1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Es wird kein einfacher Weg"

3. Februar 2005

In seiner Rede zur Lage der Nation präsentierte sich George W. Bush als selbstbewusster Staatsführer. Trotz seiner Machtfülle wird er in der zweiten Amtszeit auf Überzeugungskraft setzen müssen, meint Jackson Janes.

In der Politik geht es um Macht und Überzeugungskraft. Die richtige Mischung zu finden, gehört zu der Herausforderung eines jeden Präsidenten, insbesondere in seiner zweiten Amtszeit. Präsident Bush beginnt seine zweite Amtszeit mit einer großen Machtfülle. Seine Partei kontrolliert sowohl den Senat als auch das Repräsentantenhaus mit einer größeren Mehrheit als in seiner ersten Amtszeit.

Dennoch ist seine Überzeugungskraft kleiner geworden. Er besitzt nur eine sehr geringe Zustimmung in einem Land, das über viele Themen und Anliegen tief gespalten ist. Und zweite Amtszeiten sind überreich an Beispielen für Präsidenten, die Fehler begingen. Dies kann teilweise durch die Hybris erklärt werden, die vier weitere Amtsjahre im Weißen Haus auslösen müssen.

Aber da sind auch noch die unerwarteten, die unkontrollierbaren und die unterschätzten Ereignisse, die über das Weiße Haus wie ein Tsunami hereinbrechen können. Nixons Schicksal nach Watergate, Reagans Iran-Kontra-Affäre und Clintons Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) sind alles Warnsignale an künftige Präsidenten ebenso wie für den gegenwärtigen.

Nichts davon schien Präsident Bush zu bekümmern, als er seine fünfte Rede zur Lage der Nation hielt. Er erschien als selbstbewusster Staatsführer, der von seiner Mission überzeugt ist, Geschichte zu machen zuhause wie im Ausland.

Radikale Reformen

Die Rede zur Lage der Nation muss als der zweite Teil seiner Rede zum Amtsantritt verstanden werden. Als er den Amtseid am 20. Januar ablegte, sprach er über die Welt und seine Vision, wie ihre Zukunft auszusehen habe. Letzte Nacht verwandte er mehr Zeit auf die politische Agenda, die er für die Vereinigten Staaten vorsieht, und konzentrierte sich insbesondere auf die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme.

Bei der Antrittsrede legte er noch den Schwerpunkt auf internationale Sicherheit und auf die Frage, inwiefern die Vereinigten Staaten eine besondere Verpflichtung haben, die Rahmenbedingungen hierfür zu sichern. Er betonte, dass die Sicherheit der Vereinigten Staaten von der Sicherheit in der restlichen Welt abhängt. In der Rede zur Lage der Nation argumentierte er, dass die soziale Absicherung jedes einzelnen Amerikaners weniger vom Staat abhängen sollte und mehr von den Entscheidungen und der Wahl jedes einzelnen.

In beiden Reden sprach der Präsident über große Ideen, sei es über die Verbreitung der Freiheit um den Globus oder die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme. Mit diesen Zielen vor Augen denkt er nicht über die kommenden vier Jahre nach. Er denkt mehr an die nächsten vierzig. George W. Bush nimmt seine zweite Amtszeit mit einem Lösungsplan für radikale Reformen in Angriff, zuhause wie im Ausland.

Aufgabe für eine ganze Generation

Seine Entscheidung, in den Irak zu ziehen, war sowohl von der Fehleinschätzung getrieben, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt, wie auch von der Überzeugung, dass ein Regierungswechsel im Irak der Schlüssel wäre, den ganzen Nahen Osten zu verändern. Dies war ein massiver chirurgischer Eingriff, wenn auch so gewollt.

Die Irakwahlen dienen dem Präsidenten als klarer Beweis, dass seine Entscheidung richtig war. Während der Rede zur Lage der Nation wurde die Symbolik dafür, inwiefern die Sicherheit in Amerika von der Errichtung der Demokratie im Irak abhängt, auf dramatische Weise demonstriert: Eine Amerikanerin, deren Söhne in Falludscha getötet wurden, umarmt eine Irakerin, die gerade zum ersten Mal gewählt hatte. Wenn Politik und Theater etwas gemein haben, war dies der Höhepunkt der Show.

Es war Bushs eiserner Grundsatz, dass die Beseitigung der Bedrohung durch Saddam im Mittelpunkt des Kampfes gegen den Terror wie für den Frieden im Nahen Osten steht. Er glaubt, dass die Grundlagen für einen anhaltenden Frieden zu legen die Aufgabe einer ganzen Generation ist, vergleichbar den Anforderungen an die amerikanische Führung nach dem Zweiten Weltkrieg. Er machte dies sowohl in seiner Antrittsrede als in der Rede zur Lage der Nation deutlich.

Die nächsten Jahre wird er damit verbringen, beunruhigte Amerikaner sowie den Rest der Welt zu überzeugen, dass dies der richtige Weg ist, egal, was es kostet und welche Opfer erforderlich sind. Es wird kein einfacher Weg sein und wohin er führt, ist alles andere als klar.

Politisches Vermächtnis

Der Präsident hat ebenso beschlossen, dass sein Vermächtnis nicht allein vom Irak abhängt, sondern ebenso von seinen Anstrengungen, die Grundlagen der sozialen Sicherungssysteme in Amerika zu verändern. Ein gefährliches Thema, an das man in Amerika unter Gefahr des politischen Todes besser nicht rührt, denn die sie sind der Dreh- und Angelpunkt der Beziehung zwischen Regierung und Staatsbürger.

Indem er Veränderungen in dieser Beziehung empfiehlt, engagiert sich Bush wieder einmal für einen gewaltsamen chirurgischen Eingriff. Wie im Fall Iraks sieht er dies als einen notwendigen Schritt, künftige Gefahren abzuwehren. Und wie im Fall Iraks blickt er vier Jahren entgegen, in denen er die Amerikaner überzeugen muss, dass diese Gefahren unmittelbar bevorstehen. Dies wird kein einfacher Weg sein und die Ergebnisse sind unvorhersehbar.

Präsident Bush ist mächtiger denn je. Aber in dieser zweiten Amtszeit, ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl, wird seine Macht allmählich schwinden, sobald die Suche nach einem Nachfolger beginnt. Um auch nur einen Teil seiner politischen Agenda umzusetzen, wird der Präsident verstärkt auf seine Überzeugungskraft setzen müssen, weit über seine loyalen Anhänger hinaus.

Zweite Amtszeiten machen diese Aufgabe nicht einfacher. In über einem halben Jahrhundert hatten vor Bush erst drei Präsidenten die Gelegenheit, dies zu versuchen. In seiner ersten Amtszeit schien Bush eher geneigt, Macht auszuüben. In seiner zweiten Amtszeit wird er mehr auf Überzeugungskraft setzen müssen. Die richtige Mischung zu finden, bleibt die Herausforderung.

Dr. Jackson Janes ist Executive Director des American Institute for Contemporary German Studies der Johns Hopkins University in Washington D.C.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen