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Politik

Siedler wollen Räumung Amonas verhindern

15. Dezember 2016

Hunderte israelische Polizisten haben bereits für den Einsatz geübt: Im Westjordanland soll ein illegaler Außenposten aufgelöst werden. Tania Krämer war vor Ort.

Israel Westjordanland Räumung des Aussenpostens Amona
Bild: DW/T. Kraemer

Bis spät in den Abend diskutierten die Bewohner der illegalen Siedlung Amona am Mittwoch ein Kompromissangebot der Regierung - und lehnten es schließlich ab. Die Tage ihres Außenpostens hoch oben auf einem Hügel im besetzten Westjordanland sind gezählt. Bis zum 25. Dezember müssen die rund 50 mobilen Wohncontainer geräumt sein. Doch der Vorschlag der Regierung, die Siedler auf nahegelegene Grundstücke umzusiedeln, war für sie nicht akzeptabel. Aus Sicht der Siedler hätte es nicht für alle Familien adäquate Lösungen gegeben.

"Wir sehen uns mit unmittelbarer Zerstörung und Räumung konfrontiert. Und es gibt keine wirkliche Lösung", sagte Eli Greenberg noch vor der Entscheidung. Greenberg, der seit 2004 in Amona lebt, ist in den letzten Wochen so etwas wie der Sprecher der Bewohner geworden. "Schau, das war Amona vor zwanzig Jahren", sagt Greenberg und zeigt auf einen kargen Hügel in der Nachbarschaft. "Hier war nichts, und dann kamen wir. Wir haben unsere Wurzeln hier, wir sind Teil der jüdischen Geschichte. Wir haben das Land niemals aufgegeben, auch nicht im Exil. Das ist das Land, das uns versprochen wurde. Und hier bleiben wir."

"Wir bleiben hier, das ist unser Land", sagt Eli Greenberg, der seit 2004 in dem Siedlungs-Außenposten lebtBild: DW/T. Kraemer

Dutzende von Unterstützern waren in den letzten Tagen nach Amona gereist. Einige haben neue Holzbaracken gebaut als Protest, andere sind bei Verwandten untergekommen. Der Fall Amona beschäftigt die israelische Politik seit Wochen. Schon 2014 hatte das Oberste Gericht angeordnet, dass Amona geräumt werden muss, da der Außenposten auf privatem palästinensischen Land erbaut wurde. Amona ist einer der größeren von rund 100 illegalen Außenposten im Westjordanland, die ohne Genehmigung erbaut aber von der Regierung meist toleriert werden. Der Staat muss nun für die Räumung sorgen.

Palästinenser hoffen auf Räumung

Im benachbarten palästinensischen Dorf Silwad wartet man ab. Hier leben einige der palästinensischen Landbesitzer, die mit ihrer Klage beim Obersten Gericht in Jerusalem den Fall ins Rollen gebracht haben. Mariam Hammad ist eine von ihnen. Die heute 82-Jährige erinnert sich noch an die Zeit, als sie ihrem Vater auf den Feldern half. "Ich war etwa sieben oder acht Jahre alt, und fast jeden Tag dort mit meinem Vater", sagt Hammad. "Wir sind einfache Bauern und das Land ist sehr wichtig für uns." Sie erinnert sich noch daran, als vor zwanzig Jahren die ersten Siedler kamen. Am Anfang sei ihnen nicht klar gewesen, dass die Siedler langfristig bleiben würden. Hammads Familie besitzt dort, wo heute der Außenposten Amona liegt, 25 Dunam (ca. 2,5 Hektar) Land, erzählt die Bäuerin.

Nur von weitem sieht sie ihr Stück Land: Die Palästinenserin Mariam Hammad, die beim Obersten Gericht in Israel klagteBild: DW/T. Kraemer

Gemeinsam mit anderen Landbesitzern reichte sie schließlich Klage ein beim Obersten Gericht in Israel - mit Erfolg. Das Gericht gab ihnen 2014 Recht. Doch bis heute kann Mariam Hammad nur aus der Ferne auf das heutige Amona schauen - in der Hoffnung, dass sie das Land doch noch irgendwann zurückbekommt. "Sie sagen immer, es gibt keine Besitzer. Aber wir sind da, die Besitzer sind hier", sagt sie mit resoluter Stimme. Unterstützt werden die Kläger von der israelischen Menschenrechtsorganisation 'Yesh Din' in Tel Aviv. "Amona ist ein klarer Fall von Landraub. Es gibt keinen Zweifel daran, dass das Land in Amona privat registrierter palästinensischer Grundbesitz ist", sagt Gilad Grossman, Sprecher von 'Yesh Din'.

