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Es geht ums Alter

Kay-Alexander Scholz3. Mai 2004

Jedes Spielzeug hat seine Zielgruppe: Für Drei-, Sechs- oder Achtjährige geeignet. PISA sagt, alle Kinder werden dümmer. Eltern behaupten das Gegenteil. Wie gut sind unsere Kinder wirklich?

Wie geht das, Mama?Bild: AP

Da lag er nun: der Haufen Dutzender, irgendwie gleich aussehender grauer Einzelteile der internationalen Raumstation ISS. Mittendrin ein Knirps von gerade mal fünf Jahren. Die umsitzenden Erwachsenen grübelten: War das Geschenk zum Kindergeburtstag vielleicht doch zu gut gemeint? Aber nein, ein rückversichernder Blick auf die Verpackung des Klötzchensystems bestätigte: "Für Kinder ab 4 Jahren". Und tatsächlich: Es dauerte gerade mal eine Stunde, dann war die ISS fertig. Die umsitzenden Erwachsenen zweifelten: Hätten wir das damals auch gekonnt?

Wie man lebt, so spielt man

Eine Mitarbeiterin des dänischen Spielzeug-Herstellers LegoBild: AP

Zur Beruhigung: Die Firma Lego, Marktführer der Bauklötzchensysteme, meint, dass der technische Sachverstand der Kinder von heute nichts mit einer generell gestiegenen Intelligenz zu tun habe. Die Kinder würden heutzutage nur immer früher immer versierter im Umgang mit technischen Geräten, erklärt Lego-Pressereferentin Siegrun Biebertaler. Handy und Computer sei Dank. Hightech im Kinderzimmer ist demnach entwicklungsfördernd für den Sprössling. Je selbstverständlicher mit Technik hantiert wird, umso besser für spätere (Lego-) Spielerfahrungen.

Der Ehrgeiz der Erwachsenen

Alle Spieleanbieter testen ihre Produkte ausgiebig und lassen ihre Erfahrungen in eine Altersempfehlung einfließen. 0-3, 4, 6 oder 8 Jahre - das sind die Marken, die gesetzt werden. Und die haben nicht nur etwas mit der pädagogischen "Reife" der Kinder zu tun: Fast noch wichtiger sind die Sicherheitsrichtlinien. Das bekannteste Sicherheitszertifikat ist die CE-Kennzeichnung, die versichert, dass das Spielzeugauto oder das Puppenhaus der Europäischen Norm EN-71 entspricht. Grenzwerte für Entflammbarkeit, elektrische Sicherheit und chemische Zusätze sind darin festgelegt - oder der Hinweis, dass das Spielzeug zu klein für den "europäischen Normmund" ist und deshalb erst geeignet für Kinder ab 3.

Für viele Eltern sind die Altersangaben auf den Spielzeugverpackungen allerdings Zielmarken, die es zu unterbieten gilt. Speziell Großeltern würden ihre Enkel gerne schon klüger, weiter, schneller sehen und schenkten deshalb vorausschauend, erzählt Gisela Kupiak vom Figurenhersteller Playmobil. Dabei würde häufig übersehen, dass überforderte Kinder schnell zu frustrierten Kindern würden.

Kind mit einem Spielzeug RasenmäherBild: BilderBox

Andersherum hätte es aber auch schon einen besorgten Großvater gegeben, dessen fünfjähriger Enkel angeblich mit einer Feuerwehr für Vierjährige nichts anfangen konnte. Der Opa fragte deshalb besorgt nach, ob da wohl ein Entwicklungsdefizit vorläge. Aber jedes Kind entwickele sich nun mal anders, erklärt Kupiak. Manchmal kann der Eindruck aber auch schlicht täuschen: Stolze Eltern geben halt mehr Rückmeldung als Eltern, die den Eindruck haben, ihre Kinder könnten im Wettbewerb nicht mithalten.

Die schnelle Kindheit

Dennoch gibt es eine Veränderung: Die Kinder werden heutzutage schneller erwachsen. Studien, zum Beispiel im Auftrag des Bundesverbands für Spielwaren, haben ergeben, dass die Kinder nur noch bis zum Alter von ungefähr 10 Jahren wirklich "spielen". Wer älter ist, zählt schon zur Kategorie der Jugendlichen. Und die finden "Spielen" bekanntermaßen uncool. Gerade beim Umgang mit dem Computer sind die Grenzen fließend. Der Spielwarenproduzent Fischertechnik bietet inzwischen Systeme an, mit denen Kinder kleine Software-Programme schreiben können - frei nach dem Motto: "Lieber Computer! Falls der blaue Laster gegen den Baum fährt, dann mach', dass der rote Audi nach links abbiegt und der dunklen Linie folgt." Aber: Ist das noch Spielen?!

Das fragt sich auch der Ulmer Verein Spielgut e.V.. Die Spielqualität habe abgenommen, so das Urteil der Wissenschaftler und Pädagogen, die dort professionelle Verbraucherberatung geben. Viele der modernen Spiele funktionierten nach dem Prinzip "Nachbauen statt selbst erfinden". Damit würde das Spiel jedoch weniger komplex und selbständig. Wichtige Erfahrungen gingen so verloren, die später beim Lesenlernen fehlten.

Spielendes Lesen

100 Jahre TeddybärBild: AP

In den Buchverlagen entscheiden die Lektoren, welche Alters-Empfehlung auf den Buchcovern steht. Wahrscheinlich als Folge der PISA-Studien würden in den letzten Jahren immer mehr Eltern zu Büchern mit dem Vermerk "Zum Vorlesen besonders geeignet" greifen, sagt Maria Rutenfranz vom Deutschen Taschenbuchverlag. Dahinter stehe die Hoffnung, die Kinder früher zum Lesen zu bewegen. Ein weiterer Trend sind Erstlese-Bücher mit englischen Vokabeln, da immer mehr Schulen den Kindern vom ersten Schuljahr an Englisch beibringen.

"Tatsächlich werden die Grenzen zwischen Vorschule und Schule immer fließender", sagt die Lektorin. Das Leseeinstiegsalter sinkt. Dass sich Verlage so intensiv um ihre jüngsten Leser kümmern, sei übrigens eine Errungenschaft der letzten 20 Jahre. Seitdem gibt es ein ausgeklügeltes "Farbleitsystem" für Kinderbücher, das den Eltern Orientierung geben soll, welches Buch nach Meinung der Verlage für welches Alter geeignet ist. Aber: Macht das noch Lust auf's Lesen und Stöbern?!

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