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Politik

Es war antisemitischer Terror

10. Oktober 2019

Es werden immer mehr Details bekannt zu den Hintergründen des Angriffs auf eine Synagoge in Halle. Für die Ermittler steht fest: Es war ein Terroranschlag. Der mutmaßliche Täter sei ein allein handelnder Rechtsextremer.

Deutschland | Halle nach Anschlag auf Synagoge
Vor der Synagoge in Halle wird einen Tag nach dem Angriff der Opfer gedachtBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

"Was wir gestern erlebt haben, war Terror", sagte Generalbundesanwalt Peter Frank in Karlsruhe. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sprach von einem "rechtsextremistischen Terroranschlag eines Einzeltäters." Nur durch glückliche Umstände sei es dem Täter nicht gelungen, in die Synagoge einzudringen.

Nach den Worten Franks wollte der mutmaßliche Täter Stephan B. in der Synagoge ein Massaker anrichten. Er sei "wohl tief durchdrungen" von einem erschreckendem Antisemitismus und Fremdenhass. Der mutmaßliche Täter habe bei der Tat vier Schusswaffen mit sich geführt. Es sei zumindest eine vollautomatische Schusswaffe dabei gewesen, zudem habe er mehrere Sprengsätze im Auto gehabt, als er zu der Synagoge gefahren sei, heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft. 

"Der Beschuldigte wollte sich zu dem Gotteshaus Zutritt verschaffen und möglichst viele Personen jüdischen Glaubens töten", heißt es darin weiter. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich in der Synagoge 51 Gläubige zur Feier des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur aufgehalten. Nachdem es ihm nicht gelang, die Tür der Synagoge aufzuschießen, erschoss er eine "zufällig vorbeikommende Passantin" mit der vollautomatische Schusswaffe.

Weiter heißt es in der Mitteilung, der Täter habe aus Frust über sein Scheitern an der Tür der Synagoge den Entschluss gefasst, "Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund zu töten". Daraufhin sei er zu dem Döner-Imbiss gefahren und habe einen Mann erschossen. Es sei noch unklar, ob der Beschuldigte die Waffen und Sprengsätze selbst hergestellt oder sich auf andere Weise verschafft habe.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Generalbundesanwalt Peter Frank vor der PresseBild: picture alliance/dpa/S. Gollnow

Dem mutmaßlichen Schützen wird zweifacher Mord und versuchter Mord in neun Fällen vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft hat Haftbefehl beantragt. Der Verdächtige wurde dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgestellt, der den Haftbefehl erließ, wie Frank bestätigte. Stephan B. wurde eineinhalb Stunden nach dem ersten Mord auf der Flucht nach einem Unfall auf einer Landesstraße festgenommen. Er sei zuvor durch einen Schusswechsel mit der Polizei am Hals verletzt worden, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht. 


"Neue Art von Terrornetzwerk"

Zahlreiche Politiker äußerten sich zu der Annahme, Stephan B. habe als Einzeltäter gehandelt. Grünen-Chef Robert Habeck sagte, die Morde von Halle mögen die Tat eines Einzelnen gewesen sein. "Für das Motiv der Tat scheint das nicht zu gelten." Man müsse davon ausgehen, dass sich der Täter an Handlungsmustern orientiert habe, die auch beim NSU oder beim Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke eine Rolle gespielt hätten. "Der Rechtsterrorismus in Deutschland war nie weg." Seine Anhänger hätten sich bewaffnet und führten längst einen Kampf gegen die Gesamtgesellschaft. "Wer auf eine Synagoge schießt, schießt auf uns alle." 

Auch die Ex-Piraten-Politikerin und Digitalexpertin Marina Weisband hat sich gegen eine Einzeltäterthese beim Anschlag von Halle ausgesprochen. "Wir haben es mit einer rechtsextremen globalen Bewegung zu tun, die digital stark vernetzt ist und Konventionen und Sprache teilt", sagte Weisband der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Der Attentäter von Halle ist kein Einzeltäter. Er ist Teil einer neuen Art von Terrornetzwerk", so die ehemalige Piraten-Geschäftsführerin. 

Der mutmaßliche Attentäter war mit einem gestohlenen Taxi geflohenBild: picture-alliance/dpa/S. Pförtner

Suche nach Aufmerksamkeit

Der mutmaßliche Täter filmte seine Tat mit einer Helm-Kamera und übertrug die Aufnahme live ins Internet. In dem Video schimpft der Attentäter auf Juden und leugnet den Holocaust. Nach Angaben des Generalbundesanwalts wollte der Täter mit seinem Video und einem Manifest weltweite Wirkung erzielen. Ein Vorbild des Mannes sei der Attentäter von Christchurch gewesen. Es werde jetzt unter anderem der Frage nachgegangen, wie er sich so radikalisieren und sich die Waffen besorgen konnte. Lambrecht sieht im Rechtsextremismus eine der aktuell größten Bedrohungen, denen der Rechtsstaat mit allen Mitteln gegenübertreten müsse. Rechtsextremismus trete in Deutschland immer gewalttätiger und aggressiver auf. Der Nährboden beginne oft zunächst mit Worten, denen dann Taten folgten.

Lambrecht kündigte an, Vorschläge zu machen, wie Internetplattformen verpflichtet werden könnten, rechtsextreme Äußerungen zu verhindern. Man müsse ganz deutlich machen, dass man die Mitmenschen in Deutschland schütze, sagte die Ministerin. Es gehöre zur Staatsräson, dass Juden in Deutschland sicher leben könnten. 

lh/uh (dpa, epd, rtr)

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