1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Erster Schritt zum Frieden in Libyen?

18. Januar 2020

Die Bundesregierung hat für Sonntag die kriegführenden Parteien in dem nordafrikanischen Land und ihre ausländischen Unterstützer ins Kanzleramt eingeladen. Sie hofft auf Stabilität für die gesamte Region.

Konflikt in Libyen | Kämpfe
Bild: picture-alliance/dpa/A. Salahuddien

Das Fernziel der Bundesregierung ist "ein souveränes Libyen" und ein "innerlibyscher Versöhnungsprozess", wie es in der Einladung zur Konferenz heißt. Davon ist das Land weit entfernt. Es gibt eine international anerkannte Regierung in Tripolis unter Fajis al-Sarradsch, die aber nur einen kleinen Teil Libyens kontrolliert. Auf der anderen Seite setzt Rebellengeneral Chalifa Haftar mit seinen Milizen die Regierung zunehmend militärisch unter Druck. Er beherrscht den größten Teil des Landes, darunter die meisten Ölfelder. Am Tag vor der Berliner Libyen-Konferenz hat Haftars sogenannte Libysche Volksarmee wichtige Häfen geschlossen und damit mehr als die Hälfte der Ölproduktion des Landes gestoppt. 

Verkompliziert wird die Lage durch das Eingreifen ausländischer Mächte. So unterstützt beispielsweise die Türkei die Regierung in Tripolis; Ankara hat inzwischen auch Soldaten nach Libyen geschickt. Auf der anderen Seite stellen sich neben Russland unter anderem Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hinter Haftar und helfen ihm mehr oder weniger offen militärisch. Selbst die EU ist in der Libyen-Frage gespalten: Frankreich wird eine Unterstützung Haftars nachgesagt, der früheren Kolonialmacht Italien eine Nähe zu Sarradsch.

Gegenspieler Chalifa Haftar (l.) und Fajis al-Sarradsch

Nach mehreren Vorbereitungstreffen auf Beamtenebene hat die Bundesregierung jetzt die höchsten Vertreter ins Berliner Kanzleramt eingeladen: Die beiden Rivalen Sarradsch und Haftar, die Staats- und Regierungschefs aller wichtigen direkt und indirekt beteiligten Staaten und Vertreter der Europäischer Union, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga. Und weil das Treffen unter Aufsicht der Vereinten Nationen stattfindet, ist auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres dabei.

Zumindest ein Land fühlt sich übergangen. Der Botschafter Tunesiens, Ahmed Chafra, hat in einem Interview mit der Deutschen Welle sein "großes Befremden" darüber geäußert, dass sein Land nicht eingeladen worden sei. "Dies hat uns sehr überrascht, denn Tunesien ist das Land, das am stärksten von der Situation in Libyen betroffen ist und das bei dem, was dort passiert, den größten Schaden nimmt."

Die offizielle libysche Regierung kontrolliert nur noch einen sehr kleinen Teil des Landes

Der Schlüssel für die gesamte Region

Doch was kann diese Konferenz leisten? Rainer Breul, der Sprecher des Auswärtigen Amtes, sagt, es gehe noch nicht um Friedensverhandlungen. "Das Ziel ist, dass sich die internationalen Akteure auf Rahmenbedingungen verständigen, damit sie ihre Einflussnahme vor Ort zurückfahren." Bundeskanzlerin Merkel hatte am Dienstag laut Teilnehmern in einer Fraktionssitzung gesagt: "Solange dort immer wieder von außen militärisches Gut reinkommt, so lange werden die militärischen Schlachten dort nicht zur Ruhe kommen" und solange werde es auch keine politische Lösung geben. Dass die Präsidenten Putin und Erdogan, deren Länder im Libyen-Konflikt auf verschiedenen Seiten stehen, ihr Kommen zugesagt haben, sieht die Kanzlerin als gutes Zeichen.

