrea: Der Bock als Gärtner

Antonio Cascais
27. Juni 2019

Regelmäßig wirft der UN-Menschenrechtsrat dem Regime in Eritrea massive Menschenrechtsverletzungen vor. Doch das Land ist inzwischen selbst Mitglied des Rats - und will sich der Beobachtung künftig entziehen.

Afrika Pressefreiheit l UK - Protestaktion vor der eritreischen Botschaft in London
Protestaktion in London: Laut Amnesty International verfolgt die Regierung Eritreas Kritiker auch im AuslandBild: picture alliance/ZUMAPRESS.com/P. Marshall

Sheila Keetharut ist der eritreischen Regierung schon länger ein Dorn im Auge. Seit Oktober 2012 ist die ehemalige Aktivistin aus Mauritius Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zur Situation der Menschenrechte in Eritrea. In ihren Berichten dokumentiert sie eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen in dem Land am Horn von Afrika. Trotz mehrfacher Anfrage wird ihr der Zugang ins Land von der eritreischen Regierung unter Präsident Isayas Afewerki immer wieder verweigert.

Die Menschenrechtslage in Eritrea ist auch einer der Schwerpunkte der 41. regulären Sitzung des UN-Menschenrechtsrats, die aktuell in Genf läuft. Und es kündigt sich ein Showdown an: Denn die eritreische Regierung möchte gerne verhindern, dass das Mandat von Sheila Keetharut verlängert wird. "Bei der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats wird derzeit diskutiert, das Mandat der Sonderberichterstatterin nicht zu verlängern, weil mittlerweile ein Friedensabkommen zwischen Eritrea und Äthiopien existiert", sagt Wolfgang Schreiner, Eritrea-Experte von Amnesty International Deutschland, im DW-Interview.

"Schurkenstaat" im Menschenrechtsrat?

Dabei beschreiben Menschenrechtsorganisationen die Lage in Eritrea weiterhin als "besorgniserregend". Trotz der Beendigung des Kriegszustands mit Äthiopien sei das Land weiterhin sehr abgeschottet und der Grad an politischen und bürgerlichen Freiheiten sehr begrenzt. Immer wieder melden Human Rights Watch und Amnesty International Fälle von Folter und willkürlichen Verhaftungen.

Sheila Keetharuth ist die Sonderberichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats für EritreaBild: picture-alliance

Für viele Beobachter war es deshalb ein Skandal, als Eritrea im Oktober 2018 von der UN-Vollversammlung in den Menschenrechtsrat gewählt wurde. Kenner der internationalen Diplomatie waren allerdings weniger überrascht. Denn unter den neu bestimmten Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrats befinden sich neben Eritrea noch weitere Länder, die es mit den Menschenrechten häufig nicht allzu ernst nehmen: Kamerun, Somalia, Bahrain, die Philippinen und Bangladesch. Schon länger dabei sind auch China, Saudi-Arabien und die Demokratische Republik Kongo. 18 Sitze in dem 47 Länder umfassenden UN-Rat werden turnusmäßig zum Jahreswechsel frei, die Mitgliedschaft eines Landes dauert drei Jahre.

Amnesty: Eritrea verfolgt Menschenrechtsaktivisten auch im Ausland

Pünktlich zur aktuellen Sitzung des UN-Rats ist diese Woche der neue Amnesty-Bericht zu Eritrea erschienen. Darin wirft die Menschenrechtsorganisation der eritreischen Regierung vor, Menschenrechtsverteidiger nicht nur in Eritrea selbst zu diffamieren und zu bedrohen. Auch im Ausland gehe das Regime von Isayas Afewerki demnach gegen eritreische Aktivisten vor.

Zum Beispiel in Kenia, das eine große eritreische Diaspora beherbergt. Diesen Menschen werde vom Regime in Asmara vorgeworfen, dass sie die eritreische Regierung sabotieren oder sogar stürzen möchten, erläutert Amnesty-Experte Schreiner: "Und dann passiert es ganz konkret, dass zum Beispiel Passverlängerungen für Eritreer, die in Kenia leben, nicht mehr vorgenommen werden, was auf eine faktische Staatenlosigkeit und damit Rechtlosigkeit für die Betroffenen hinausläuft." Das sei nur eine von vielen Schikanen, die dazu führten, dass sich viele Eritreer auch im Ausland scheuen, öffentlich Kritik an der Regierungspartei PFDJ zu äußern.

