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Erstes Holocaust-Museum in den Niederlanden eröffnet

10. März 2024

102.000 niederländische Juden und Jüdinnen wurden von den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs ermordet. Rund 80 Jahre später wird ihre Geschichte nun in einem Museum dokumentiert.

König Willem-Alexander spricht zu den geladenen Gästen
Der niederländische König Willem-Alexander während der Eröffnungszeremonie in der Portugiesischen Synagoge Bild: Peter Dejong/ANP/picture alliance

Das "Holländische Theater" in Amsterdam galt als Sammelpunkt der von deutschen Soldaten aufgegriffenen Jüdinnen und Juden in den Niederlanden. Von hier aus wurde während des Zweiten Weltkriegs ein großer Teil von ihnen in die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis deportiert. Im Gebäude gegenüber war die einstige pädagogische Hochschule untergebracht. Hier fanden in den 1940er-Jahren jüdische Kinder Schutz. Etwa 600 von ihnen überlebten so den Holocaust. Diese beiden Gebäude im historischen jüdischen Viertel Amsterdams und ein neuer Teil an der Stelle der früheren Kinderkrippe bilden nun das erste Nationale Holocaust-Museum der Niederlande.

Blick auf das neue Holocaust-Museum Bild: Peter Dejong/AP/dpa/picture alliance

Der niederländische König Willem-Alexander eröffnete die Einrichtung - im Beisein des israelischen Präsidenten Izchak Herzog, des österreichischen Staatspräsidenten Alexander Van der Bellen und der deutschen Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig - mit einer feierlichen Veranstaltung in der Portugiesischen Synagoge. 

Manuela Schwesig: Wir müssen den Anfängen wehren, gemeinsam, überall in EuropaBild: Peter Dejong/ANP/picture alliance

Schwesig betonte nochmals, es sei wichtig, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. Die aktuellen Demonstrationen in Deutschland gegen Hass, Gewalt und Rechtsextremismus zeigten: "In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Antisemitismus." Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns vertrat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Feier. Deutschland beteiligte sich mit vier Millionen Euro an den Baukosten.

Van der Bellen hob in seiner Rede die Verantwortung Österreichs in der Geschichte hervor. Das Land unterstützte den Museumsbau mit 400.000 Euro.

Demonstration in der Nähe des Museums gegen Israels Angriffe im Gazastreifen und die Anwesenheit von Präsident Herzog in Amsterdam Bild: Freek van den Bergh/ANP/picture alliance

Am Rande der Museumseröffnung protestierten mehr als 1000 Menschen gegen die Anwesenheit des israelischen Staatspräsidenten. Demonstranten skandierten auf einem Platz in der Nähe des Museums mit Blick auf den Israel-Hamas-Krieg im Gazastreifen: "Nie wieder ist jetzt" und "Feuerpause jetzt". Andere Teilnehmer schwenkten palästinensische Flaggen und trugen Schilder mit der Aufschrift "Juden gegen Völkermord".

Das Museum teilte mit, Herzog sei bereits vor dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem anschließenden Krieg im Gazastreifen eingeladen worden. In einer Erklärung heißt es weiter, der Staatspräsident repräsentiere die Heimat niederländischer Holocaust-Überlebender, die nach Israel ausgewandert seien.

Der israelische Präsident Izchak Herzog auf dem Weg zur Eröffnungsfeier Bild: Robin Utrecht/picture alliance

Museumsdirektor Emile Schrijver bedauerte es, dass es so lange gebraucht habe, bis die Geschichte der 102.000 ermordeten Jüdinnen und Juden erzählt werde. "Nach dem Krieg stand vor allem der Widerstand der Niederländer im Vordergrund", sagte er. Außerdem sei die Erinnerung für die jüdische Gemeinschaft schmerzhaft. "Doch die Geschichte muss sichtbar bleiben", betonte Schrijver. "Auch wegen des heutigen wieder aufkommenden Antisemitismus."

Museumsdirektor Emile SchrijverBild: Bart Maat/ANP/picture alliance

Mit mehr als 400 Objekten, Fotos, Filmen sowie Installationen erzählt das Museum die Geschichte der systematischen Verfolgung, die sich vor den Augen der niederländischen Bürger vollzog. Ein Raum ist von oben bis unten tapeziert mit den Rassengesetzen und Verordnungen über den Ausschluss der Juden.

Karteikarten mit Namen und Adressen aller Juden

In einer Vitrine stehen Schuhkartons mit den Karteikarten, auf denen die Namen und Adressen aller seinerzeit registrierten 160.000 Juden in den Niederlanden aufgelistet sind. "Übereifrige Beamte konnten so mit diesem System den Nazis die gewünschten Informationen geben, um die Juden zu deportieren", sagte Museumsdirektor Schrijver. Er sprach von der "systematischen Entmenschlichung".

Als Gegenstück zeigt das Museum auch persönliche Objekte einzelner Opfer. Eine Puderdose, ein Kinderkleidchen, der Pinsel-Halter eines Malers. "Wir geben den Opfern die Menschlichkeit zurück", so Schrijver.

Der Schrecken des Massenmordes wird auch dokumentiert mit zehn ausgestellten Knöpfen. Sie wurden im deutschen Vernichtungslager Sobibor im damals besetzten Polen gefunden, wo schätzungsweise 34.000 niederländische Juden ermordet worden waren. Der Knopf steht als Symbol für eines der letzten Gegenstände, welche die Menschen berührt hatten, als sie sich unter Zwang ausziehen mussten und dann zur Gaskammer getrieben wurden.

se/AR/hf (dpa, rtr, zdf, ndr)