Rizin ist eines der stärksten Gifte der Welt. Aber nicht für diesen 20-jährigen Mann im Uniklinikum Münster: Ein erblicher Stoffwechseldefekt schützt ihn vor der tödlichen Substanz. Forscher haben entschlüsselt, wieso.
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Es braucht nur wenige Milligramm Rizin, um einen Menschen zu töten. Gespritzt, eingeatmet oder verschluckt, hindert es den Körper daran, lebenswichtige Eiweißstoffe herzustellen. Als Folge versagen das Zentralnervensystem, die Nieren, die Leber oder andere Organe. Der Tod durch Herz-Kreislauf-Schock oder Organversagen tritt innerhalb weniger Tage ein.
Bisher existiert kein offizielles Gegengift. Und was Rizin in Bezug auf bioterroristische Anschläge noch schlimmer macht, ist die Tatsache, dass es relativ leicht zugänglich ist: Es lässt sich aus den Samen des Wunderbaums isolieren. Rizin ist als Kriegswaffe gelistet.
Ein bekanntes Rizin-Opfer ist der bulgarische Schriftsteller und Dissident Georgi Markov. Ein Agent des bulgarischen kommunistischen Geheimdienstes hatte ihn 1978 auf der Waterloo Bridge in London vergiftet. Mit der Spitze eines umgebauten Regenschirms schoss er ihm eine Rizinkapsel ins Bein.
Es gibt nur sehr wenige Menschen auf der Welt, die einen solchen Anschlag überlebt hätten. Einer von ihnen ist Patient am Universitätsklinikum in Münster.
Ein ganz besonderer Patient
Das Universitätsklinikum Münster nennt ihn Jakob, auch wenn er anders heißt. Er ist 20 Jahre alt und wird seit seiner Geburt im Universitätsklinikum behandelt. Er kam damals als Frühchen zur Welt.
"Mit ihm war immer was", sagte seine Mutter der Deutschen Presse-Agentur dpa. Jakob musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen und hatte zudem häufig hohes Fieber. "Wir konnten uns lange nicht erklären, warum er immer wieder das Fieber hat", erinnerte sich Jakobs Arzt Thorsten Marquardt, der am Uniklinikum Münster den Bereich Angeborene Stoffwechselerkrankungen leitet.
Schließlich kamen die Ärzte darauf, was Jakob fehlte: Er hat einen Gen-Defekt, der ihn daran hindert, den Zucker Fucose herzustellen. "Es gibt nur zwei weitere Menschen auf der Welt, von denen bekannt ist, dass sie den gleichen Defekt haben", sagte Marquardt. Sie leben beide in Israel. Das Fehlen des Zuckers Fucose macht ihre Zellen immun gegen Rizin – so wie auch Jakobs Zellen.
Immun durch Zuckermangel
Einmal im Inneren des Körpers angekommen, bindet Rizin an Zuckermoleküle, die überall auf den Oberflächen der Körperzellen angebracht sind. Solange das Gift außerhalb der Zellen verbleibt, ist alles in Ordnung.
"Ein Problem wird es, wenn Rizin an Rezeptoren bindet, also körpereigene Moleküle, die ständig zwischen dem Inneren und dem Äußeren der Zelle hin- und herhüpfen", sagt Johannes Stadlmann, Forscher am Institut für molekulare Biotechnologie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, der DW. "Sie bringen Rizin in die Zelle."
Hat das Gift auf diese Art Zugang zur Maschinerie der Zellen bekommen, beginnt es, die Synthese lebenswichtiger Bausteine zu blockieren. Wie Stadlmann und seine Kollegen entdeckten, verändert der Zucker Fucose das Aussehen des Rezeptors derart, dass Rizin besonders gut an ihn binden kann. Je mehr Fucose da ist, desto giftiger wird also Rizin.
Ein- und ausschaltbar
Die Wiener Forscher erfuhren von Jakobs Existenz und baten Thorsten Marquardt in Münster, ihnen ein paar Hautproben des Patienten zu schicken. Und tatsächlich: Es passte alles zusammen. "Seine Zellen enthalten keine Fucose", erzählt Stadlmann, "daher ist er immun gegen Rizin."