Eritreer bei einer Demonstration in Frankfurt: Laut Amnesty International verfolgt die Regierung Eritreas Kritiker auch im AuslandBild: DW/H. Tiruneh

"Aktivisten, die ins Ausland geflohen sind, werden von Regierungsvertretern und Unterstützern der amtierenden Regierungspartei angegriffen, diffamiert und bedroht, insbesondere durch den militanten Jugendflügel der Regierungspartei", ergänzt Clara Braungart, ebenfalls Eritrea-Expertin bei Amnesty International. Der jüngste Amnesty-Bericht dokumentiere unter anderem, wie Kritiker der eritreischen Regierung persönlich und über soziale Medien bedroht, beschimpft oder sogar körperlich angegriffen würden. Eine junge Frau, die sich bei einer Veranstaltung in Oslo für Menschenrechte stark gemacht hatte, habe wochenlang Drohanrufe erhalten und sei von einer Online-Verleumdungskampagne überzogen worden. "Selbst UN-Sonderberichterstatterin Sheila Keetharuth wurde vom eritreischen Botschafter im Menschenrechtsrat verbal attackiert", so Braungart.

Kirchliche Mitarbeiter der Verfolgung ausgesetzt

Aktuellen Berichten zufolge sind auch die christlichen Kirchen in Eritrea nicht vor den Attacken des Regimes gefeit. Im Juni traf es die katholische Kirche in Eritrea, nachdem diese die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission gefordert hatte. Wie die Hilfsorganisation Kirche in Not am Dienstag mitteilte, beschlagnahmten Soldaten daraufhin 21 von der katholischen Kirche geführte Kliniken, Arztstationen und Gesundheitseinrichtungen. Das Klinikpersonal habe sich teilweise geweigert, die Schlüssel auszuhändigen. Die Soldaten hätten sich daraufhin aber gewaltsam Zugang verschafft.

Regiert Eritrea seit 1993 mit eiserner Hand - Isayas AfewerkiBild: Getty Images/AFP/E. Soteras

"Es steht nicht nur die Sicherheit und Existenzgrundlage unserer Mitarbeiter auf dem Spiel, sondern auch die der vielen Patienten, die dort Zuflucht gefunden haben", sagt Tobias Lehner, Referent für Öffentlichkeitsarbeit von Kirche in Not Deutschland. Die Organisation unterstützt die betroffenen Kliniken schon seit langer Zeit finanziell. Rund 170.000 Patienten seien dort zuletzt versorgt worden. Lehner weiter: "Soweit wir gehört haben wurden die meisten von ihnen jetzt regelrecht aus den Betten geworfen und stehen jetzt natürlich auf der Straße und suchen nach passender Hilfe."

Bleibt Eritrea unter Beobachtung?

Die vier katholischen Bischöfe des Landes richteten nun ein Protestschreiben an die eritreische Gesundheitsministerin Amna Nurhusein. Darin kritisierten sie das Vorgehen gegen die kirchlichen Einrichtungen als "zutiefst ungerecht". "Jedes Jahr treiben Menschenrechtsverletzungen in Eritrea Tausende in die Flucht", betont Tobias Lehner im DW-Interview. "Ich kann mir vorstellen, dass, wenn so ein wichtiger Bereich wie die medizinische Versorgung angegriffen wird, natürlich zusätzliche Motivationen zur Flucht geschaffen werden."

Bis zum 12. Juli läuft die Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf noch. Ob Eritrea danach weiterhin unter Sonderbeobachtung stehen wird, ist unklar. Für Wolfgang Schreiner von Amnesty International steht jedoch fest: Das Mandat von Sheila Keetharut muss fortgeführt werden. "An der Menschenrechtssituation in Eritrea hat sich überhaupt nichts geändert", so Schreiner.

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