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Ersatzausweis statt roter Balken

Bernd Gräßler14. Januar 2015

Die Bundesregierung will potentiellen deutschen Dschihadisten den Personalausweis entziehen. Juristen halten dies für bedenklich. Die Grünen meinen, besser wäre es, wenn die Ausreisesperren funktionieren würden.

Präsentation des Ersatzpersonalausweis durch Thomas de Maizière (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Rund 600 gewaltbereite Dschihadisten aus Deutschland sind nach neuesten Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière bisher in den Nahen Osten gereist, um sich dort dem "Islamischen Staat (IS)" anzuschließen. Künftig soll deshalb allen Deutschen, die verdächtig sind, in den Heiligen Krieg ziehen zu wollen, der Personalausweis entzogen werden, beschloss die Regierung am Mittwoch. Die sogenannten "Gefährder" sollen einen Ersatzausweis bekommen, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen.

Der Gesetzentwurf, der noch durch den Bundestag muss, ist kein Schnellschuss als Reaktion auf die Paris-Attentate, sondern wurde im Bundesinnenministerium länger vorbereitet. Auslöser war eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates vom September 2014, die alle Staaten auffordert, "Bewegungen von Terroristen oder terroristischen Gruppen zu verhindern" und "der von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgehenden Bedrohung zu begegnen". Dies zwang auch die Bundesregierung zum Handeln, denn aus Deutschland hat sich in den letzten Monaten eine steigende Zahl von Terrorismusverdächtigen Richtung Syrien und Irak auf den Weg gemacht, vorzugsweise via Türkei.

"Export von Terrorismus aus Deutschland verhindern"

Kritikern aus der Opposition, die den Entzug des Personalausweises für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sehen, hielt de Maizière am Mittwoch in einer Fragestunde des Bundestages entgegen: "Ich finde es nicht unverhältnismäßig, wenn wir einen Beitrag dazu leisten, dass aus Deutschland kein Export von Terrorismus stattfindet".

Deutsche Dschihadisten bei der Ausbildung in TerrorlagernBild: picture-alliance/dpa

Bislang erlaubt das Gesetz lediglich, Terrorismusverdächtigen den Reisepass wegzunehmen. Viele deutsche Dschihadisten reisten und reisen jedoch mit dem Personalausweis in die Türkei ein und von dort weiter nach Syrien und Irak.

Der nun vom Kabinett beschlossene Entzug des Personalausweises gilt unter Juristen als heikel. Wer den Ausweis nicht mehr hat, darauf verweist der Passauer Rechtswissenschaftler Gerrit Hornung gegenüber der DW, kann viele Alltagssituationen nicht mehr bestreiten, von der Entgegennahme eines Pakets bis zur Registrierung in einem Hotel oder der Einrichtung eines Bankkontos. Dies sei im Normalfall ein "nicht zu rechtfertigender Eingriff in Persönlichkeitsrechte".

Ein Ersatzpapier, wie es Innenminister de Maizière jetzt einführen will, berge andererseits die Gefahr der Stigmatisierung. Und zwar, so Hornung, wenn dieser Ersatzausweis nur für eine besondere Personengruppe ausgestellt wird und damit bei Vorlage beispielsweise erkennbar wird, dass es sich bei dem Betreffenden um einen islamistischen "Gefährder" handelt.

Kein roter Balken auf dem Ausweis

Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach aber von einer "grundrechtsschonenden Variante" des Ersatzpapiers. Man habe nicht beschlossen, den Personalausweis mit einem roten Balken und der Aufschrift "Gilt nur für Deutschland" zu versehen, sondern der Ersatzausweis sehe "optisch genauso aus" wie der vorläufige Personalausweis, der einem Touristen ausgestellt werde, der auf Mallorca seinen Ausweis verloren habe. Allerdings stehe auf dem vorläufigen Ausweis der "Gefährder" auf der letzten Seite in allen wichtigen europäischen Sprachen "Berechtigt nicht zum Verlassen Deutschlands".

Innenpolitiker der Grünen sehen in dem Gesetz vor allem "Symbolpolitik". Besser als den Verdächtigen ihren Personalausweis zu entziehen sei es, die Überwachung von Ausreisesperren länderübergreifend effektiver zu machen, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic. Sie kritisierte, dass Ausreisesperren bisher nicht im Informationssystem der Schengen-Staaten erfasst sind. Laut de Maizière sei dies zwar technisch möglich, die juristische Klärung könne jedoch zwei Jahre dauern. Soviel Zeit habe man nicht.

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