Trotz seiner Freilassung steht der russische Regisseur Kirill Serebrennikow weiter unter Druck. Ein Moskauer Gericht hatte seinen Hausarrest nach anderthalb Jahren aufgehoben. Doch sein Reisepass bleibt eingezogen.
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Arbeit unter Hausarrest
Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow ist frei. Mit seiner Arbeit ist er der russischen Obrigkeit ein Dorn im Auge. Gearbeitet hat der 49-Jährige auch während seines Hausarrests - etwa an Verdis "Nabucco".
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Unter Anklage
Kirill Serebrennikow war im August 2017 festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden. Das russische Kulturministerium wirft ihm vor, gemeinsam mit drei Mitarbeitern seiner Produktionsfirma "Siebtes Studio" zwischen 2011 und 2014 umgerechnet knapp zwei Millionen Euro staatlicher Fördermittel veruntreut zu haben. Er habe die Zuwendungen für Stücke bekommen, die nie aufgeführt worden seien.
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Protest aus der Kultur
Der Regisseur wies die Vorwürfe zurück. Kulturschaffende sehen in den Anschuldigungen einen Schauprozess gegen einen liberalen Künstler, um die künstlerischen Freiheiten weiter einzuschränken. Der künstlerische Leiter des Gogol-Zentrums behandelt in seiner Arbeit Armut, Religion und Totalitarismus und ist ein Dorn im Auge des Kremls.
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"Nabucco" in Hamburg
Giuseppe Verdis "Nabucco" feierte im März diesen Jahres an der Hamburger Staatsoper Premiere. Serebrennikow begleitete die Inszenierung aus seinem Arrest heraus, ließ sich Videomitschnitte der Proben schicken und speicherte seine Anmerkungen auf USB-Sticks, da ihm der Zugang zum Internet verboten worden war. Auch der direkte Kontakt zu Kollegen war ihm untersagt.
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Thomas Ostermeier
Thomas Ostermeier, Regisseur an der Berliner Schaubühne, ist mit Serebrennikow befreundet und startete eine Petition für dessen Freilassung. "Er wusste, dass seine Arbeit die Obrigkeiten herausforderte", sagte Ostermeier in der DW-Sendung "Arts and Culture". Er verwies darauf, dass die Bedrohung nicht beendet sei. Serebrennikow dürfe das Land nicht verlassen, der Prozess werde fortgesetzt.
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Verschiebung wegen Homosexualität
In Abwesenheit des schon unter Hausarrest stehenden Regisseurs wurde das Ballettstück "Nurejew" im Dezember 2017 am Moskauer Bolschoi Theater uraufgeführt. Das Stück über die russische Ballettikone Rudolf Nurejew thematisierte auch dessen Homosexualität. Bereits 2013 war ein Film über Peter Tschaikowski gescheitert, weil Serebrennikow sich weigerte, dessen Homosexualität außen vor zu lassen.
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Prämierter Kinofilm "Leto"
Auch seinen Film "Leto" schnitt Serebrennikow während des Hausarrests fertig. Darin erzählt er die wahre Geschichte einer musikalischen Gegenbewegung im Leningrad Anfang der 1980er Jahre. David Bowie und Iggy Pop sind die Idole der Helden, die nicht offen gegen das System auftreten dürfen, aber allein mit ihren langen Haaren und ihrer Musik als Sympathisanten des Feindes gelten.
Bild: K. Serebrennikow
Uraufführung in Abwesenheit
Seine Uraufführung feierte "Leto" 2018 in Cannes. Obwohl das Festival bei Wladimir Putin vorstellig wurde, durfte Serebrennikow nicht anreisen. Der Cast protestierte dagegen auf dem Roten Teppich. Im März 2019 erhielt "Leto" den renommierten russischen Filmpreis Nika für die beste Regie.
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Der 49-Jährige dürfe die Stadt nicht unerlaubt verlassen, melden russische Medien. Zuvor müsse er bei der Polizei um Erlaubnis bitten. Dennoch machte sich am Tag nach Serebrennikows Entlassung Erleichterung breit. Die Menschenrechtsbeauftragte der Deutschen Bundesregierung, Bärbel Kofler, äußerte die Hoffnung, dass der Strafprozess bald beendet ist. "Für die deutsch-russische kulturelle Zusammenarbeit wäre es wichtig, wenn Kirill Serebrennikow bald auch wieder reisen könnte, um seine Engagements in Deutschland wahrzunehmen", erklärte sie in Berlin.
Serebrennikow: "Es ist noch nicht vorbei"
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Die Stuttgarter Oper begrüßte die Nachricht aus Moskau. "Wir wissen alle nicht, was das für den weiter andauernden Prozess gegen ihn bedeutet", sagte Intendant Viktor Schoner, "aber ich interpretiere es als ein erstes gutes Zeichen." Die Staatsoper Stuttgart brachte 2017 die Märchenoper "Hänsel und Gretel" auf die Bühne - auch wenn Serebrennikow seine Inszenierung wegen des Hausarrests nicht fertigstellen konnte.
Künstler will ungehindert weitermachen
In Zürich und Hamburg indes hatte der Regisseur von seinem Hausarrest aus vielbejubelte Opernaufführungen inszeniert. Bei den Premieren konnte er aber nicht anwesend sein, ebenso wenig bei der Präsentation seines Films "Leto" im Mai 2018 beim Filmfestival in Cannes. Die russische Justiz wirft dem Künstler und anderen Angeklagten vor, staatliche Fördermittel in Millionenhöhe veruntreut zu haben. Im schlimmsten Fall drohen ihm zehn Jahre Gefängnis. Der Regisseur weist die Vorwürfe zurück.
Der Künstler selbst kündigte nach der Entscheidung des Gerichts an, dass er nun wieder ungehindert arbeiten wolle. Filmstars, Theaterschaffende und Politiker aus vielen Ländern hatten sich mit Serebrennikow solidarisch gezeigt und Russland aufgefordert, die Verfolgung liberaler Künstler zu beenden.