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Anlaufstelle für Asylbewerber

Karin Jäger23. März 2013

Die letzten Meter legen manche zu Fuß zurück. Andere reisen mit dem Taxi an, um sich zu registrieren. Die "Erstanlaufstelle für Asylbewerber" in Dortmund ist der erste Schritt, um in Deutschland Fuß zu fassen.

Asylbewerber besteigen einen Bus in der Erstanlaufstelle für Asylbewerber in Dortmund (Foto: DW)
Bild: DW/K. Jäger

Der Name ist in diesem Zusammenhang reiner Zufall. Auch, dass die Glückauf-Segen-Straße im Dortmunder Süden in einer Sackgasse endet. Rund um die Uhr steuern Menschen die Nummer 60 in der ehemaligen Bergbausiedlung an. Neben Dortmund gibt es in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) nur noch in Bielefeld eine Erstanlaufstelle.

Ein Container ist die erste Barriere für Flüchtlinge. Sie brauchen nur ein Wort sagen: "Asyl". Dann dürfen sie die Schranke passieren."Aus Afrika kommen meist männliche Bewerber, zwischen 20 und 30 Jahre alt, die dann hier für ihre in der Heimat gebliebenen Angehörigen Geld verdienen sollen", hat Murat Sivri beobachtet, der Leiter der Erstanlaufstelle: "Aus dem Nahen und Mittleren Osten melden sich eher Familien oder alleinreisende Frauen." Auch Shownm Mardani ist ohne Begleitung geflüchtet: Sie trägt ihr langes Haar offen. "Im Iran haben sie mich ein paar Mal festgenommen, weil die Haare unter der Kopfbedeckung hervor schauten." Sie wusste, dass sie kein Visum für eine legale Ausreise bekommen würde. Also ließ die Kurdin ihre 12-jährige Tochter zurück, gab ihr erspartes Geld an Fluchthelfer und vertraute sich, mit nur einer kleinen Tasche, dem ungewissen Schicksal der Menschenhändler an. Über die Türkei erreichte sie Deutschland. Eine Woche ist das her. Die Strapazen der Flucht hatten sie erschöpft. Jetzt sieht sie erstaunlich frisch und erholt aus. Die ersten Tage verbrachte die 37-Jährige bei Freunden in Köln, die sie mit Kleidung und etwas Modeschmuck ausgestattet haben.

Anmeldung der "Erstanlaufstelle für Asylbewerber" in DortmundBild: DW/Karin Jäger
Kam allein aus dem Iran: Shownm MardaniBild: DW/K. Jäger

"Angst hatte ich schon als Alleinreisende. Aber wenn ich dort hätte weiter leben müssen, hätte ich mehr Angst gehabt", erzählt die Frau mit den hellwachen Augen. Politisch und wirtschaftlich kam sie nicht zurecht. "Als Kurdin, noch dazu geschieden, ist das Leben in einer Diktatur nicht einfach", bringt sie es auf den Punkt und weiter: "Wenn die Iraner wüssten, wie anders es in der Welt ist, würden alle fliehen."

Bis auf Vietnamesisch werden alle Sprachen abgedeckt

Sie spricht Kurdisch und Waked Kabir übersetzt. Er ist einer der Sozialbetreuer in der Erstanlaufstelle, angestellt bei European Homecare, die im Auftrag der staatlichen Behörden die Einrichtung betreibt. Zunächst werden die Asylsuchenden über alle notwendigen bürokratischen Abläufe informiert. "Wir begleiten die Asylbewerber auch bei Bedarf bei allen Gängen. Der Aufwand, der hier betrieben wird, ist gewaltig", sagt Leiter Murat Sivri. Die meisten Mitarbeiter der Organisation haben einen Migrationshintergrund, sind sensibel für die Probleme und Motive der Asylbewerber und sprechen mehrere Sprachen. "Wir verkörpern interkulturelle Kompetenz - zu 100 Prozent", lacht der studierte Sozialwissenschaftler Sivri: "Das hilft der ratsuchenden Person schon weiter."

