Die Situation ist verfahren
2. März 2009DW-WORLD.DE Herr Hacke, worin unterscheidet sich die neue US-Regierung von der alten, wenn es um den Nahen Osten geht?
Christian Hacke: Das bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall trifft die neue amerikanische Regierung auf eine verschärfte Situation im Nahen Osten – Stichwort Gaza, und natürlich die Wahlen in Israel. Wir müssen sehen, ob sie an vorangegangene Friedensbemühungen der Regierung Clinton anknüpfen kann. Das wird wahrscheinlicher sein, als dass die nachlässige Haltung der Regierung Bush imitiert würde.
Wie gelingt es den USA, ihre grundsätzlich pro-israelische Haltung und die Unterstützung der pro-westlichen Regime in der arabischen Welt zu verbinden?
Das ist eine uralte Frage, die die ganze amerikanische Nahost-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg bewegt hat. Sie haben bis in die Jahre der Regierung Clinton versucht, eine überparteiliche Makler-Position mit leicht pro-israelischen Akzenten zu beziehen. Sie sind damit gut gefahren. Aber diese Makler-Position ist unter der Regierung Bush weitgehend verloren gegangen und einer immer stärker pro-israelischen Sichtweise gewichen. Und damit war natürlich gerade im arabischen Lager und bei den Palästinensern nicht zu punkten. Das war vor allem deswegen tragisch, weil Israel damit einen Freibrief bekam für seine aggressive Politik und seine Weigerung, einen echten Friedensprozess zu unterstützen.
Heißt das, dass das enge Bündnis der USA mit Israel den Islamisten in die Hände gespielt hat?
In gewisser Weise schon. Das ist nicht der einzige Grund, warum es im Nahen Osten nicht vorangeht, aber das ist eine fatale Verquickung. Die Geschichte der amerikanisch-israelischen Beziehungen hat immer wieder gezeigt, dass die Möglichkeiten der Amerikaner, Israel zu Zugeständnissen zu bewegen, relativ begrenzt war. Da wackelt der Schwanz mit dem Hund. Das heißt, dass die Israelis oft viel mehr Einfluss auf die Amerikaner haben als die Amerikaner auf die Israelis.
Was bedeutet das konkret?
Das bedeutet, dass die israelische Regierung die USA dahingehend beeinflusst hat, dass die amerikanische Nahostpolitik immer israelische Interessen berücksichtigt hat. Die Israel-Lobby spielt in den USA eine große Rolle, sie ist sowohl im Kongress als auch im Weißen Haus außerordentlich mächtig. Und da haben die Araber vergleichsweise nichts aufzubieten.
Nun wollen die USA dabei helfen, den Gaza-Streifen wieder aufzubauen. Welche Möglichkeiten haben sie denn, den Wiederaufbau voranzutreiben, ohne dass die Hamas davon profitiert?
Das wird schwierig. Hamas ist das Grundsatzproblem. Bisher wird sie ausgeklammert, und so lange sie sich so verhält, wie sie sich verhält - mit dieser sehr rücksichtslosen Politik der Regierung in Gaza und die Raketenangriffe auf Israel - ist es schwer, Hamas mit ihrer anti-israelischen Rhetorik miteinzubeziehen. Umgekehrt muss man Verständnis haben für die wachsende Radikalisierung im palästinensischen Lager und die Stärkung der Hamas, weil sich Israel überhaupt nicht bewegt. Es ist auch von der vermutlich neuen Regierung Netanjahu überhaupt nicht zu erwarten ist, dass sie einen Friedensprozess beginnt, dass sie den Siedlungsbau einstellt, und vor allem, dass sie eine Zwei-Staaten-Lösung mitträgt, die diesen Namen auch verdien: also einen unabhängigen Palästinenserstaat, der diesen Namen auch verdient, und nicht ein Gebilde, wo es nur Souveranität gibt für die Müllabfuhr. Das fehlt alles, und das ist dieser Teufelskreis, da haben auch die USA, die Europäer oder das Nahost-Quartett keine Option. Die Situation ist so verfahren, dass man eigentlich nur hoffen kann, dass sie sich nicht noch weiter verschlimmert.
Mit Blick auf die neue US-Regierung und die Wiederaufbau-Konferenz: Wie optimistisch sind sie, was die Fortführung des Friedensprozesses betrifft?
Ich bin im Moment sehr pessimistisch, denn die beiden Voraussetzungen sind nicht gegeben, dass auf der einen Seite die Palästinenser geeint sind - da bemüht sich Ägypten ja enorm, aber es sieht im Moment nicht so aus als ob dieser Bruderkrieg beendet wird - und auf der anderen Seite blockieren die Israelis. Wenn man es in Vergleich setzen will mit dem Apartheidskonflikt, der früher ähnlich aussah: Es gibt im Nahen Osten keinen Nelson Mandela auf palästinensischer Seite, der mit Souveranität und Autorität die Palästinenser geeint führt und auch kompromissbereit ist. Und auf der israelischen Seite gibt es alles andere als einen mutigen De Klerk, der Israel von einem paranoiden Sicherheitsverständnis wegführt und zu der Einsicht bringt, dass die Zwei-Staaten-Lösung notwendig ist und Israel sich substantiell aus der Westbank zurückziehen muss.
Christian Hacke ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn. Seine Forschungs-Schwerpunkte sind unter anderem die US-Außenpolitik und die transatlantischen Beziehungen.