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Erleichterung nach Winterkorns Rücktritt

24. September 2015

Die Vertrauenskrise nach dem Abgas-Skandal hat VW-Chef Winterkorn zum Rückzug gezwungen. Beobachter sehen darin auch eine Chance zum Neubeginn. Doch es bleiben viele Fragen und viele Sorgen.

VW-Chef Martin Winterkorn bei einem Auftritt auf der Automesse IAA am 17. September 2015 (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Für die Grünen ist der Rücktritt von VW-Chef Martin Winterkorn ein folgerichtiger Schritt in der Abgas-Affäre. "Damit hat der VW-Konzern die Chance auf einen Neuanfang. Sein Nachfolger muss beweisen, dass Anspruch und Wirklichkeit bei VW zusammenpassen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Oliver Krischer. Es könne nicht sein, dass VW in Hochglanzbroschüren von sauberen Autos spreche, aber auf der Straße der Abgasausstoß um ein Vielfaches höher sei.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer begrüßte die Entscheidung Winterkorns. Dieser sei richtig, "auch wenn er zu spät kommt", sagte Dudenhöffer der "Berliner Zeitung". Winterkorn mache damit den Weg für einen Neuanfang frei. "Das ist besser für VW, besser für die 600.000 Mitarbeiter des Konzern und besser für Deutschland insgesamt", sagte der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Duisburg Essen.

Auch der Autoexperte Stefan Bratzel signalisierte Erleichterung über den Schritt. Der angerichtete Schaden sei enorm, sagte Bratzel gegenüber tagesschau.de. "Jemand musste an höherer Stelle die Verantwortung übernehmen. Und man muss ja auch überlegen: Wer hätte denn künftig mit den Amerikanern über diese Themen verhandelt?" Winterkorn hätte dies nicht mehr tun können.

"Keines Fehlverhaltens bewusst"

Angesichts des wachsenden Drucks hatte Martin Winterkorn am Mittwoch die Reißleine gezogen und seinen Rücktritt erklärt. "Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren", heißt es in einer Erklärung des 68-Jährigen. Er übernehme die Verantwortung "im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin". Europas größter Autobauer hatte zuvor zugegeben, dass weltweit elf Millionen Dieselmotoren des Typs EA 189 mit einer Software ausgestattet sind, die die Messung des Schadstoffausstoßes manipuliert.

Auf VW könnten neben strafrechtlichen Konsequenzen Regressansprüche und Strafzahlungen in Milliardenhöhe zukommen. Allein in den USA droht dem Konzern eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar. Hinzu kommen unter anderem Kosten für Sammelklagen und Rückrufe. So soll sich nun ein US-Bundesgericht in Kalifornien mit Sammelklagen gegen Volkswagen befassen. Ein Klägeranwalt beantragte, mindestens zwei Dutzend Klagen zusammenzufassen und an das Gericht von Bezirksrichter Fernando Olguin zu verweisen. Das Gericht hat Erfahrung mit Klagen gegen Autobauer: Toyota erklärte sich 2012 in einem Vergleich zur Zahlung von 1,1 Milliarden Dollar bereit, um eine Sammelklage wegen Problemen mit Fußmatten und klemmenden Gaspedalen beizulegen. Hyundai und Kia erklärten sich bereit, 255 Millionen Dollar zu zahlen, weil sie einen zu niedrigen Benzinverbrauch angegeben hatten.

In vielen Ländern beschäftigt der Skandal die Politik, Sonderprüfungen werden verlangt oder wurden bereits angeordnet. Zudem steht auch die Frage im Raum, ob andere Hersteller ebenfalls bei der Abgasmessung getrickst haben könnten.

Auch andere Hersteller betroffen?

Die Grünen im Bundestag fordern von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Überprüfung auch anderer Hersteller. "Er muss nicht nur gegen VW vorgehen. Im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung muss er auch Modelle von anderen Herstellern prüfen lassen", sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn, der "Saarbrücker Zeitung". Zugleich warf Höhn Regierung und Industrie "Kumpanei" vor. So habe die EU vor einigen Jahren auch Deutschland aufgefordert, "die Nutzung der sogenannten Abschaltvorrichtungen durch Autohersteller unter Strafe zu stellen". Höhn fügte hinzu: "Nach meiner Kenntnis ist das nicht passiert."

Der Abgas-Skandal bei Volkswagen wird nach Ansicht von Unionsfraktionschef Volker Kauder negative Konsequenzen für die gesamte Branche haben. "Ich fürchte, dass die gesamte Automobilindustrie einen Schaden davonträgt", sagte Kauder den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Vorfall mache ihn "fassungslos", ergänzte der CDU-Politiker. Sein Wahlkreis liegt in Baden-Württemberg, wo unter anderem mit Daimler und Porsche wichtige Autokonzerne beheimatet sind.

Nachfolger schon am Freitag?

Über die Nachfolge Winterkorns wird der Aufsichtsrat des Konzerns am Freitag beraten. Dies teilte der Chef des Interimsaufsichtsrats, Berthold Huber, mit. In der engen Auswahl für den Posten des bestbezahlten Chefs eines Dax-Konzerns sind nach Darstellung von Insidern Porsche-Chef Matthias Müller, VW-Markenchef Herbert Diess und Audi-Chef Rupert Stadler. Müller gilt wegen seiner langjährigen Konzernerfahrung als Favorit.

Eine gute Nachricht für VW kam immerhin von der Frankfurter Börse: Dort schloss die Aktie von Volkswagen am Mittwoch mit einem Plus von 5,19 Prozent bei 111,50 Euro, nachdem sie in den Vortagen massive Verluste erlitten hatte.

kle/stu (dpa, afp, rtr, tagesschau.de)

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