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Erstmals Holocaust-Gedenktag in Kroatien

29. Januar 2004

– Präsident Mesic: Alle - und vor allem die Jungendlichen - müssen die Wahrheit darüber wissen und hören, was in der Vergangenheit geschehen ist, also auch im Zweiten Weltkrieg

Bonn, 28.1.2004, DW-RADIO/Kroatisch, Gordana Simonovic

In diesem Jahr hat sich auch Kroatien zum ersten Mal dem Gedenktag an den Holocaust und der Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeschlossen. Angekündigt waren Theatervorstellungen, Symposien und Ausstellungen, in den Volks- und Mittelschulen wurden Geschichtsstunden über die Grauen des Holocaust abgehalten, und bei den begleitenden Feierlichkeiten sind die Auszeichnungen "Gerechte der Völker" verliehen worden.

Ana Jakic, Jozo Jagodic, Olga Neumann, Vera Oberaiter, Ludvik Valentincic und Dane Vukovic sind die Empfänger des Preises "Gerechte der Völker" für ihre Hilfe bei der Rettung von Juden während des Ustascha-Regimes. Den Preis, dessen Motto ein jüdischer Gedanke ist - derjenige, der einen Menschen gerettet hat, handelte, als ob er die ganze Welt gerettet habe - haben bisher 95 kroatische Staatsbürger erhalten. Bei der Entgegennahme des Preises erinnerte sich Olga Neumann an diese finsteren Zeiten und sagte, dass man etwas tun musste: "Damals habe ich nicht gewusst, dass unsere Tat tapfer war. Es war etwas, was man tun musste, das einzig Richtige und Redliche. Diesem unendlichen Verbrechen musste man mit wenigstens einer guten Tat trotzen. Heute bin ich glücklich, dass das damalige kleine Mädchen heute eine glückliche Mutter und Großmutter ist und unter uns weilt."

Präsident Stipe Mesic, Schirmherr des Holocaust-Gedenktages, betonte, dass die jungen Menschen in Kroatien wissen müssten, dass das Ustascha-Regime dasselbe gemacht habe wie die Nazis. Vielleicht ein bisschen weniger durchorganisiert, sagte Mesic, aber nicht weniger brutal. Er erinnerte daran, dass der Holocaust nicht über Nacht passiert und dass der Antisemitismus ein untrennbarer Teil der europäischen Geschichte sei. Der Präsident sprach sich heftig gegen eine mögliche Revision der Geschichte aus, zu der auch ein Verschweigen der dunklen Seiten der nationalen Geschichte beitrage: "Alle - und vor allem die Jungendlichen - müssen die Wahrheit darüber wissen und hören, was in der Vergangenheit geschehen ist, also auch im Zweiten Weltkrieg. Damit sie wissen, dass es Dinge gibt, derentwegen wir uns schämen müssen. Deshalb habe ich mich in Israel als Präsident der Republik Kroatien öffentlich entschuldigt und unser Bedauern ausgesprochen. Aber es gibt auch jene, auf die wir stolz sein können."

Das Institut für Schulwesen des Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Sport hat in Zusammenarbeit mit dem Europarat ein zweitägiges Seminar über Unterricht zur Erinnerung an den Holocaust vorbereitet. Das Ministerium hat am vergangenen Freitag (23.1.) alle Unter- und Mittelschulen angewiesen, den 27. Januar, den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, als Gedenktag zu begehen. Es wurden vor allem Auszüge aus dem Tagebuch der Anne Frank gelesen, und in der jüdischen Gemeinde in Zagreb wurde eine Ausstellung über jüdische Kinder, die in Konzentrationslagern umgebracht wurden, eröffnet. Ministerpräsident Ivo Sanader hat bei dieser Gelegenheit dazu aufgerufen, an die Unakzeptierbarkeit von Extremismus, Ausgrenzung und politischer Angriffe zu erinnern.

Und damit alle daran erinnert werden, dass der Holocaust nicht nur der fernen Vergangenheit angehört, sondern auch Grund heutiger Bedrohungen für die Menschheit ist - von Rassismus, Intoleranz gegenüber Angehörigen anderen Glaubens oder anderer Ethnien - verherrlicht Mark Perkovic Thompson in seinen Liedern Verbrechen der Ustascha. Seine Lieder, die die Ustascha-Legionen feiern, werden schon mit den Liedern der Tschetniks während der Besetzung Vukovars verglichen. Von Thompson, der sich gerne auf Vaterlandsliebe und den katholischen Glauben bezieht, grenzt sich inzwischen schon die Kirche ab, indem sie darauf hinweist, dass die "Hate Speech" in seinen Liedern mit christlichen und zivilisatorischen Werten und Errungenschaften nicht vereinbar sei. (md)