Der Stoffwechseldefekt hat allerdings seinen Tribut gefordert: Als die Ärzte endlich heraus hatten, was mit Jakob nicht stimmte, war seine Entwicklung bereits irreparabel beeinträchtigt; er kann nur schlecht laufen und sprechen.
Inzwischen behandeln die Ärzte ihn mit Fucose. Sie führen seinem Körper den Zucker, den er so dringend braucht, künstlich zu. Seinen Ärzten zufolge hat die Behandlung seine Lebensqualität stark verbessert. Die Therapie hat allerdings einen Nebeneffekt, wie Stadlmann betont: Solange Jakob das Zuckersupplement erhält, ist Rizin wieder giftig für ihn.
Zeitweise immun
In Tierversuchen mit Mäusen zeigten Stadlmann und sein Team, dass sie eine Immunität auch von außen herbeiführen können. Sie spritzten den Mäusen einen Hemmstoff gegen Fucose; daraufhin wurden die Tiere zeitweise immun gegen Rizin.
Stadlmann betont, dass es nicht leicht war, die behördliche Genehmigung für diese Art von Tierversuch zu bekommen. "Wir durften den Tieren auch nur die Minimaldosis Rizin füttern." Es durfte nur gerade so viel sein, dass man eine Wirkung sah, ohne die Tiere jedoch zu töten.
Die Ergebnisse legen nahe, dass sich Tiere und vermutlich auch Menschen mit einer einfachen Spritze gegen das Gift immun machen lassen. "Das wirkt allerdings nur prophylaktisch", fügt Stadlmann hinzu. Wenn jemand das Gift bereits aufgenommen hat, ist es zu spät. Die Forscher hoffen aber, dass ihre Erkenntnisse auch dabei helfen, endlich ein geeignetes Gegengift zu entwickeln.
Vom Labor in die Wirklichkeit
Stadlmann hat Jakob niemals persönlich getroffen – aber er erinnert sich noch an den Tag, als er das erste Mal ein Foto von ihm sah, das Marquardt ihm geschickt hatte. "Das war unheimlich berührend", erzählt er.
Den Patienten zu sehen, der mit einer Krankheit leben musste, die Stadlmann im Labor miterforscht hatte, war ein besonderer Moment. "Und es war schön zu sehen, dass alles mit Zuckermolekülen zusammenhängt und dass dieses Wissen dem Patienten auch tatsächlich helfen kann."
Drogen aus dem Labor von Mutter Natur
Nicht Chemiker, sondern die Natur selbst stellt die gefährlichsten Stoffe her. In Blüten, Samen und Blättern stecken die berauschendsten Substanzen - und manchmal auch die tödlichsten. Finger weg!
Bild: Fotolia/Opra
Nutzpflanze mit Drogenzusatz
Die Hanfpflanze enthält das psychoaktive Tetrahydrocannabiol (THC). Es löst Euphorie aus, entspannt und kann auch Schmerzen lindern. Besonders viel THC enthalten die Blüten und blütennahen Blätter der unbefruchteten weiblichen Pflanze. Hauptsächlich daraus wird Hasch hergestellt. Es gibt auch Hanfarten, die kein THC enthalten. Aus ihnen stellt man zum Beispiel Fasern her.
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Früher ein Schlafmittel für Kinder
Sein Name verrät, wofür er in der Antike benutzt wurde: der Schlafmohn. Die unreifen Samenkapseln der Pflanze werden angeritzt. Wenn der Milchsaft herausläuft und trocknet, entsteht Roh-Opium. Die braun-schwarze Masse enthält unter anderem Morphin, das stärkste Schmerzmittel, das es gibt. Die chemische Nachbehandlung von Opium liefert das halbsynthetische Heroin.
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Zauberpilz gefällig?
Pilze sind wahre Chemie-Künstler - kein Wunder, dass einige Arten auch psychoaktive Substanzen herstellen. Zum Beispiel dieser Graue Dachpilz (Pluteus salicinus), ein Giftpilz. Er stellt Psilobycin her. Die Substanz verursacht visuelle Halluzinationen, die einem LSD-Rausch ähneln. Nebenwirkungen sind Übelkeit, Panikattacken und Psychosen.
