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Politik

Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy

Catherine Martens
21. März 2018

Die Franzosen wissen, dass ihre Politiker Gelder aus allen erdenklichen Quellen bekommen. Dass es bei Nicolas Sarkozy nun aber auch Diktatoren gewesen sein sollen, könnte die französische Toleranzgrenze überschreiten.

Nicolas Sarkozy in Libyen mit Gaddafi
Bild aus alten Zeiten: Der damalige Präsident Nicolas Sarkozy mit Muammar al-Gaddafi im Jahr 2007.Bild: AP

Es geht um viel Geld: Bis zu 50 Millionen Euro soll Sarkozy für seinen siegreichen Wahlkampf 2007 vom ehemaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi bekommen haben. Die französische Justiz ist aufgekratzt, nach zwei Tagen in Polizeigewahrsam hat sie ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Staatspräsidenten eröffnet. Sarkozy werden "passive Korruption", unerlaubte Wahlkampffinanzierung und Unterschlagung öffentlicher libyscher Gelder vorgeworfen. Untersuchungsrichter gehen dem Verdacht bereits seit April 2013 nach, zum großen gesellschaftlichen Aufschrei hat es in Frankreich bisher nicht gereicht.

"Moral hat in der französischen Politik keinen Platz", spitzt es der Politologe Jérome Sainte-Marie zu. Der Anspruch an Politiker im Sinne des durch und durch modellhaften Handelns hält sich in Frankreich traditionell in Grenzen. "Sarkozy ist mitnichten der Erste, der sich sein Geld auf unorthodoxe Art organisiert. Gerade bei Präsidentschaftswahlen zirkuliert das Geld", so der Politologe der Pariser Denkfabrik PollingVox gegenüber der DW.

Kampf gegen Korruption per Gesetz

Die französische Justiz dagegen kämpft seit den frühen 90er-Jahren gegen diese laxe Haltung. Seit den sogenannten Rocard-Gesetzen - benannt nach dem ehemaligen Premierminister Michel Rocard - müssen Wahlkampfmittel und Parteienfinanzierung offengelegt werden. Fließen unerlaubt hohe Summen kann nach französischem Recht die Wahl eines Bürgermeisters etwa bis zu einem Jahr lang annulliert werden.

Das funktioniert auf lokaler Ebene – so musste der sozialistische Politiker Jack Lang einst auf das Amt des Pariser Bürgermeisters verzichten. Das Problem, so Pascal Perrineau, Politologe der Pariser Universität Sciences Po, auf nationaler Ebene sei diese Praxis politisch nicht durchsetzbar.

Finanzieller Filz zwischen Politik und Wirtschaft

Seit Bestehen der Fünften Republik würden sich intransparente Parteienfinanzierung und Veruntreuung öffentlicher Gelder wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen, so Politikexperte Sainte-Marie. Das reiche vom rechts-konservativem Lager bis zu den Kommunisten. "Was zählt, ist der politische Kampf. Können sich die Franzosen darin wiederfinden, sind sie zu Kompromissen bereit."

Charles de Gaulle - von 1959 bis 1969 Präsident der Fünften RepublikBild: AFP/Getty Images

Dem General Charles de Gaulle, Gründer der Fünften Republik und einer der bedeutendsten französischen Politiker des 20. Jahrhunderts, wird beispielsweise nachgesagt, er habe jede private Briefmarke peinlich genau abgerechnet und aus eigener Tasche gezahlt - vorbildlich. Allerdings war es auch stets ein offenes Geheimnis, dass die Gaullisten von finanzieller Zuwendung der Maghrebstaaten profitierten.

Ein Mineralölkonzern als Geldgeber

Gestört hat dies nie. War de Gaulle doch Sinnbild der "Résistance", der von London aus "das freie Frankreich" ausrief. Auch dass der erste Präsident der Fünften Republik für seine Partei RPR in großem Stil Geld des staatlichen Mineralölkonzerns Elf erhielt, wurde stets billigend in Kauf genommen.

Diese immer wieder als inzestuös beschriebene Beziehung zu Elf wurde dann von dem sozialistischen Präsidenten Francois Mitterrand weitergestrickt. Er sorgte dafür, dass Elf allen französischen Parteien finanziell unter die Arme griff. Dies führte nicht zu einem Ende seiner politischen Karriere. Viel zu sehr diente Mitterrand als sozialistische Identifikationsfigur einer ganzen Generation.

Auch der konservative Jacques Chirac war als Präsident immer wieder verstrickt in den Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder. In Ungnade fiel er deswegen bei seinen Wählern nicht.

Moral, in der französischen Politik kein Maßstab

"Es ist der politische Zweck, der zählt. Nicht, ob der Politiker an sich ein moralisch einwandfreier Mensch ist", so Sainte-Marie. Finanzielle Affären können nur dann zu politischen Fallstricken werden, wenn Parteifreunde darauf abzielen, Widersacher gezielt zu stürzen, so Pascal Perrineau von Sciences Po Paris.

Jacques Chirac: Trotz Korruptionsvorwürfe bei den Wählern nie in Ungnade gefallenBild: Imago/IP3press

Dass an die Behörden durchgestochene Informationen Karrieren schnell beenden können, sieht man am jüngsten Beispiel des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon. Dabei ging es um weit weniger große Summen als bei Sarkozy. Fillon muss dennoch den Hut nehmen.

Nähe zu Geld ist kein Problem

Für Nicolas Sarkozy war verzichten nie ein Option. Sein Ass im Ärmel waren und sind seine einflussreichen und finanzstarken Freunde. Aus seiner Nähe zur französischen Plutokratie wie etwa zum Industriellen Vincent Bolloré oder zu Martin Bugyues, dem Bau- und Telekommagnaten oder auch der Milliardärin und Loréal-Erbin Liliane Bettencourt macht der ehemalige Präsident nie ein Geheimnis. Die Franzosen lassen ihn gewähren.

Ihn unterschieden zwei Dinge von seinen Vorgängern, so Sainte-Marie: Zum einen der offensichtliche Stil, sich an der Seite der Mächtigen zu zeigen. Für die Franzosen habe dies schlicht von schlechtem Geschmack gezeugt. "Es bringt ihm den Ruf eines Bling-Bling Präsidenten, aber ernsthafte Verluste bei seinen Anhängern bleiben aus", analysiert Jérome Sainte-Marie.

Schwerwiegender sei seine Politik in Libyen gewesen. Dass er dort intervenierte, verzeihen ihm bis heute viele Franzosen nicht. "Solange ein Präsident mit seiner Politik einen Nerv trifft, so der Politologe Sainte-Marie , fragt keiner danach, woher das Geld kommt". Doch Sarkozy kreiden viele Franzosen fatale politische Fehlentscheidung an. In diesem Licht betrachtet könnte es gut sein,  so Sainte-Maries Analyse, dass Sarkozys Spendenaffäre doch noch das Zeug zum politischen Skandal hat.

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