Turbulenzen am Anleihemarkt: Was steckt dahinter?
18. April 2025
Die Idee von Donald Trump, weltweit Zölle zu erheben, hat Anfang April die Finanzmärkte kräftig durcheinandergerüttelt. An vielen Börsen weltweit fielen die Aktienkurse.
In Zeiten großer Unsicherheit und niedriger Erwartungen in Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung flüchten Anleger in der Regel aus Aktien in sichere Häfen: in Staatsanleihen von Ländern mit hoher Bonität. So war es während der Finanzkrise ab 2008 oder nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.
Bisher galten die USA als ein solcher sicherer Hafen. Doch als nach Trumps Zollankündigungen Anfang April die Börsenkurse in den Keller rutschten, flüchteten Anleger nicht in die sicheren Staatsanleihen. Ganz im Gegenteil: auch die wichtigen US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit wurden weniger nachgefragt. Was steckt dahinter?
Wenn der Staat sich Geld am Finanzmarkt leiht
Grundsätzlich unterscheiden sich Staatsanleihen von Aktien dadurch, dass ein Staat hinter der Anleihe steht und dem Käufer der Anleihe im besten Fall Sicherheit gibt. Dabei werden Staatsanleihen auch Staatsschuldverschreibungen, Staatsobligationen, Renten, Bonds und in den USA Treasuries genannt.
Staatsanleihen werden über Finanzmärkte verkauft. Der Staat verspricht den sogenannten Nennwert der Anleihe nach einem festgelegten Zeitraum (der Laufzeit der Anleihe) wieder zurückzuzahlen. Auf diese Weise leiht sich der Staat bei den Anlegern Geld. Die Anleger erhalten zusätzlich für das Verleihen ihres Geldes einen Zins, auch Coupon genannt, der meist jährlich gezahlt wird.
Risiken: Zahlungsausfall und Währungsschwankungen
Wer Staatsanleihen kauft, hat vor allem das Risiko, dass der betreffende Staat pleite gehen und das geliehene Geld nicht zurückzahlen könnte. Die Höhe des Risikos hängt davon ab, wie hoch die Kreditwürdigkeit des Landes eingeschätzt wird. Anleihen von Ländern mit einer hohen Bonität gelten als sichere Anlagen. Die Kurse solcher Anleihen schwanken in der Regel weniger als die von Aktien.
Schlechte Erfahrungen haben in der Vergangenheit beispielsweise Käufer von argentinischen Staatsanleihen gemacht. Argentinien konnte schon wiederholt seine Schulden aus Anleihen nicht bezahlen.
Ein weiteres Risiko besteht, wenn Anleihen in einer anderen Währung gekauft werden. US-Staatsanleihen werden grundsätzlich in US-Dollar ausgegeben und auch in US-Dollar zurückgezahlt. Wenn der Dollar gegenüber dem Euro an Wert verliert während der Laufzeit, dann verliert entsprechend auch der in Dollar gezahlte Zins und der am Ende zurückgezahlte Nennwert der Staatsanleihe an Wert.
Handel mit Staatsanleihen: Kurswert sinkt, Rendite steigt – warum?
Wer einmal Staatsanleihen gekauft hat, muss sie aber nicht während der gesamten Laufzeit behalten. Gehandelt werden Staatsanleihen allerdings nicht zu ihrem Nennwert, sondern zu einem aktuellen Kurs, der oft in Prozent des Nennwertes angegeben wird. Liegt der Kurs also bei 96 Prozent, muss man 96 Euro bezahlen für eine Anleihe mit einem Nennwert von 100 Euro.
Beim Handel mit Anleihen ist die sogenannte Rendite wichtiger als der angegebene Zinssatz. Die Rendite gibt an, wie hoch der jährliche Ertrag bis zum Ende der Laufzeit in Bezug auf den aktuellen Kurs ist. Daher schwankt die Rendite von Staatsanleihen mit deren Kursen.