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Drogensnack für unterwegs
Die Blätter des Cocastrauchs enthalten chemische Verbindungen, die mit Kokain verwandt sind. Sie stillen Schmerzen und wirken anregend. In vielen lateinamerikanischen Ländern ist das Kauen von Cocablättern weit verbreitet. Durch Fermentation, Trocknen und chemischer Aufarbeitung entsteht schließlich Kokain.
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Hübsche Blüten mit Giftwirkung
Engelstrompeten sind schön anzusehen - aber sie sind giftig. Alle Pflanzenteile enthalten Alkaloide, chemische Verbindungen mit starken Wirkungen auf den menschlichen Körper. Wird die Pflanze gegessen oder geraucht, steigt der Herzschlag und es kommt zu Halluzinationen. Wie bei allen Naturdrogen ist der Wirkstoff nur schwer zu dosieren - daher sind tödliche Unfälle nicht selten.
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Tolle Kirsche
Auch die Tollkirsche enthält giftige Alkaloide, vor allem Atropin. Es lässt das Herz schneller schlagen und stellt die Pupillen weit. Die Substanz wird bei Kreislaufstillständen eingesetzt, um den Patienten zu reanimieren. Rauschwirkungen treten bei hohen Konzentrationen ein - dann kommt es aber bereits zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen.
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Horrortrip mit Stechapfel
Im Internet taucht auch der giftige Stechapfel als Naturdroge auf: Er löst besonders ausgeprägte Halluzinationen aus. Berichten nach soll es bis zum totalen Realitätsverlust kommen. Nicht nur die Giftwirkung selbst ist dabei gefährlich, sondern auch die erhöhte Unfallgefahr bei solchen unkontrollierbaren Zuständen.
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Hawaiian Babies
Die Hawaiianische Holzrose stammt entgegen ihrem Namen aus Asien. Die Samen der Kletterpflanze enthalten den LSD-ähnlichen Wirkstoff Ergin. Es löst farbenprächtige Visionen und Euphorie aus, aber auch Übelkeit, Kribbeln und Psychosen. Überdosierungen passieren schnell, denn nur ein Samenkorn wirkt bereits halluzinogen. In Fachkreisen heißt die Naturdroge auch Hawaiian Babies.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/R. Koenig
Ekstase durch Kaktus
Der Peyote-Kaktus in Mittelamerika ist vollgestopft mit Meskalin, einer Substanz, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt. Sie löst Rauschzustände, Ekstase und Glücksgefühle aus. Dafür wird der Kaktus in dünne Scheiben geschnitten und gegessen oder als Tee aufgekocht. Die seltene Kaktusart wird inzwischen auf der Roten Liste als gefährdet geführt.
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Sehen harmlos aus, aber...
Auch Muskatnüsse können in hoher Menge wie ein Rauschmittel wirken, denn sie enthalten das Halluzinationen auslösende Myristicin. Aber keine Sorge: Wer Muskatnuss nur als Gewürz verwendet, wird niemals die rauschauslösende Dosierung erreichen. Wäre auch nicht zu empfehlen, denn es soll dann zu Kopfschmerzen, Erbrechen und Durchfall kommen.
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Diese Blätter sollen psychoaktiv sein?
Ja, sind sie. Der Kratombaum in Südostasien baut das berauschende Mitragynin in seine Blätter ein. Sie können gekaut, geraucht und als Tee getrunken werden. Die Ureinwohner Thailands benutzten die Blätter zur Behandlung von Durchfall. Daraus lassen sich aber auch Drogencocktails herstellen.
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Diese Pflanze tötet Millionen Menschen jedes Jahr
Auch die Tabakpflanze stellt giftige und süchtig machende Chemikalien her und lagert sie in ihre Blätter ein: Nikotin und andere Alkaloide. Mit dem Giftcocktail wehrt sich die Pflanze gegen Tiere, die sie auffressen wollen. Getrocknet und geraucht, gehen die Inhaltsstoffe in den Menschen über - zusammen mit vielen krebserregenden Stoffen, die bei der Verbrennung des Tabaks entstehen.