An der Rezeption erhalten Flüchtlinge Informationen und ein ZimmerBild: DW/K. Jäger

Shownm Mardani hat gleich ein Zimmer zugewiesen bekommen, nach der Ankunft an der Rezeption. Zwei bis drei Tage wird sie nun bleiben, bekommt bei Bedarf, Kleidung, Pflegeartikel und 3,56 Euro Taschengeld pro Tag. Innerhalb Dortmunds darf sie sich frei bewegen. Um acht Uhr, zur Öffnung der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) auf dem Gelände, reiht sie sich in die Schlange der Wartenden ein. Syrer, Afghanen, Iraker, Ägypter, Malier, Russen sind dabei. Sie muss ihren Pass abgeben, Namen, das Geburtsdatum angeben und sich fotografieren lassen. Die Daten werden im Ausländerzentralregister gespeichert. Danach werden Shownm Mardani und andere Asyl-Bewerber per Bus zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in die Innenstadt Dortmunds gefahren. Sie müssen persönlich erscheinen, um einen Fingerabdruck nehmen zu lassen. Das Bundesamt wertet den Abdruck aus und leitet dieses individuelle Merkmal weiter an andere EU-Staaten. So prüfen die Behörden, ob der Bewerber bereits in einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union Asyl beantragt hat. Beim BAMF erhalten die Flüchtlinge auch eine Aufenthaltsgestattung als Pass-Ersatz. Mündlich müssen sie einen Asylantrag stellen.

Bürger aus Nicht-EU-Ländern haben Anspruch auf Asyl

Murat Sivri, Leiter der ErstanlaufstelleBild: DW/K. Jäger

Allerdings müssen sie trifftige Gründe nennen, damit überhaupt ein langwieriges Asylverfahren durchgeführt wird. "Die einzelnen Entscheider haben genaue Kenntnis über Geografie und politische Lage des Herkunftslandes", sagt Murat Sivri. Ein Drittel aller Anträge lehnt das BAMF ab. Betroffene Flüchtlinge können nochmals einen Antrag stellen, vor Gericht klagen oder ausreisen. Sonst droht die Abschiebung durch die Behörden.

Shownm Mardani hat auf Grund der politischen Lage im Iran berechtigte Hoffnung, dass ihr erstes Gesuch angenommen wird. Damit ihr Begehren am Ende Erfolg hat, haben ihre Kölner Freunde schon einmal einen Anwalt kontaktiert, der sie beraten wird.

Zurück in der Erstanlaufstelle erfährt Shownm Mardani, dass sie sich noch einem Gesundheitstest unterziehen soll. Geprüft wird, ob sie sich wegen ansteckender Krankheiten wie Tuberkulose behandeln lassen muss.

Zeit des Wartens beginnt

Und dann wird sie in der Unterkunft auf die Entscheidung der Bezirksregierung warten, in welches Bundesland sie verlegt wird. Das wird zwei, drei Tage dauern. Sie kann das Gelände verlassen, sich innerhalb Dortmunds frei bewegen, muss aber in der Einrichtung schlafen. Darf sie in Nordrhein-Westfalen bleiben, wird sie in eine von zwei Einrichtungen zur Erstunterbringung von Asylbewerbern gebracht werden. Dort muss sie weitere drei Wochen bis drei Monate warten, bis sie in ein Asylbewerberheim umziehen muss, um dort auf die entgültige Entscheidung über ihren Antrag zu warten. "Das kann zwei Monate dauern oder auch ein Jahr", sagt Murat Sivri, "je nach Herkunftsland und Angabe des Fluchtmotivs."

Viel Bürokratie erwartet AsylbewerberBild: DW/K. Jäger

Shownm Mardani hofft, in NRW bleiben zu können, dann kann sie mit einer Besuchserlaubnis ihre Bekannten in Köln jederzeit besuchen. Wie frei sich Asylbewerber bewegen dürfen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Beim Abschied sieht die Frau glücklich aus.

Sechs Wochen nach dem Treffen erhalte ich eine E-Mail von Shownm Mardani. Inzwischen lebt sie in einem Asylbewerberheim in Westfalen. Sie lernt Deutsch. Und schreibt: "Mir ist sehr langweilig, und es gibt keine Möglichkeit für eine Beschäftigung." - Auch Geduld gehört zum Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland.

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