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KonflikteFrankreich

Erste Todesopfer bei Unruhen in Neukaledonien

15. Mai 2024

Bei den Protesten von Separatisten in dem französischen Überseegebiet sind mehrere Menschen getötet worden. Auslöser der Gewalt ist eine Verfassungsreform, die Paris - so der Vorwurf - zu viel Einfluss einräumt.

Verbrannte Kletterwand im Bezirk Magenta der Hauptstadt Noumea
Im Bezirk Magenta der Hauptstadt Nouméa setzten die Demonstranten auch diese Kletterwand in BrandBild: Theo Rouby/AFP

Bei den schweren Unruhen im französischen Überseegebiet Neukaledonien sind nach Angaben örtlicher Behörden mindestens drei Menschen getötet worden. Im Zuge der Proteste von Unabhängigkeitsbefürwortern seien in der Nacht zudem Hunderte Menschen verletzt worden, darunter allein rund 100 Polizisten, teilte der französische Innenminister Gérald Darmanin ergänzend in Paris mit. Auch wird von 140 Festnahmen berichtet.

Die Wut der Protestierenden richtete sich auch gegen einen großen französischen Automobilkonzern Bild: THEO ROUBY/AFP

Laut Augenzeugen liegt über Neukaledoniens Hauptstadt Nouméa ein beißender Brandgeruch. Der Hauptflughafen La Tontouta, Schulen und Behörden bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Aus Sorge vor Lebensmittelknappheit bildeten sich vor vielen Geschäften lange Schlangen. Die Proteste halten seit dem vergangenen Wochenende an. 

Der französische Präsident Emmanuel Macron rief inzwischen den Ausnahmezustand für Neukalodonien aus. Macron habe ein entsprechendes Dekret auf den Weg gebracht, teilte der Élysée-Palast nach einer Krisensitzung in Paris mit. Die Gewalttaten seien nicht tolerierbar, und der Staat werde unerbittlich durchgreifen, um die Ordnung wieder herzustellen. Der Ausnahmezustand erleichtert es, Ausgangssperren und Demonstrationsverbote zu erlassen und kann Polizei und Justiz erweiterte Befugnisse geben.

Wahlrecht für Tausende Bewohner mehr

Die Separatisten sind wütend über eine geplante Verfassungsreform der Regierung in Paris, die Tausenden französischen Wählern in dem fast 300.000 Bewohner zählenden Inselstaat im Südpazifik das Wahlrecht und somit mehr politischen Einfluss einräumen würde. Demnach soll die Wählerschaft bei Provinzwahlen erweitert werden. Bislang dürfen Inselbewohner, die in den vergangenen 25 Jahren vom französischen Festland oder aus anderen Ländern gekommen sind, nicht an Provinzwahlen teilnehmen.

Vor Supermärkten und anderen Geschäften in Neukaledonien bildeten sich wegen der Unruhen lange SchlangenBild: Theo Rouby/AFP

Nach dem französischen Senat nahm in der Nacht auch die Nationalversammlung in Paris den umstrittenen Text an. Jetzt müsse noch der Congrès du Parlement zustimmen, der für besondere Anlässe im Schloss Versailles einberufen wird, berichtete der Sender France24. Ein Datum stehe aber noch nicht fest. 

Kanaken hoffen auf eigenen Staat

Frankreich hatte sich im Nouméa-Abkommen von 1998 verpflichtet, Neukaledonien mehr politische Macht zu geben. Im Rahmen der Vereinbarung wurden drei Volksabstimmungen - 2018, 2020 und 2021 - über den Verbleib des Überseegebiets bei Frankreich abgehalten, bei denen die Bewohner eine Unabhängigkeit ablehnten.

Die Unabhängigkeitsbewegung erkennt das Ergebnis jedoch nicht an. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken - Neukaledoniens Ureinwohner - hofft schon lange auf einen eigenen Staat. Die Separatisten fürchten, dass die Wahlrechtsreform pro-französischen Politikern zugute kommen würde.

Anhänger der sozialistischen Nationalen Befreiungsfront der Kanaken (FLNKS) an einem Kontrollpunkt in der Hauptstadt Noumea Bild: Theo Rouby/AFP

Die französische Regierung erwartet derweil, in den kommenden Wochen ein neues Abkommen abschließen zu können. Neukaledonien liegt rund 17.000 Kilometer von Frankreich entfernt. Das Gebiet, das aufgrund einer Sonderregelung nicht der Europäischen Union und dem Schengenraum angehört, ist für Paris vor allem geopolitisch, militärisch und wegen der dortigen Nickelvorkommen von Bedeutung.

sti/jj (afp, dpa, rtr)