Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht bei der NATO
17. Mai 2025
Immer wieder kommen neue Informationen über laufende Korruptionsermittlungen gegen Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter der NATO-Beschaffungsagentur NATO Support and Procurement Agency (NSPA) ans Tageslicht. Wie bekannt wurde, wurden bislang fünf Personen verhaftet, zwei davon in Belgien, drei in den Niederlanden.
Über die ersten Verhaftungen berichtete die belgische Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Diese beträfen "mögliche Unregelmäßigkeiten" bei der Vergabe von Verträgen für Munition und Drohnen für die NATO.
Derzeitige oder ehemalige Mitarbeiter der NSPA in Luxemburg hätten möglicherweise Informationen an Rüstungsunternehmen weitergegeben, erklärten die belgischen Behörden in einer Pressemitteilung. "Es gibt Hinweise darauf, dass das durch diese illegalen Praktiken erlangte Geld gewaschen wurde, teilweise durch die Gründung von Beratungsunternehmen", heißt es in der Mitteilung weiter.
Die Behörden in den Niederlanden gaben kurze Zeit später die Verhaftung von drei Personen bekannt, darunter einen 58-jährigen ehemaligen Beamten des Verteidigungsministeriums, dessen Aufgabengebiet "internationale Beschaffungsverträge" umfasst habe.
Die Staatsanwaltschaft von Luxemburg bestätigte, dass im Großherzogtum Dokumente beschlagnahmt worden seien. Die Ermittlungen würden sich mittlerweile auch auf Italien, Spanien und die USA ausdehnen und würden von Eurojust, der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, koordiniert.
NATO möchte "der Sache auf den Grund gehen"
Auf dem kürzlich in Antalya in der Türkei abgehaltenem NATO-Treffen teilte der Generalsekretär des Militärbündnisses Mark Rutte mit, dass die Agentur die Ermittlungen selbst eingeleitet habe. "Wir wollen der Sache auf den Grund gehen", sagte er zu anwesenden Journalisten.
Der Hauptsitz der NSPA mit ihren mehr als 1500 Mitarbeitern befindet sich in Luxemburg, sie verfügt jedoch über weitere Standorte in verschiedenen europäischen Ländern. Die Agentur leistet nicht nur logistische Unterstützung für NATO-Operationen und -Missionen, im Namen der Mitgliedsstaaten kann sie außerdem Rüstungsverträge aushandeln.
Durch eine effiziente Bündelung der Nachfrage sollen solche gemeinsamen Beschaffungsinitiativen den Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten die Gelegenheit geben, Geld zu sparen. Laut NATO erwirtschaftet die Agentur selbst dabei weder Gewinne noch Verluste.
Im vergangenen Jahr unterzeichnete die NSPA im Auftrag mehrerer Mitgliedsstaaten einen Vertrag für Stinger-Flugabwehrraketen im Wert von 624 Millionen Euro. Der ehemalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte die Vereinbarung laut Nachrichtenagentur Reuters im Mai 2024 bekanntgegeben, ohne die Namen der beteiligten Länder zu nennen.
Verteidigungsexpertin Francesca Grandi von der regierungsunabhängigen Organisation Transparency International sieht die laufenden Ermittlungen der NATO unabhängig von ihrem Ergebnis als "wertvolle Erinnerung" daran, wie wichtig es sei, die Vergabe von öffentlichen Geldern für die Verteidigung gründlich zu kontrollieren. "Dieser Fall kommt gewissermaßen zur rechten Zeit, denn er erinnert uns daran, wie wichtig Transparenz ist", betont sie.
Schlechtes Timing für die NATO
Für die NATO allerdings kommt der Zeitpunkt ungelegen. Angesichts der massiven militärischen Aufrüstung Russlands in seinem Krieg gegen die Ukraine befinden sich die NATO-Staaten inmitten eines voraussichtlich jahrelangen Booms bei den Verteidigungsausgaben.
Von US-Präsident Donald Trump unter Druck gesetzt werden sich die 32 Mitgliedstaaten auf dem nächsten NATO-Gipfel vermutlich verpflichten, mindestens 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Dies wäre eine erhebliche Steigerung gegenüber der aktuellen Verpflichtung von 2 Prozent und den gegenwärtig durchschnittlichen Ausgaben von 2,7 Prozent des BIP.
Im vergangenen Monat veröffentlichten Zahlen der NATO zufolge gab das Bündnis im Jahr 2024 insgesamt 1,16 Billionen Euro für Verteidigung aus.
Die Europäische Union, deren Mitglieder zwei Drittel der NATO-Mitgliedsstaaten stellen, bereitet sich währenddessen ebenfalls auf eine große Ausgabewelle vor. Die Europäische Kommission hat angekündigt, die hervorragende Bonität der EU nutzen zu wollen, um Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro aufzunehmen. Diese sollen die 27 EU-Mitgliedsstaaten dabei unterstützen, weitere 800 Milliarden Euro in die Verteidigung zu investieren.
Mehr Geld, mehr Probleme für den Verteidigungssektor
Da in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Hunderte von Milliarden in die Verteidigungsindustrie fließen werden, werden öffentliche Institutionen wahrscheinlich enorm unter Druck geraten, potenzielle Korruptionsrisiken in den Griff zu bekommen.
Wegen des hohen Grads der Geheimhaltung bei Regierungsverträgen, den außerordentlich hohen Geldbeträgen und der heiklen Verhandlungen ist gerade der Verteidigungssektor weltweit anfällig für Korruption, beklagt Grandi.
Europa ist da keine Ausnahme. Bei Verteidigungs- und Sicherheitsverträgen kommen auf nationaler wie auch auf EU-Ebene die Mechanismen, die bei anderen Beschaffungsprozessen für Transparenz sorgen sollen, oft nicht zur Anwendung.
So hat das Europäische Parlament beispielsweise nicht die übliche Haushaltskontrolle über die Gelder, die der Ukraine über die Europäische Friedensfazilität für ihren Verteidigungsbedarf zur Verfügung gestellt werden. Über den Mechanismus, der sich außerhalb des EU-Haushalts befindet, wurden bereits mehr als 10 Milliarden Euro an Kyjiw überwiesen.
Transparency International ist generell sehr besorgt über die mangelnde Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger für Transparenz und Aufsicht, angesichts der zunehmenden Verteidigungsausgaben, betont Grandi. Gleichzeitig verstärkt die Rüstungsindustrie ihre Lobbyarbeit.
"Das Risiko einer mangelnden Aufsicht besteht darin, dass wir am Ende eine Verteidigungsarchitektur haben, die die Sicherheit der Bürger nicht so gewährleistet, wie sie es tun sollte, die ineffizient ist, die Geld verschwendet, aber auch Raum für Machtmissbrauch und unzulässige Einflussnahme schafft", warnt die Verteidigungsexpertin.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.