In Amona zweifelt Eli Greenberg an den Besitzansprüchen und dem Urteil des Obersten Gerichts. "Sie haben jahrelang keine Besitzansprüche angemeldet, und dann kam diese linke Organisation 'Yesh Din' und hat sie dazu gebracht, diese Klage einzureichen", sagt Greenberg in seinem Wohncontainer, wo er mit seiner Frau und seinen Kindern lebt. Das Land sei kahl und nicht bewirtschaftet gewesen, als der Außenposten hier 1996 errichtet wurde. Auch einer seiner Nachbarn, Nachum Schwarz, erinnert sich an die Anfänge. Schwarz war einer der ersten, der 1996 nach Amona zog. Heute züchtet er Schafe. "Es hat damals nicht lange gedauert, dass wir ans Abwasser- und Stromnetz angeschlossen wurden", erinnert sich Schwarz. Die damalige Regierung, sagt er, hätte die Siedler indirekt unterstützt, auf den Hügeln zu siedeln. Heute dagegen fühlen sich die meisten hier im Stich gelassen.

Bis zum 25.12. muss der Außenposten Amona geräumt sein. Das hat das Oberste Gericht in Israel 2014 entschiedenBild: DW/T. Kraemer

Israelische Regierung unter Druck

Der Streit um Amona hat die israelische Regierungskoalition in Bedrängnis gebracht. Seit Wochen bereits versprach Premierminister Netanjahu eine Lösung. Man müsse "verantwortlich und vorsichtig handeln, um sowohl die Siedlungen zu verteidigen als auch das Gericht", sagte er dem Kabinett Anfang Dezember. Auch um den aufgebrachten Siedlern zu signalisieren, das man sie unterstützt, wurde kurzerhand das sogenannte "Legalisierungsgesetz" ins Spiel gebracht. Das Gesetz sieht vor, nachträglich sogenannte Siedlungs-Außenposten zu legalisieren, indem der Grundbesitz, auf dem die Orte gebaut wurde, enteignet wird. Wenn der Besitzer bekannt ist, könnte dieser finanziell entschädigt werden. Die national-religiöse Partei Jüdisches Heim von Naftali Bennet, Netanjahu's Koalitionspartner, will den Gesetzentwurf mit allen Mitteln durchbringen.

Nach Auffassung der israelischen Organisation Peace Now hätte ein solches Gesetz dramatische Konsequenzen für eine Zwei-Staaten-Lösung. "54 Außenposten, die auf privatem palästinensischen Grundbesitz gebaut sind, könnten nachträglich legalisiert werden", sagt Anat Ben Nun, Sprecherin von Peace Now. "Als Folge hätten sie dann den Status einer Siedlung, für die es Bebauungspläne gibt und die letztlich dann auch expandieren können." Nach internationalem Verständnis gelten alle jüdischen Siedlungen und Außenposten im israelisch besetzten Westjordanland als völkerrechtswidrig. Israel unterscheidet zwischen sogenannten Außenposten, die selbst nach israelischem Recht ohne Genehmigung errichtet wurden und dem offiziellen Siedlungsbau.

"Sie sagen immer, es gibt keine Besitzer. Aber wir sind da, die Besitzer sind hier", sagt die palästinensische BäuerinBild: DW/T. Kraemer

"Legalisierungsgesetz" sorgt für scharfe Kritik

Die internationalen Reaktionen auf den Gesetzentwurf kamen prompt: "Wenn ratifiziert, dann würde es internationales Recht brechen", sagte Nikolay Mladenov, UN Sondergesandter vor dem UN Sicherheitsrat. Auch Deutschland positionierte sich unerwartet früh und kritisierte das Vorhaben deutlich. Man sei in "hohem Maße besorgt" hieß es in Berlin.

Eine erste Lesung im israelischen Parlament hat das Gesetz bereits passiert, es benötigt aber noch zwei weitere Lesungen, um in die Gesetzgebung einzugehen. Beobachter erwarten, dass dann möglicherweise der Oberste Gerichtshof in Israel das Gesetz stoppen könnte.

Siedler Greenberg fühlt sich im Stich gelassen Bild: DW/T. Kraemer

In Amona hat die Debatte um das neue Gesetz einen bitteren Beigeschmack. Denn Amona wurde letztlich von dem Gesetz ausgenommen. Koalitionspartner Moshe Kahlon mit seiner Kulanu-Partei hätte sonst den Entwurf des Legalisierung-Gesetzes nicht mitgetragen, da er sich nicht gegen eine Entscheidung des Obersten Gericht stellen wollte. Für Eli Greenberg ist es unverständlich, dass die Politik sie hängen lässt. "Wir sagen ihnen klar und deutlich: Nehmt Amona wieder in den Entwurf auf. Es gibt keinen Grund, dies nicht zu tun", sagt Greenberg. "Wir sind Bürger Israels, ich zahle meine Steuern, mein Sohn leistet seinen Armeedienst. Deshalb will ich auch als Bürger behandelt werden. Und deshalb sollte ich hier in Amona sitzen, und nicht die Araber."

 

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