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Westliche Doppelstandards

Das Interview führte Dirk Eckert26. Juni 2008

Der Konflikt um das Atomprogramm des Iran verschärft sich: Gerade hat die EU neue Sanktionen gegen Teheran verhängt. Der Westen misst mit zweierlei Maß, kritisiert der ehemalige UN-Diplomat Hans von Sponeck.

Bild: Montage AP/DW

DW-WORLD.DE: Herr von Sponeck, der Iran hält an der Urananreicherung fest. Was nun?

Hans-Christof Graf von SponeckBild: Dirk Eckert

Hans von Sponeck: Die internationale Gemeinschaft wird immer wieder durch den Iran daran erinnert, dass Doppelstandards nicht akzeptabel sind. Die Anreicherung des Urans ist - was die Internationale Atomenergiebehörde anbelangt - nichts, was nicht erlaubt ist. Das Protokoll schlägt vor, dass der Iran und andere Länder diese Anreicherung möglichst nicht vornehmen. Aber wenn Sie es doch tun, wird damit internationales Recht nicht gebrochen.

Der Iran will aber vielleicht Atomwaffen bauen.

Das ist nicht bewiesen, auch nicht von El Baradei, dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde. Es wird also viel spekuliert, aber Kriege auf der Basis von Spekulationen durchzuführen ist noch schlimmer, als wenn man genau weiß, warum man in den Krieg zieht.

Was glauben Sie denn: Will der Iran Atomwaffen?

Mich würde es nicht überraschen, wenn andere Länder Nuklearmächte werden wollen, wenn man sieht, wie hier eine westliche Doppelmoral betrieben wird. Die Amerikaner verlangen von anderen Ländern, sich nicht nuklear auszurüsten. Sie selbst arbeiten aber an neuen Generationen von Atomwaffen. Das ist vielleicht vor dreißig, vierzig Jahren mal akzeptabel gewesen, heute nicht mehr. Wir leben in einem Zeitalter der intensivierten Konfrontation, in dem solche Doppelstandards abgelehnt werden. Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass der Iran sich - wie Indien, Pakistan und Israel schon vorher - die Fähigkeit aneignet, nukleare Waffen zu bauen.

Würde es Sie beunruhigen, wenn Iran Atommacht wird?

Natürlich, das macht die Gefahr eines nuklearen Unfalls oder Zusammenpralls wahrscheinlicher, deshalb muss man dagegen sein. Aber das muss im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, am großen diplomatischen Verhandlungstisch diskutiert und gelöst werden. Mit militärischen Muskeln kommen wir da überhaupt nicht weiter. Eine Eskalation in einem militärischen Konflikt wird nur dazu führen, dass andere Länder ähnliches tun werden und die Gefahr eines globalen nuklearen Angriffs näher rückt.

Für wie wahrscheinlich halten Sie aktuell einen Krieg gegen den Iran?

Theoretisch kann so ein Krieg jeden Tag stattfinden. Der Krieg ist geplant, die "Sandkastenspiele" sind gemacht. Man ist bereit. Aber ich glaube trotzdem, dass es nicht zu einer militärischen Konfrontation gegen den Iran kommen wird. Dazu ist die Welt heute zu gespalten und man darf auch nicht vergessen, dass die Regierung Bush bald aus dem Amt scheidet.

Bush sagte aber, alle Optionen sind auf dem Tisch. Wie ernst muss man das nehmen?

Man kann so was nicht ignorieren. Die Europäische Union, auch die deutsche Regierung, müssen im Gespräch mit Bush deutlich machen, dass es andere Wege gibt als eine militärische Lösung.

Israel hat angeblich bei einem Manöver einen Angriff auf den Iran geübt.

Das ist Säbelrasseln und Teil des großen "Sandkastenspiels". Man will Zeichen setzen, man will Druck ausüben. Das heißt aber überhaupt noch nicht, dass man bereit ist, diesen schlimmen nächsten Schritt zu gehen und einen weiteren Krieg im Mittleren Osten zu entfachen, indem man Teheran und den Iran angreift.

Die Amtszeit von George W. Bush ist bald zu Ende. Welche Note geben Sie ihm?

Was man Bush zueignen muss, ist in der deutschen Notenskala von eins bis sechs nicht enthalten. Es ist so verheerend, was in dieser Amtszeit Bush geschehen ist - sowohl für das amerikanische Volk in Bezug auf seine Lebensqualität als auch für die internationale Sicherheit, um die es Bush angeblich ging.

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