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"Es lohnt sich, anständig zu sein"

Rosalia Romaniec25. April 2015

Władysław Bartoszewski ist tot. Der Auschwitz-Häftling und ehemalige polnische Außenminister engagierte sich über Jahrzehnte für die deutsch-polnische Versöhnung. Ohne ihn wäre sie viel langsamer gewesen.

Wladyslaw Bartoszewski ehe. Außenminister Polen SW (Foto: Michal Fludra/NurPhoto)
Bild: picture-alliance/dpa

Dieser Tod ist auch wie eine Zäsur in den bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Władysław Bartoszewski war ein Zeitzeuge und Opfer Nazi-Deutschlands, von dem niemand ein Engagement für die deutsch-polnische Versöhnung erwartete. Und doch waren es Leute wie er, die die nachbarschaftliche Annäherung schließlich ermöglicht haben.

Angesprochen auf seine gute Beziehungen zu Deutschland, sagte der ehemalige Auschwitz-Häftling: "Hätte man mir 1941 gesagt, als ich mitten auf dem Appellplatz in Auschwitz stand, dass ich eines Tages deutsche Freunde habe, hätte ich ihn für verrückt erklärt." Doch Jahrzehnte später galt Bartoszewski in Deutschland als einer von denen, die sich um die Freundschaft besonders bemühten.

Władysław Bartoszewski hat wie durch ein Wunder Auschwitz überlebt und engagierte sich anschließend in der polnischen Heimatarmee, kämpfte im Warschauer Aufstand, half dabei, tausende Juden zu retten. Nach dem Krieg arbeitete er als freier Journalist und wurde immer wieder von Kommunisten inhaftiert. Er unterstützte die katholische Opposition und die Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Nach 1989 wurde er zweimal Außenminister. Trotz seines hohen Alters war er bis zum Schluss aktiv, zuletzt als Berater der Premierministerin Ewa Kopacz und als Regierungskoordinator für die deutsch-polnischen Beziehungen.

Wladyslaw Bartoszewski als Häftling im KZ AusschwitzBild: Wladyslaw Bartoszewski

Unbequeme Empathie

Für Deutschland interessierte er sich noch vor dem Krieg. In der Abiturprüfung schrieb er über die deutsche Literatur und lernte später auch die Sprache der Nachbarn. In den 1980er Jahren war er zu Gastaufenthalten an deutschen Universitäten, etwa in München, wo er auch den Fall der Berliner Mauer im Fernsehen verfolgte. 1995 hielt er als einer der wenigen ausländischen Gäste eine Rede im Bundestag. Damals bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges zeigte er erstaunlich viel Empathie für die Opfer der Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen, was ihm in Deutschland viel Anerkennung einbrachte, doch in Polen heftige Kritik.

Ein Querdenker

"Władysław Bartoszewski erfuhr als Zeitzeuge, wozu Menschen fähig sind - im Guten wie im Schlechten", sagte zu seinem 90. Geburtstag im Schloss Bellevue Bundespräsident Joachim Gauck. Trotzdem war der Nestor der polnischen Politik fern von einem moralischen Anspruch in nationalen Kategorien. "Es lohnt sich, anständig zu sein", sagte er, und: "Für mich ist das Wichtigste, dass meine eigenen Enkel später respektvoll über mich sprechen können."

Obwohl Bartoszewski Schlimmes von Deutschen erlebte, konnte er mit Gelassenheit und vorwurfsfrei über die schwierige deutsch-polnische und europäische Vergangenheit sprechen. Doch unabhängig davon, wie sehr es in seinen Reden um die Geschichte ging, schlug er am Ende immer einen Bogen in die Zukunft. Er hielt wenig von Pathos und Sentimentalität, mochte eher die gekonnte, schlagfertige Ironie und nüchternen Verstand. Schwarz-weiß-Denken war ihm fern, er suchte nach Wegen und Kompromissen.

Er wurde zum Freund der Deutschen: Bartoszewski und sein früherer Amtskollege Hans-Dietrich GenscherBild: dapd

Unvergessliche Momente

In den deutsch-polnischen Beziehungen freute er sich vor allem über die Normalität des Alltags. Diese sei angesichts der schwierigen Nachbarschaftsgeschichte ein besonderer Wert, sagte er. Seine Staccato-Reden in deutscher Sprache werden ebenso unvergesslich bleiben wie manch ein emotionaler Ausbruch, der gelegentlich auch vorbei an diplomatischen Protokollen raste.

Derart erlebte man Bartoszewski zum Beispiel während des Streits mit der Verbandschefin der Vertriebenen, Erika Steinbach. Beide versuchten gar nicht erst, ihre gegenseitige Antipathie zu verbergen. Bartoszewski soll sie einmal "blonde Bestie" genannt haben und warf ihr Geschichtsklitterung vor. Sie revanchierte sich mit dem Wort vom "schlechten Charakter" des Politikers, wofür sie sich später entschuldigte. Bartoszewski kämpfte jahrelang gegen die Idee eines Zentrums gegen Vertreibung in Berlin, das ursprünglich als Projekt von Steinbach bekannt wurde. Als es nicht mehr zu stoppen war, intervenierte er persönlich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, um den Einfluss Steinbachs zu schmälern, womit er auch Erfolg hatte.

Herzensanliegen

Władysław Bartoszewski beobachtete über viele Jahre, wie Deutschland mit seiner Geschichte umgeht. Es interessierten ihn die Aufarbeitung und die Schuldfrage. Für diese Haltung war er auch in seinem Heimatland bekannt. Auch dort wirbelte er Staub auf bei einigen Tabuthemen, wie etwa dem Umgang des heutigen Polen mit dem Antisemitismus während des Zweiten Weltkriegs.

In Deutschland engagierte sich Władysław Bartoszewski zuletzt für eine adäquate Erinnerung an die polnischen Opfer von Nazi-Deutschland. Er wünschte sich einen sichtbaren Gedenkstein im Zentrum von Berlin, der an die drei Millionen polnischen NS-Opfer erinnert. Ein Ziel, für das er in Berlin aber nur wenige Befürworter fand.

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