Wenn die Kurse von Anleihen sinken, dann bezahlen die Käufer weniger für die Anleihe, bekommen in der Regel aber am Ende den Nennwert der Anleihe, also 100 Prozent zurück. Für weniger Geld dasselbe bekommen, bedeutet: Die Rendite für das eingesetzte Geld ist gestiegen. Umgekehrt gilt, wenn die Kurse steigen, muss mehr für eine Anleihe gezahlt werden, um am Ende den Nennwert zu bekommen. Damit ist die Rendite gesunken.
Turbulenzen am US-Anleihenmarkt
Zurück zum Geschehen in den USA: Nach dem "Befreiungstag" von Donald Trump waren die richtungsweisenden zehnjährigen US-Staatsanleihen unter massiven Verkaufsdruck geraten.
Staatsanleihen waren weniger gefragt, weil sie anscheinend als weniger sicher bewertet wurden. Auch der Dollar ist abgesackt, weil das Vertrauen in die US-Währung gesunken ist. Damit lohnen sich US-Staatsanleihen für Nicht-Amerikaner weniger.
Für den Laien sah es nicht nach viel Bewegung aus - die Rendite der US-Staatsanleihen hatte sich "nur" um die erste Zahl hinter dem Komma erhöht, von 4,3 auf 4,5 Prozent. In den vergangenen Jahren gab es teils deutlich stärkere Schwankungen, diesmal fand der Anstieg so viel Beachtung, weil er nicht durch Wirtschaftsdaten wie Konjunkturzahlen oder Zinssignale der US-Notenbank ausgelöst wurde, sondern durch ein geopolitisches Schockereignis, die Einführung neuer US-Zölle. Wenn sich Anleger in so einer Situation nicht in US-Staatsanleihen flüchten, ist das ein Zeichen für eine besondere Unsicherheit an den Märkten.
"Immer mehr Marktakteure scheinen aufgrund des weiter eskalierten Handelskonflikts an der traditionellen Rolle des US-Dollars und der US-Staatsanleihen als 'sichere Häfen' zu zweifeln", beurteilt Ulrich Stephan, Chefstratege der Deutschen Bank, die Lage.
US-Schulden werden teurer
Für die amerikanische Regierung bedeutet der Renditeanstieg um 0,2 Prozent außerdem, dass neue Staatsschulden wesentlich teurer werden. Möchten die USA bei gestiegenen Renditen neue Schulden aufnehmen, also neue Staatsanleihen auf den Markt geben, müssen sie höhere Zinsen bieten, damit die neuen Staatsanleihen gekauft werden. Somit verteuert sich für die USA das Schuldenaufnehmen. Eine ungünstige Situation, wollte Trump doch eigentlich die die enormen Staatsschulden der USA reduzieren. Nachdem Trump die 90-Tage-Zollpause verkündet hatte, beruhigte sich die Situation wieder etwas.
Kritisch ist zusätzlich: Stehen Staatsanleihen unter Druck, spüren das viele andere Wirtschaftsbereiche. Zahlreiche andere Anlageformen orientieren sich an der Rendite für Staatsanleihen, etwa Hypothekenzinsen oder Zinsen für Unternehmenskredite.
Chinas Einfluss auf US-Anleihenmarkt
Noch heftiger als bisher könnte die Reaktion auf dem Anleihenmarkt ausfallen, würde China im Zuge eines eskalierenden Handelskriegs Teile seiner hohen Bestände an US-Anleihen verkaufen. Insgesamt beträgt das ausstehende Volumen bei US-Staatsanleihen mehr als 25 Billionen Euro.
Nach Japan hat China die größten Bestände an US-Staatsanleihen. Im Januar besaß die Volksrepublik US-Anleihen im Volumen von rund 760 Milliarden Dollar. Würde nur ein Teil dieser Anleihen verkauft, könnte das zusätzliche Angebot die Kurswerte von US-Anleihen deutlich drücken und die Renditen erhöhen. Was wiederum künftige Schulden für die USA verteuern würde.