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Erstarkte Rechtsparteien, abgestrafte Regierungen

Regina Mennig26. Mai 2014

Besonders die Wahlergebnisse in Frankreich und Großbritannien sorgen für Aufsehen. Aber auch in anderen EU-Ländern feiern Rechtspopulisten Stimmengewinne - während die Regierungen einen Denkzettel bekommen haben.

Morten Messerschmidt von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei schiebt einen Vorhang beiseite (Foto: Getty Images)
Morten Messerschmidt, EU-Abgeordneter der Dänischen VolksparteiBild: Bax Lindhardt/AFP/Getty Images

Tage nach einer Wahl sind Tage, an denen das Wort "historisch" häufiger als sonst bemüht wird. Gerade taucht es in den Schlagzeilen quer durch Europa auf - allerdings beschreibt es die unterschiedlichsten Zustände. Von einem "historischen Sieg" spricht Nigel Farage, Chef der EU-feindlichen UKIP, angesichts des Wahlergebnisses seiner Partei in Großbritannien. "Eine historische Strafe", titelt die spanische Zeitung "El Mundo" am Montag (26.05.2014) und zielt damit auf den Stimmenrückgang der beiden etablierten Parteien, der regierenden konservativen Volkspartei PP und der sozialdemokratischen Oppositionspartei PSOE. Zuwachs für Rechtspopulisten und Europaskeptiker, ein Dämpfer für die Regierungsparteien: Das sind zwei Trends, die in einigen EU-Ländern zu beobachten sind.

Nicht nur in Frankreich erstarken rechte Parteien

Der Erdrutschsieg der EU-feindlichen UKIP in Großbritannien und des rechtsextremen Front National in Frankreich stehen zwar im Zentrum der Aufmerksamkeit, doch in Dänemark herrschen nach der Europawahl ähnliche Verhältnisse: Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei DF wurde mit 27 Prozent stärkste Kraft des Landes und liegt damit deutlich vor der sozialdemokratischen Partei von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, die auf 20 Prozent der Stimmen kam. Einer anti-europäischen Allianz von Rechtspopulisten im EU-Parlament will sich die DF aber offenbar nicht anschließen.

In Ungarn feiert der rechtskonservative Ministerpräsident Viktor Orban sich und seine Regierungspartei Fidesz als Wahlsieger. "Wir haben gewonnen, wir haben deutlich gewonnen, wir haben am höchsten gewonnen", rief er seinen Anhängern in Budapest zu. Die Fidesz-Partei erreichte 51,5 Prozent der Stimmen und erhält damit 12 der 21 Mandate, die Ungarn im Europäischen Parlament in Straßburg hat. Dort gehört die Fidesz-Partei zur Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Die rechtsextreme ungarische Partei Jobbik überholte mit 14,7 Prozent erstmals bei einer Wahl die sozialistische Partei MSZP (10,9 Prozent) - blieb aber gleichzeitig sechs Prozentpunkte hinter ihrem Ergebnis bei den ungarischen Parlamentswahlen im April zurück.

Feiert sich als Wahlsieger: Der ungarische Ministerpräsident Viktor OrbanBild: Reuters

Deutlich zugelegt haben die rechten Parteien in Österreich und Schweden. In Österreich kam die rechtspopulistische FPÖ auf 20,5 Prozent; ein Stimmenzuwachs von 7,8 Prozent im Vergleich zur Wahl von 2009. Ein Rekordergebnis (15,1 Prozent) fuhren allerdings auch die österreichischen Grünen ein. Stärkste Kräfte im Land bleiben wie bisher die Volksparteien FPÖ und SPÖ. In Schweden erreichte die rechtspopulistische Partei der "Schwedendemokraten" 9,7 Prozent der Stimmen und wird damit erstmals ins Europaparlament einziehen. Herbe Verluste musste dagegen die Regierungspartei des Landes hinnehmen. Die "Moderate Sammlungspartei" von Ministerpräsident Frederik Reinfeldt kam auf 13,6 Prozent - Wahlsieger wurden die Sozialdemokraten mit 24,4 Prozent. Wenige Monate vor den Parlamentswahlen im September wird dieses Ergebnis als herber Dämpfer für die schwedische Regierung gewertet. Und die ist nicht die einzige, die bei der Europawahl abgestraft worden ist.

Krisenländer strafen ihre Regierungen ab

In den südeuropäischen Krisenländern haben die Wähler den Regierungsparteien heftige Denkzettel verpasst. In Griechenland verdrängte die Linksallianz Syriza die Nea Dimokratia von Regierungschef Antonis Samaras als stärkste Kraft und fordert nun vorgezogene Neuwahlen. In Portugal landete die Regierungskoalition aus der sozialdemokratischen PSD und der konservativen CDS-PP mit 27,7 Prozent hinter der Sozialistischen Partei PS (31,45 Prozent). Und auch im Nachbarland Spanien haben die Volksparteien zugunsten linker Parteien an Stimmen verloren. Während die sozialdemokratische PSOE das schlechteste nationale Ergebnis ihrer Geschichte einfuhr, konnte die dritte Kraft im spanischen Parlament, die Vereinte Linke (IU), die Zahl ihrer Europaabgeordneten auf sechs verdreifachen. Und der Coup gelang der erst vor wenigen Monaten gegründeten, linksgerichteten "Podemos": Sie schaffte auf Anhieb den Sprung ins Europaparlament und zieht mit gleich fünf Vertretern nach Straßburg. In Italien hat sich die euroskeptische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo mit 21,2 Prozent auf Platz zwei geschoben, hinter die Demokratische Partei des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi (40,8 Prozent).

Auf Anhieb im Europaparlament: Die spanische Partei "Podemos" feiert ihren WahlerfolgBild: picture-alliance/dpa

Zu den Ländern, in denen die Regierungsparteien herbe Verluste hinnehmen mussten, gehören auch Luxemburg oder Irland. In Luxemburg profitierte davon die oppositionelle Christlich-Soziale Volkspartei des einstigen Regierungschefs und europäischen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker. In Irland waren unabhängige Bewerber die Nutznießer des Stimmenverlusts der konservativen Fine-Geal-Partei und der mit ihr regierenden Sozialdemokraten; auch die linksgerichtete Sinn-Fein-Partei legte zu.

Tiefpunkte der Wahlbeteiligung in Osteuropa

Die Wahlbeteiligung der Europawahl liegt nach vorläufigen Berechnungen bei 43,9 Prozent - eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2009, als 43 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gingen. Der Negativrekord liegt in der Slowakei, dort machten nur 13 Prozent der Wähler von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Auch im benachbarten Tschechien erreichte die Wahlbeteiligung zehn Jahre nach dem EU-Beitritt mit 18,2 Prozent einen Tiefpunkt. Nur geringfügig darüber liegt der Wert in Polen, wo 22,7 Prozent zur Wahl gingen. Einen leichten Anstieg der Wahlbeteiligung verzeichneten Frankreich (43,5 Prozent), Großbritannien (36 Prozent) und Griechenland (58,2 Prozent).