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Politik

Ernüchterung im Kampf um Mossul

Birgit Svensson
25. November 2016

Die irakische IS-Hochburg Mossul sollte bis Jahresende zurückerobert sein. Doch nun muss die irakische Regierung zurückrudern. Schiitische Milizen sorgen zudem für weitere Spannungen. Von Birgit Svensson, Bagdad.

Ein Panzerfahrzeug vor Mossul (Foto: Reuters/T. Al-Sudani)
Bild: Reuters/T. Al-Sudani

Die Reaktion kam prompt. Nur wenige Stunden nachdem Schiitenmilizen im Kampf um Mossul den Ring um die Stadt geschlossen hatten, explodierte am Donnerstag rund 500 Kilometer weiter südlich in Schomali eine Autobombe. Mehr als 70 Menschen wurden in den Tod gerissen. Es waren Pilger, die aus der für Schiiten heiligen Stadt Kerbela kamen und ihre Heimfahrt nach Bagdad antreten wollten. Am Abend zuvor hatte Iraks Premier Haidar al-Abadi vor der Presse noch erklärt, man habe die jährliche 40-tägige Pilgerreise gut in den Griff bekommen - "ohne nennenswerte Zwischenfälle".

Glücklich sah Abadi allerdings nicht aus bei seinem Auftritt. Ja, der Ring um Mossul sei jetzt geschlossen worden, sagte der Regierungschef. Und ja, der eigentliche Kampf um die ehemals zweitgrößte Stadt des Landes werde jetzt erst beginnen. Doch die Zuversicht, die Abadi noch vor gut einem Monat versprühte, als am 17. Oktober die Schlacht um Mossul begann, ist verpufft. Es läuft nicht so gut, wie er es prophezeit hatte. Von seiner ursprünglichen Ankündigung, die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staat (IS) werde noch vor Ende des Jahres im Irak besiegt sein, rückte Abadi ab.

Die bittere Realität im Kampf um Mossul

Es werde länger dauern, als er gedacht habe, musste er auf der Pressekonferenz zugeben. Sein Eingeständnis steht im Widerspruch zu den Jubelmeldungen irakischer Medien, die in den letzten Wochen nicht müde wurden, Erfolgsmeldungen zu verbreiten. Fast täglich hörte und las man über zurückeroberte Dörfer rund um Mossul, über unzählige getötete IS-Kämpfer, gar über irakische Flaggen, die mitten in der Stadt gehisst worden sein sollen. So entstand der Eindruck, der Sieg über den IS ist nahe.

Iraks Premierminister Haider Al-Abadi bei einer Pressekonferenz am 14.10.2016 in Kirkuk

Doch im Kampf um Mossul gibt es eine andere Seite: Scharfschützen, Autobomben, Raketen und mit Öl gefüllte Schützengräben, die nur auf ein Streichholz warten, um die heranrückenden Regierungstruppen auszubremsen. Mit jedem Vorstoß der irakischen Armee, der kurdischen Peschmerga und der westlichen Anti-IS-Allianz wird der Widerstand der Dschihadisten stärker. In einige zurückeroberte Gebiete fallen IS-Kämpfer sogar wieder ein. Geheimtunnel, die Siedlungen und Straßenzüge verbinden, dienen als Manövrierwege, ein brennendes Sulfat-Werk legte tagelang die Kampfhandlungen lahm. Die Opfer auf Seiten der Regierungstruppen bleiben ungenannt. Nur die Särge, die fast täglich im nördlichen Erbil bis unten im Süden in Basra ankommen, sprechen eine eindeutige Sprache.   

Schiitische Milizen durchkreuzen US-Pläne

Zivilisten gehen zum befreiten Viertel Kirkukil in MossulBild: DW/F. Neuhof

Iraks Regierungschef Abadi steht unter Druck. Selbst die Erfolgsmeldung, dass der Ring um Mossul nun gänzlich geschlossen wurde und dem IS damit die Versorgungswege abgeschnitten sind, kann der Premier nicht bejubeln. Denn es waren nicht seine Truppen, die diesen Erfolg möglich machten, sondern die Hashid al-Shaabi, die Schiitenmilizen. Deren Einsatz birgt zudem eine Menge Konfliktstoff. Denn über die "Volksmobilisierungskräfte", wie sie auch genannt werden, gibt es großen Unmut. Zum einen, weil sie in den von ihnen eroberten Gebieten Herrschaftsansprüche stellen, Menschen willkürlich bestrafen und festhalten. Zum anderen, weil sie jegliche Kooperation mit dem US-Militär ablehnen. Diese wollten einen Korridor von Mossul hin nach Syrien offenhalten, den die Schiitenmilizen jetzt geschlossen haben. Weder die Einwohner Mossuls, noch flüchtende IS-Kämpfer können fortan aus der Stadt entkommen.

Es droht ein humanitäres Desaster. Das Kalkül der Amerikaner, die die Luftangriffe im Zusammenspiel mit den Bodentruppen koordinieren, war dagegen folgendes: Je mehr Dschihadisten aus Mossul fliehen, umso geringer werde der Widerstand, umso mehr würde die Zivilbevölkerung geschont werden. Doch der Iran und die Hashid-Schiitenmilizen, die vornehmlich von Iran bezahlt werden, blockieren diesen Plan. Die Regierung in Teheran befürchtet, dass weitere sunnitische Extremisten in Syrien die Position ihres Schützlings Baschar al-Assad gefährden könnte.

Rätselraten nach Fund von Waffenlager 

Für weitere Brisanz sorgen Funde westlicher Waffen in vom IS zurückeroberten Gebieten. Schon lange kursiert im Irak das Gerücht, die Terrormiliz habe sich Waffen aus Nato-Staaten besorgt. Ein Team der Organisation "Conflict Armament Research" (CAR), die die Herkunft der Waffen in Konfliktregionen untersucht, ist nun in Karakosch fündig geworden. Die ehemals von 50.000 Christen bewohnte Stadt, die rund 40 Kilometer von Mossul entfernt liegt, war mehr als zwei Jahre in der Hand der Dschihadisten und konnte kürzlich befreit werden. Ein vom CAR dort entdecktes Waffenlager  bestätigte, dass der IS im Besitz westlicher Waffen und Munition war.

Menschen flüchten vor dem ISBild: Reuters/T. Al-Sudani

Zurückgelassene, leere Munitionsschachteln hätten demnach Auskunft über Art und Herkunft der Waffen gegeben. Die Waffen wiesen Seriennummern und Beschickung auf und sollen eindeutig aus westlicher Produktion stammen. Aber wie genau konnte der IS sie in seinen Besitz bringen? Die Organisation "Conflict Armament Research" will nun den Weg verfolgen, den die Waffen vom Hersteller bis in die Konfliktzone genommen haben. Möglicherweise sind sie von Rebellen, die vom Westen bewaffnet wurden, in die Hände des IS im Irak gelangt. Eine Gefahr, vor der die irakische Regierung von Anfang an gewarnt hat.        

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