Die Bedeutung der Berliner Konferenz geht aber über Libyen hinaus. Nach den Worten des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt ist eine Befriedung des Landes "der Schlüssel zur weiteren Stabilisierung Nord- und Westafrikas. Wenn es uns gelingt, Libyen in eine friedliche Zukunft zu führen, wäre dies ein Meilenstein für die ganze Region." Bijan Djir-Sarai, der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, sieht vor allem Russland in der Pflicht: "Russland als Unterstützer Haftars muss den General dringend überzeugen, eine konstruktive Rolle für die Erreichung eines Friedensplans einzunehmen und am bevorstehenden Libyen-Gipfel in Berlin teilzunehmen", sagte er der Deutschen Welle.

Für Sevim Dagdelen von der Linkspartei ist aber die Bundesregierung als Vermittler selbst unglaubwürdig: "Die Verletzung des Waffenembargos im Fall Libyen zu beklagen, zugleich aber weiter selbst Waffen an Konfliktparteien in Libyen wie die Türkei, Katar, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate zu liefern, ist heuchlerisch."

Wie verhält sich Haftar?

Eine entscheidende Frage dürfte sein, ob die beiden innerlibyschen Rivalen Sarradsch und Haftar nach Berlin reisen und wenn ja, ob sie dort direkt zusammentreffen werden. Bei einer Konferenz in Moskau war das am Dienstag offenbar an der Weigerung Haftars gescheitert. 

Die Präsidenten Putin (l.) und Erdogan unterstützen verschiedene Seiten im Libyen-KonfliktBild: picture-alliance/dpa/Presidential Press Service

Anschließend stellte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sogar den Sinn der Berliner Konferenz infrage: "Wenn Haftar so weitermacht, dann hat der Berliner Gipfel keinen Sinn", sagte er in einem von türkischen Medien verbreiteten Video. Präsident Erdogan will jedoch nach bisherigen Planungen in jedem Fall teilnehmen, obwohl er mit seiner militärischen Unterstützung der libyschen Regierung das Gegenteil dessen tut, was die Bundesregierung fordert. Mehr noch, Erdogan nannte Haftar einen "Putschisten", dem man "eine Lektion erteilen" werde, sollte er weiter militärisch gegen die Regierung in Tripolis vorgehen.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas konnte unterdessen am Donnerstag einen wichtigen Teilerfolg in der zuvor festgefahrenen Situation erzielen. Bei einem Treffen mit Haftar in dessen Hochburg Bengasi habe ihm der Rebellengeneral zugesichert, er sei zu einer Waffenruhe bereit.

Zuvor hatte Maas noch einmal die wichtigste Botschaft der Bundesregierung betont: "Dieser Konflikt ist für niemanden militärisch zu gewinnen. Im Gegenteil: Es öffnet sich jetzt ein Fenster, den Konflikt von internationaler Einflussnahme zu befreien."

Begrenzter deutscher Einfluss

Dass gerade Deutschland das gelingt, bezweifelt allerdings Tim Eaton, Nordafrika-Experte bei der Londoner Denkfabrik Chatham House. Länder, die sich direkt militärisch in Libyen engagierten und mit einer der kriegführenden Parteien direkt zusammenarbeiteten, würden einen größeren Einfluss auf den politischen Prozess ausüben, so Eaton in einem Interview mit der Deutschen Welle. Deutschland tue "weder das eine noch das andere." Die Vermittlungsbemühungen seien schwierig, weil die Staatengemeinschaft und selbst Deutschlands europäische Partner in der Libyen-Frage so uneins seien. Gerade seit Türken und Russen in Libyen eine so starke Rolle spielten und für ihr Engagement eine "Rendite" in Form von Handelsverträgen mit dem Energielieferanten Libyen erwarteten, glaubt Eaton, werde es Deutschland sehr schwer haben, sich mit seinen Vorstellungen durchzusetzen.

Libyen ist wichtiger Ausgangspunkt für afrikanische Migration nach EuropaBild: picture-alliance/AP/Libyan Coast Guard

Die Bundesregierung weiß um die Herausforderungen. Und sie weiß auch, dass sie einen langen Atem braucht. Regierungssprecherin Ulrike Demmer formulierte die Erwartungen so: "Die Berliner Libyen-Konferenz ist nicht der Schlusspunkt, sondern erst der Anfang eines politischen Prozesses unter Ägide der Vereinten Nationen, und die Lösung aller libyschen Probleme kann nicht an diesem einen Tag gelingen."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen