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Erstes Veto des US-Präsidenten

Florian Blaschke19. Juli 2006

Die langjährige Debatte um die Stammzellenforschung in den USA geht in die nächste Runde, der Senat hat eine Ausweitung der Finanzierung mit Bundesgeldern beschlossen. Doch nun hat Präsident Bush sein Veto eingereicht.

Bush: "Das neue Gesetz überschreitet moralische Grenzen"Bild: AP

Am Dienstag (18.7.06) stimmte der US-Senat mit 63 zu 37 Stimmen für den neuen Gesetzesentwurf, das Repräsentantenhaus hatte ihm bereits vorher zugestimmt. Es handelt sich um eines von drei Gesetzen. Das Erste soll die Finanzierung der Stammzellenforschung durch Steuergelder sicher stellen. Das Zweite sieht eine Ausweitung der Forschung an jenen Stammzellen vor, die nicht aus Embryonen, sondern etwa aus Nabelschnurblut oder aus Körperzellen Erwachsener gewonnen werden. Die dritte Neuregelung verbietet explizit die Befruchtung von Eizellen, die nur die Entstehung von Embryonen für Forschungszwecke zum Ziel hat. Im US-Senat stimmten nun für den neuen Gesetzesentwurf.

Entnahme von DNA aus einer Eizelle mit Hilfe einer PipetteBild: AP

US-Präsident George W. Bush hat am Mittwoch - wie angekündigt - diesen Gesetzesentwurf mit seinem Veto blockiert. "Dieses Gesetz würde es unterstützen, unschuldiges menschliches Leben zu nehmen in der Hoffnung darauf, medizinische Vorteile für andere zu finden ... Es überschreitet eine moralische Grenze, die unsere Gesellschaft respektieren muss - deswegen lege ich mein Veto ein." Bush gab sein Veto umgeben von 18 Familien bekannt, die "übrig gebliebene" Embryonen anderer Paare zur Erfüllung ihres Kinderwunsches adoptierten. Mit Blick auf diese Kinder sagte Bush: "Jedes dieser Kinder war noch ein Embryo, als es adoptiert und mit einer Chance gesegnet wurde, zu wachsen und in einer liebenden Familie aufzuwachsen. Diese Jungen und Mädchen sind keine
Ersatzteile."

Versprechen erfüllt

Die erste Ansprache in seinem neuen Amt an das amerikanische Volk hatte Bush ausschließlich dem Thema Stammzellforschung gewidmet. Derartige "wertbezogene Themen", so Martin Heyer, Jurist und Ethiker am Bonner Institut für Wissenschaft und Ethik, gelten als Hauptgrund der Wiederwahl Bushs.

Senator Rick Santorum, ein überzeugter Gegner der StammzellenforschungBild: AP

Der Gesetzentwurf soll dafür sorgen, dass nur solche Projekte gefördert werden, die Embryonen verwenden, die aus der Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen übrig geblieben sind. Nicht nur verschiedene Patientenverbände hatten sich für das Gesetz stark gemacht, auch die US-Bevölkerung scheint jüngsten Umfragen zufolge zu 70 Prozent hinter der Neuregelung zu stehen. Und das, obwohl der aktuelle wissenschaftliche Nutzen mehr als umstritten ist. "Momentan befindet man sich, das muss man ganz klar sagen, in den allermeisten Anwendungsfeldern noch im Bereich der Grundlagenforschung und ist noch nicht soweit, dass man von vermarktbaren Verfahren oder Therapien sprechen kann", sagt Martin Heyer.

Strategisch Felder besetzen

Ziel der Forschung soll es einmal sein, und in diesem Zusammenhang spricht man von einem Zeitplan von mindestens zehn Jahren, etwa Parkinson mit neuen Neuronen zu heilen, bei Leberversagen Leberzellenersatz zur Verfügung zu stellen oder Krankheiten wie Krebs und Alzheimer in den Griff zu kriegen. Trotz dieser Forschungsziele will Heyer im Moment noch nicht von einem Markt für Stammzellenforschung sprechen: "Es ist aber durchaus so, dass, zumindest in vielen Ländern, weite Bereiche der Forschungsergebnisse patentierbar sind", sagt er. "Selbst, wenn man also von einer Vermarktbarkeit oder Gewerblichkeit noch entfernt ist, hat man natürlich strategisch Felder besetzt, wenn man bestimmte Verfahren patentieren lassen kann."

In Zukunft sollen mit Hilfe der Stammzellenforschung auch Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer behandelt werdenBild: dpa

Trotz der fantastisch klingenden Zukunftsmusik und des von Wissenschaftlern oft proklamierten Risikos, wirtschaftlich und forschungstechnisch hinter anderen Nationen zurück zu bleiben, bleiben die Gegner der Stammzellenforschung - nicht nur in den USA - hart. Allen voran der Präsident: "George Bush hat sich in seiner gesamten Amtszeit für die Rechte von Embryonen stark gemacht", sagt Heyer. "Er sieht die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen, und da ist er sich einig mit dem konservativen Flügel seiner Partei, als einen nicht verantwortbaren Eingriff in die Würde des Embryos ein. Er vertritt hier eine weltanschaulich-religiös motivierte Argumentation, die sich aber auch ethisch untermauern lässt." Mit dieser Einstellung steht der als evangelikal geltende Bush nicht alleine da. Auch weite Teile der amerikanischen Kirche stehen der Stammzellenforschung mindestens kritisch gegenüber, eine Haltung, die auch in Deutschland weit verbreitet ist.

Für Bush hat die Wahrung der menschlichen Würde Priorität. "Für ihn und viele andere hat der Embryo einen eigenen Würdeanspruch und ein eigenes Lebensrecht. Insofern, so die Argumentation des Präsidenten, will man nicht alle Steuerzahler zu Komplizen machen, indem man die Forschung öffentlich fördert", sagt Heyer.

Der US-Senat hat nun noch die Möglichkeit, Bushs Veto mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu kippen, was jedoch nach dem derzeitigen Stand der Dinge als unwahrscheinlich gilt. Kommt sein Veto durch, wird die Entscheidung bis zur nächsten Legislaturperiode auf Eis gelegt und die Debatte darüber mit Sicherheit zu einem wichtigen Thema der Kongresswahlen im November und der nächsten Präsidentenwahlen 2008 werden. Von den fünf republikanischen Senatoren, die als potentielle Präsidentschaftskandidaten gehandelt werden, stimmten am Dienstag zwei für und drei gegen den Entwurf.

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