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"Es kann keine Diktatur in Europa geben"

24. Mai 2004

- Europarat fordert vor den Parlamentswahlen in Weißrussland erhöhten Druck auf das Lukaschenka-Regime

Bonn, 24.5.2004, DW-RADIO / Russisch, Christiane Hoffmann

Menschen verschwinden, Oppositionelle werden unter Druck gesetzt. In Weißrussland ist das nichts Neues. Der osteuropäische Staat ist neben Monaco das einzige Land in Europa, das nicht dem Europarat angehört. Und Weißrussland hat derzeit auch keine Chancen auf einen Beitritt, denn von demokratischen Verhältnissen ist das Land weit entfernt. Der Europarat will den Staat vor der Parlamentswahl im Oktober verstärkt unter Druck setzen.

Michail Marynitsch ist einer der Oppositionsführer in Weißrussland. Ende April wurde er bei einer Straßenkontrolle festgenommen und sitzt jetzt hinter Gittern. Ihm wird vorgeworfen, Regierungsdokumente gestohlen zu haben sowie zwei unregistrierte Pistolen zu besitzen. Doch die Opposition hält das für einen Vorwand, um Marynitsch vor den im Herbst stattfindenden Parlamentswahlen aus dem Weg zu räumen. Denn für Präsident Lukaschenka stellt der ehemalige Botschafter eine Gefahr für den Machterhalt dar.

Die Opposition ist seit langem im Visier des weißrussischen Geheimdienstes. Schon vor den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2000 verschwanden Oppositionspolitiker. Bis heute sind die Fälle nicht aufgeklärt. Und auch jetzt wird der Druck auf die Opposition wieder erhöht, sagt Christos Pourgourides. Der Zyprer berichtet beim Europarat über die Situation in Weißrussland:

"Offensichtlich kann man nicht von freien Wahlen in Weißrussland sprechen. Mir wurde gesagt, dass das staatliche Fernsehen letzte Woche eine 40-Minuten-Sendung über die Oppositionsführer produziert hat. Der ganze Tenor dieser Sendung war, dass die Oppositionsführer entweder geisteskrank oder in Verbrechen verwickelt sind oder überhaupt keinerlei Respekt vor Menschen haben. Viele Diplomaten in Minsk sagen, dass es ein absolut inakzeptables Verhalten ist, das sehr klar vermuten lässt, dass Lukaschenkas Regime Oppositionelle auf brutalste Weise verfolgt, um jegliche Opposition zu zerstören."

Auf der Internet-Landkarte der Mitglieder des Europarates ist Weißrussland ein großer weißer Fleck. Dem Land wurde vor sieben Jahren der Gaststatus aberkannt - wegen der undemokratischen Entwicklung. Und als Weißrussland Anfang des Jahres einen neuen Antrag auf Gaststatus stellte, wurde er von den 45 Mitgliedstaaten abgelehnt. Vor den Wahlen im Herbst will der Europarat, wie es in einer Erklärung heißt, "maximalen Druck" auf das Land ausüben - solange bis die Umstände des Verschwindens der Oppositionspolitiker aufgeklärt sind. Denn darin soll auch der Generalstaatsanwalt verwickelt sein, so Christos Pourgourides:

"Demokratie ist das Schlüsselwort. Solange es keine demokratischen Veränderungen in Weißrussland gibt, wird das Land in Europa absolut isoliert sein. Ich bin sicher, dass das Regime absolut inakzeptabel für den Europarat und die Europäische Union ist. Das Regime kann nicht ewig an der Macht sein. Weißrussland kann nicht eine Diktatur in Europa bleiben."

Christos Pourgourides hofft auf Sanktionen gegen das Land. Das Ministerkomitee des Europarates hat in seiner Sitzung vergangene Woche die Empfehlung der parlamentarischen Versammlung, die politischen Kontakte zu dem Land abzubrechen, diskutiert. Eine Entscheidung darüber soll in den nächsten Wochen fallen. Sollte das Komitee zustimmen, wird es in Zukunft keine offiziellen Kontakte mehr geben. Lediglich auf der sogenannten Arbeitsebene sollen sie erhalten bleiben, um langfristig vielleicht doch Reformen zu erwirken. Christos Pourgourides nennt aber noch andere Möglichkeiten, die Entwicklungen im Land zu beeinflussen:

"Die Nachbarstaaten können eine wichtige Rolle spielen, weil sie eher die Möglichkeit haben, mit den Weißrussen in Kontakt zu kommen. Und ich erwarte, dass besonders die neuen EU-Mitglieder ihre Möglichkeiten mehr nutzen und versuchen werden, die Ereignisse effektiver zu beeinflussen, als sie es bisher getan haben."

Auch die Europäische Union hat sich in der vergangenen Woche (14.5.) besorgt über die Menschrechtslage in Weißrussland geäußert und will die Empfehlungen des Europarates eingehender prüfen, wie es heißt. Im Klartext - auch Sanktionen gegen das Land sind möglich. Die Europäische Union könnte im Unterschied zum Europarat auch spürbare Sanktionen gegen das Land erwirken - zum Beispiel die Wirtschaftskooperation einfrieren. (lr)